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Behinderungen

Verletzlichkeit als Stärke

11.12.2012  13:52 Uhr

Von Conny Becker, Berlin / In einer leistungsorientierten Umwelt traut sich kaum jemand, zu seinen Schwächen zu stehen. Genau dies könnte aber als Rezept für einen neuen Gesellschaftsentwurf dienen, in dem Individualismus und Konkurrenzdenken Menschlichkeit und Teamgeist weichen – so die Hypothese eines Medien­stars mit Handicap.

Er hat Charme, er hat Humor: Philippe Pozzo di Borgo kann ein Publikum für sich gewinnen, auch wenn seine Querschnittslähmung so manches Gegenüber zunächst befremden mag. Seine Geschichte ging mit dem französischen Kinofilm »Ziemlich beste Freunde« um die Welt, die zugrunde liegende Autobiografie zählt zu den Bestsellern – und das mit einem Thema, das so wenig verkaufsfördernd scheint wie kaum ein anderes: Behinderung.

Das Geheimnis des Erfolgs: Sowohl dem seit einem Gleitschirmunfall tetraplegischen Unternehmer der Pariser Oberschicht wie auch dem vorbestraften Pfleger aus der Bandlieue hilft ihre mehr oder weniger aus Zufall eingegangene Symbiose. Die Schwäche des einen – sei sie körperlich oder sozial –, kompensiert jeweils der andere. Erfolgreich konnte diese Geschichte aber auch nur werden, da sie so humorvoll und lebensbejahend erzählt wird. »Der Film nimmt Berührungsängste. Humor öffnet die Pforten für ein größeres Publikum«, erklärte Pozzo di Borgo auf einer von der Aktion Mensch ausgerichteten Pressekonferenz in Berlin. Ferner geht er davon aus, dass in einer Zeit, in der die Finanzkrise zu einer Systemkrise geworden ist, die Frage nach Menschlichkeit dringlicher denn je geworden ist.

 

Erfolg verpflichtet

 

»Die Gesellschaft verlangt von uns ein hohes Maß an Perfektion und Leistung, und wir fürchten, es nicht einlösen zu können«, sagte Pozzo di Borgo. Der 61-Jährige ist sich sicher, dass das System in die Sackgasse geraten ist und Menschen nicht mehr nach Effizienz und Profitgenerierung gemessen werden dürfen. Dabei weiß er ganz genau, wovon er spricht – schließlich hat er jahrelang das erfolgreiche Champagnerunter­nehmen Pommery geleitet. Doch sei ihm seit seiner Jugend stets bewusst gewesen, dass seine gesell­schaftlichen Privilegien ihn auch in die Pflicht nehmen.

 

Die Bekanntheit des Filmes nutzt Pozzo di Borgo nun dafür, seine Anliegen an ein großes Publikum zu richten. In der ausgebuchten Berliner Columbiahalle trat er vergangene Woche gemeinsam mit seinem ehemaligen Pfleger Abdel Sellou zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung erstmals öffentlich in Deutschland auf. Er ist ein Botschafter für die Inklusion von behinderten Menschen geworden und unterstützt auch finanziell entsprechende Projekte. So etwa das der Arche, die ein Zusammenleben von Menschen mit und ohne geistige Behinderung fördert und mittlerweile 140 Gemeinschaften in 40 Ländern auf allen Kontinenten vereint. Oder den Verein Simone de Cyrène, der sogenannte »geteilte Häuser« betreibt, in denen Gesunde und Menschen mit einer Hirnschädigung – sei es durch einen Schlaganfall oder einen Sturz – nach dem Vorbild der Arche zusammen wohnen.

 

Mit den Gründern dieser Initiativen, Jean Vanier beziehungsweise Laurent de Cherisey, veröffentlichte Pozzo di Borgo das Anfang des Monats erschienene Buch »Ziemlich verletzlich, ziemlich stark«, in dem die Autoren Wege zu einer solidarischen Gesellschaft aufzeigen. Die zentrale Aussage lautet, dass Verletzlichkeit auch als Stärke aufgefasst werden kann und man sie annehmen sollte – weist doch jeder die eine oder andere Schwäche auf. Behinderte Menschen seien häufig sehr starke Leute, die gerade durch ihr Handicap eine große Teamfähigkeit besitzen und sehr »effizient« handeln könnten. Um ein besseres Leben zu erreichen, muss man Pozzo di Borgo zufolge die Fragilität mitten in das System bringen, etwa Einrichtungen der Arche im Stadtzentrum errichten und nicht außerhalb jeder Sichtbarkeit. Durch persönliche Begegnungen, durch aktiven Kontakt kann Inklusion gelingen. Damit nicht erst ein schwerer Unfall einem die Augen öffnet. /

 

Philippe Pozzo di Borgo, Jean Vanier, Laurent de Cherisey »Ziemlich verletzlich, ziemlich stark. Wege zu einer solidarischen Gesellschaft« 114 Seiten. Gebunden. ISBN 978-3-446-24155-8, Euro 10. Zeitgleich erscheint das Hörbuch bei Goya SpecialS.

Aktion Mensch

Seit mehr als 50 Jahren unterstützt die Aktion Mensch, Deutschlands größte private Förderorganisation im sozialen Bereich, Projekte zur Inklusion von Menschen mit Behinderung. Darunter versteht man die selbstverständliche und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Gesellschaft. Die Sozialorganisation hat ein Nachwort in der deutschen Ausgabe von »Ziemlich verletzlich, ziemlich stark« verfasst. Weitere Infos unter www.aktion-mensch.de.

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