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Autoimmunerkrankungen

Sich selbst feind

Datum 07.12.2010  12:58 Uhr

Von Maria Pues, Frankfurt am Main / Eine Autoimmunerkrankung kann entstehen, wenn drei Dinge zusammenkommen: eine genetische Prädisposition, bestimmte Umweltfaktoren und Veränderungen in den Regulationsmechanismen der Immunabwehr. Dann richtet sich die Immunabwehr gegen das eigene Gewebe.

Die Zahl der Patienten mit Autoimmunerkrankungen steigt. Das mag Erstaunen oder Besorgnis wecken. Nicht selten ist beim medizinischen Laien der übliche Verdächtige schnell lokalisiert: die Umwelt – oder präziser ihre Verschmutzung. Dass sich die Sachlage durchaus diffiziler gestaltet und differenzierter betrachtet werden muss, zeigte ein Vortrag von Professor Dr. Angelika M. Vollmar, Pharmazeutische Biologin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München im Rahmen der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft in Frankfurt am Main zu eben dieser Frage: »Wie entstehen Autoimmunerkrankungen?«

Die erworbene zelluläre Abwehr, vor allem die T-Lymphozyten, standen dabei im Zentrum. Ihre Aufgabe ist es, patho­gene Strukturen zu erkennen und zu vernichten. Körpereigene Strukturen, aber auch harmlose Fremd-Eiweiße, dürfen nicht angegriffen werden.

 

Sich selbst freund

 

Wie B-Lymphozyten werden auch T-Lym­phozyten im Knochenmark gebildet. Sie verlassen dieses als »unbeschriebe­nes Blatt«. Ihre Prägung erhalten sie anschließend im Thymus in Form von T-Zell-Rezeptoren. Dies geschieht nicht »auf Anforderung« durch Präsentation verschiedener Antigene, sondern umgekehrt: Nach dem Zufallsprinzip entstehen Milliarden von T-Zellen mit mehr als 106 verschiedenen Antigenspezifitäten, aber nur ein geringer Teil, nämlich 1 bis 2 Prozent, verlässt den Thymus als reife T-Zellen. Diejenigen, die mit antigen wirkenden Strukturen auf körpereigenen Zellen im Sinne einer Autoimmunreaktion interagieren würden, werden im Rahmen sogenannter zentraler (= Thymus) Toleranzmechanismen aussortiert und vernichtet (Apoptose). Die Selektion findet anhand der Affinität statt, mit der der jeweilige T-Zell-Rezeptor an Eigenpeptide bindet, die ihm durch Antigen-präsentierende Zellen angeboten werden. Wenn Rezeptoren Eigenpeptide erkennen oder wenn das Antigensignal fehlt, sterben die T-Zellen ab. Zu einer positiven Selektion kommt es bei einer mittleren Affinität. Dann verlassen naive, reife T-Zellen sowie ebenfalls gebildete regulatorische T-Zellen (Treg) den Thymus, um ihre Aufgaben in der Immunabwehr zu erfüllen.

Einfluss von Umweltfaktoren

Beispiele für Infektionen, die das Risiko für Autoimmunerkrankungen erhöhen:

 

Gruppe-A-Streptokokken (Rheumatisches Fieber, Psoriasis)

Hepatitis-C-Virus (Myasthenia gravis)

Epstein-Barr-Virus (Lupus erythemathodes)

Coxsackie-Virus, Rubella-Virus (Diabetes mellitus Typ 1)

 

Dass trotz der Selektion auch T-Zellen den Thymus verlassen, die in der Lage sind, köpereigene Strukturen anzugreifen und zu schädigen, liegt unter anderem daran, dass dort nicht alle Autoantigene präsentiert werden können. Um sie unschädlich zu machen, gibt es verschiedene Mechanismen der sogenannten peripheren Toleranzinduktion. Die einfachste davon besteht in einer mechanischen Barriere, zum Beispiel einer Membran, die die autoreaktiven T-Zellen daran hindert, ihre Zielzellen zu erreichen. Man spricht dann von Ignoranz. Auch mittels programmiertem Zelltod (Apoptose) kann eine Autoimmunreaktion verhindert werden. Zu diesem Zweck bilden aktivierte T-Zellen den sogenannten Fas-Rezeptor aus. Bindet dieser an den passenden Liganden auf der (Auto-)Antigen-präsentierenden Zelle, zerstört sich die T-Zelle selbst. Man bezeichnet dies als Deletion. Zu einer Anergie (keine Immunreaktion findet statt) kommt es, wenn über bestimmte Mechanismen die notwendige Aktivierung der T-Zellen unterbleibt. Dies nennt man Inhibierung. Von besonderem wissenschaftlichen Interesse ist die Suppression. Im Gegensatz zu den anderen Mechanismen handelt es sich hierbei um einen aktiven Toleranzmechanismus. Dieser wird durch die bereits genannten regulatorischen T-Zellen vermittelt und kann ähnlich der Inhibierung dazu führen, dass eine Immunreaktion mit körpereignen Zellen unterbleibt. Inzwischen weiß man, dass die Balance zwischen der Aktivität autoreaktiver Effektorzellen und regulatorischer T-Zellen von entscheidender Bedeutung für den Ausgang einer Immunreaktion ist.

 

Verschiedene Mechanismen sind inzwischen bekannt, die die Selbsttoleranz beeinträchtigen können. So können Barrieren zum Beispiel infolge entzündlicher Reaktionen durchlässiger werden und autoreaktive T-Zellen in Regionen gelangen, die sie üblicherweise nicht erreichen. Bestimmte Infektionserkrankungen können außerdem zu einer verstärkten Bildung costimulierender Faktoren führen, die die Aktivität sonst gehemmter T-Zellen steigert. Einige Erreger können somit das Risiko, eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln, erhöhen (siehe Kasten). Auch eine Störung der Immunregulation durch eine verminderte Funktion regulatorischer T-Zellen kann eine solche Aktivitätssteigerung zur Folge haben. Ein Beispiel ist die seltene Erbkrankheit IPEX (Immune dysregulation, Polyendocrinopathy, Enterohepathy, X-linked syndrome). Betroffene haben eingeschränkt funktionstüchtige Treg-Zellen und erkranken frühzeitig an Diabetes, entwickeln Entzündungen, verschiedene Autoimmunphänomene und schwere Infektionen.

 

Die Wichtigkeit der regulatorischen T-Zellen zeigte der Japaner Shimon Sakaguchi bereits 1995 im Tierversuch an Nacktmäusen. Entfernten die Forscher diese Immunzellen aus dem Blut, entwickelten die Tiere Autoimmunerkrankungen. Regulatorische T-Zellen stellen einen möglichen therapeutischen Ansatz dar. Dieser könnte in einer sogenannten T-Zell-Vakzinierung durch Gabe autoreaktiver T-Zellen bestehen. /

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