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Antibiotika in Europa

Verbrauch und Resistenzen

25.11.2015  09:34 Uhr

Von Annette Mende / Resistenzen gegen Antibiotika sind in Europa nach wie vor ein zunehmendes Problem, vor allem bei gramnegativen Erregern. Deutschland steht vergleichsweise gut da, doch müssen auch hierzulande die Anstrengungen verstärkt werden, um die Ausbreitung von Resistenzen zu verhindern.

In Europa sterben pro Jahr etwa 25 000 Menschen an Infektionen mit multi­resistenten Erregern. Pünktlich zum European Antibiotic Awareness Day am 18. November, der das Bewusstsein für den Umgang mit Antibiotika schärfen soll, hat das europäische Zentrum zur Krankheitsprävention und -kontrolle (ECDC) aktuelle Zahlen zur Resistenz­situation und zum Verbrauch von Antibiotika vorgelegt. Dabei bereitet die Entwicklung bei zwei gramnegativen Erregern der Behörde besondere Sorge: Klebsiella pneumoniae und Escherichia coli.

 

Infektionen mit K. pneumoniae sind vor allem für Krankenhäuser problematisch, wo sich die Erreger schnell etwa über die Hände des Personals unter den Patienten ausbreiten können. Es kommt zu nosokomialen Ausbrüchen mit Harnwegsinfektionen, Lungenentzündungen und Sepsis. Dem Bericht zufolge stieg der Anteil an K. pneumoniae, die sowohl gegen Fluorchinolone, Drittgenerations-Cephalosporine als auch Aminoglykoside resistent waren, in den vergangenen vier Jahren signifikant an.

Luft nach oben

 

In den am stärksten betroffenen Staaten, zu denen die Slowakei, Griechenland und Rumänien gehören, beträgt der Anteil sogar mehr als 50 Prozent. Deutschland liegt mit einer Resistenzrate von 5,3 Prozent zwar deutlich unter dem europäischen Schnitt von 19,6 Prozent, doch ist auch hier noch Luft nach oben, wie der Vergleich mit den Spitzenreitern Island (0 Prozent) sowie Schweden und Finnland (je 1,4 Prozent) zeigt.

 

E. coli ist das gramnegative Bakte­rium, das am häufigsten aus den untersuchten Blutkulturen isoliert wurde. Es kann Harnwegs-, Bauchfell- oder Haut- und Weichteilinfekte auslösen. Die Resistenzentwicklung bei E. coli beruht zum größten Teil auf β-Lactamasen. Laut ECDC-Report haben sich E. coli mit einer kombinierten Resistenz gegen Fluorchinolone, Drittgenerations-Cephalosporine und Aminoglykoside in den vergangenen Jahren europaweit signifikant ausgebreitet.

 

Im europäischen Durchschnitt beträgt die Resistenzrate 4,8 Prozent, wobei auch hier ein Süd-Ost-Nord-Gefälle zu beobachten ist. Die Spanne reicht von 19,7 Prozent in Bulgarien bis 1,4 Prozent in Island; Deutschland befindet sich mit 3,0 Prozent im unteren Drittel. Immerhin ist bei E.-coli-Infektion die Reserveantibiotika-Klasse der Carbapeneme noch gut wirksam – die Resistenzrate beträgt sowohl in Gesamteuropa als auch in Deutschland 0,1 Prozent. Anders als bei K. pneumoniae gibt es hier bei E. coli auch keinen ansteigenden Trend.

 

Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA), der jahrelang als Inbegriff der Antibiotika-Resistenz galt, ist fast überall rückläufig, wenn auch in den verschiedenen Ländern unterschiedlich stark. Das grampositive Bakterium S. aureus findet sich auf der Haut von etwa jedem dritten Menschen und kann als opportunistischer Erreger schwere Entzündungen der Haut, von Wunden und inneren Organen auslösen. In Deutschland sind 11,8 Prozent der S. aureus gegen Methicillin resistent, europaweit beträgt dieser Anteil 17,4 Prozent. Die Niederlande mit ihrem sehr erfolgreichen Programm zur Sanierung von Patienten mit MRSA-Infektion führen die Statistik mit 0,9 Prozent an, Schlusslicht ist einmal mehr Rumänien mit 56,0 Prozent.

 

Wie häufig Antibiotika angewendet und welche Substanzklassen bevorzugt werden, ist von Land zu Land unterschiedlich. In Deutschland ging der Verbrauch 2014 insgesamt um 7 Prozent zurück, wobei dabei die Zahlen der Veterinärmedizin nicht berücksichtigt sind. Penicilline werden in Deutschland vergleichsweise selten eingesetzt, beliebter sind Cephalosporine der zweiten Generation.

Resistenz gegen Reserveantibiotikum

Chinesische Forscher haben erstmals ein Resistenzgen gegen das Poly­myxin-Antibiotikum Colistin auf einem Plasmid nachgewiesen. Das Gen MCR-1 fanden die Wissenschaftler um Yi-Yun Liu und Dr. Yang Wang auf Plasmiden von E.-coli- und K.-pneumoniae-Stämmen aus fünf chinesischen Provinzen. Für die Wirksamkeit der Polymyxine bedeutet das nichts Gutes, denn Plasmide können Erreger leicht untereinander austauschen. Die Resistenz gegen das als Reserveantibiotikum eingesetzte Colistin dürfte sich also sehr schnell auch außerhalb Chinas ausbreiten, schreiben die Forscher im Fachjournal »The Lancet Infectious Diseases« (DOI: 10.1016/S1473-3099(15)00424-7).

Die deutschen Daten des Reports stammen unter anderem vom Robert-Koch-Institut (RKI). Hier hält man die Resistenzsituation in Deutschland für noch vergleichsweise weniger angespannt als in vielen anderen europä­ischen Staaten. »Dennoch gibt es auch in Deutschland deutlichen Verbesserungsbedarf und neben positiven Entwicklungen auch problematische Trends«, so RKI-Präsident Professor Dr. Lothar Wieler.

 

Da Resistenzen nicht an Ländergrenzen halt machen, ist ihre Eindämmung eine globale Herausforderung. So bringen etwa Studien zufolge bis zu 30 Prozent der Asienreisenden Extended Spectrum β-Lactamase (ESBL)-bildende E. coli als ungewolltes Souvenir mit nach Deutschland. Wie in anderen Gegenden der Welt mit Antibiotika umgegangen wird, wirkt sich daher direkt auch auf die Resistenzlage hierzulande aus.

 

Mythen halten sich

 

Vor diesem Hintergrund muss das Ausmaß an Unwissenheit über Antibiotika beunruhigen, das eine jüngst veröffentlichte Umfrage belegt, für die Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 10 000 Menschen unter anderem in Ägypten, China, Mexiko, Russland und Indien befragten. Demnach glaubten fast zwei von drei Teilnehmern (64 Prozent), dass Antibiotika zur Behandlung von Erkältungen geeignet seien, ein knappes Drittel (32 Prozent) der Befragten gab an, dass sie die Mittel absetzen würden, sobald sich eine Besserung einstellt. Die WHO will mit der weltweiten Kampagne »Antibiotics – handle with care« nun mit solchen Mythen aufräumen und den Umgang mit Antibiotika verbessern. /

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