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Interview

Reversibel statt irreversibel

Datum 14.12.2010  11:53 Uhr

Von Sven Siebenand / Die europäische Arzneimittelagentur hat Ticagrelor, einem neuen Thrombozytenaggregationshemmer, die Zulassung erteilt. Mitte 2011 soll das Mittel in Europa zur Verfügung stehen. Im Gespräch mit der PZ nennt Professor Dr. Edelgard Lindhoff-Last von der Universitätsklinik Frankfurt am Main Vor- und Nachteile der Substanz.

PZ: Was versteht man unter dem akuten Koronarsyndrom (ACS), und wie häufig ist diese Erkrankung?

 

Lindhoff-Last: Das akute Koronarsyndrom stellt einen Sammelbegriff für verschiedene Stadien der akuten Durchblutungsstörungen der Koronargefäße dar, die unmittelbar lebensbedrohlich sein können. Es wird insbesondere in der Notfallmedizin für solche Patienten verwendet, die länger anhaltende Angina-Pectoris-Beschwerden aufweisen, solange noch nicht geklärt ist, ob es sich um einen akuten Myokardinfarkt oder eine »instabile Angina Pectoris« handelt. Es wird geschätzt, dass in Deutschland etwa zwei Millionen Notfallpatienten ein »akutes Koronarsyndrom« erleiden. Bei diesen Patienten lässt sich in etwa 15 Prozent der Fälle ein Myokardinfarkt nachweisen.

 

PZ: Wie dringend werden weitere Thrombozytenaggregationshemmer für die Therapie des akuten Koronarsyndroms benötigt?

 

Lindhoff-Last: Die bisherigen Thrombozytenaggregationshemmer, etwa Clopidogrel, wirken irreversibel und es dauert im Schnitt sieben Tage, bis sich die Thrombozyten vollständig regeneriert haben. Daher besteht ein erhöhtes Blutungsrisiko, insbesondere bei kombiniertem Einsatz oder gar bei der Tripeltherapie aus Phenprocoumon, ASS und Clopidogrel. Hier werden gerade für invasive Eingriffe und insbesondere für Patienten mit drug-eluting Stents, die notfallmäßig operative Eingriffe benötigen, dringend reversible Thrombozytenaggregationshemmer mit kürzeren Halbwertszeiten benötigt.

 

PZ: Wie viele Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) erhalten einen Adenosinphosphat-Rezeptorantagonisten wie Clopidogrel und Prasugrel?

 

Lindhoff-Last: Nach persönlicher Einschätzung etwa 80 bis 100 Prozent, insbesondere wenn eine Katheterintervention bei ACS geplant ist.

 

PZ: Anders als die beiden irreversiblen Adenosinphosphat-Rezeptorantagonisten Clopidogrel und Prasugrel ist Ticagrelor kein Prodrug, wirkt reversibel am P2Y12-Rezeptor und muss zweimal täglich eingenommen werden: Welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus für die neue Substanz?

 

Lindhoff-Last: Ein Vorteil ist, dass Ticagrelor sehr viel schneller anflutet. So ist zum Beispiel nach Loading mit 180 mg der volle Wirkeffekt schon nach etwa 30 Minuten da. Im Gegensatz dazu sind bei Clopidogrel vergleichbare thrombozytenaggregationshemmende Effekte nach 600 mg Loading erst nach etwa acht Stunden nachzu- weisen.

 

Ticagrelor flutet auch rascher wieder ab, was ebenfalls ein Vorteil bei akut notwendigen Operationen ist. Die zweimal tägliche Gabe ist eher ein Nachteil, da die Non-Compliance mit mehrfach täglicher Einnahme insbesondere bei Langzeit- anwendung zunimmt.

 

PZ: Wer profitiert am meisten von der neuen Substanz, und wem würden Sie das Mittel nicht verordnen?

 

Lindhoff-Last: Bei Patienten mit Clopidogrel-Resistenz könnte es sehr gut eingesetzt werden, ebenso bei Patienten, bei denen invasive Eingriffe oder Operationen erforderlich sind. Ich würde es eher nicht verordnen bei multimorbiden Patienten und Menschen mit schwerer Niereninsuffizienz. Da vermehrte Dyspnoe als Nebenwirkung auftreten kann, würde ich es auch nicht bei Asthmatikern einsetzen.

 

PZ: Wird Ticagrelor den Blockbustern Clopidogrel und Prasugrel zukünftig den Rang ablaufen, auf Augenhöhe mit den beiden Wirkstoffen stehen oder nur eine untergeordnete Rolle spielen?

 

Lindhoff-Last: Dies lässt sich meines Erachtens anhand der jetzigen Datenlage noch nicht eindeutig sagen, insbesondere da der Preis hier sicher auch mitentscheidend ist. / 

Zur Person

Professor Dr. Edelgard Lindhoff-Last ist Fachärztin für Innere Medizin mit Schwerpunktsbezeichnung Angiologie und Zusatzbezeichnung Hämostaseologie. Sie ist Leiterin des Schwerpunktes Angiologie/Hämostaseologie der Medizinischen Klinik III an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universitätsklinik, Frankfurt am Main.

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