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Schlaganfall und Herzinfarkt

Primärprävention mit ASS umstritten

26.11.2014  09:53 Uhr

Von Ulrike Viegener / Im renommierten Fachjournal »JAMA« ist jetzt eine neue Studie zur Primärprävention mit ASS erschienen. Der Nutzen ist danach allenfalls gering und scheint mögliche Risiken nicht zu rechtfertigen. Weitere Studien sind auf dem Weg.

Die Frage nach dem Sinn einer kardiovaskulären Primärprävention mit Acetylsalicylsäure (ASS) ist ein Dauerbrenner. Obwohl es bereits eine Fülle von Daten gibt, herrscht nach wie vor Un­einigkeit darüber, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Während die Sekundärprävention mit ASS längst Routine ist, gestaltet sich die Abwägung von Nutzen und Risiken in der Primärprävention – also beim Einsatz an großen Kollektiven gesunder Menschen – sehr viel schwieriger. Die entscheidende Frage lautet: Rechtfertigt ein möglicher präventiver Nutzen das zwar geringe, aber relevante Risiko schwerer Blutungskomplikationen?

 

Nutzen möglicherweise bislang unterschätzt

 

Eine verbindliche Antwort auf diese Frage wird dadurch erschwert, dass sich die Daten früherer Studien zum Großteil auf Menschen mit eher geringem kardiovaskulärem Risiko beziehen. Das, so kritische Stimmen, könnte zu einer Unterschätzung des potenziellen ASS-Nutzens und einer Verschiebung der Nutzen-Risiko-Relation führen. Deshalb wurden weitere Stu­dien auf den Weg gebracht, um das primärpräventive Potenzial von ASS gezielt bei Personen mit höherem kardiovaskulärem Risiko zu untersuchen. Die jetzt publizierte japanische JPPP-Studie (Japanese Primary Prevention Project) ist eine davon (DOI: 10.1001/jama.2014.15690).

 

Eingeschlossen in die offene, randomisierte Multizenter-Studie wurden rund 15 000 Männer und Frauen zwischen 60 und 85 Jahren. Die Studienteilnehmer wurden sukzessive über rund zwei Jahre an verschiedenen Kliniken rekrutiert, wo sie ambulant wegen Diabetes mellitus, Hypertonie und Dyslipoproteinämien behandelt wurden. Vorbestehende Medikationen wurden während der Studie beibehalten. Manifeste kardiovaskuläre Erkrankungen sowie ein erhöhtes Blutungsrisiko wie beispielsweise peptische Ulzera stellten Ausschlusskriterien dar.

 

Randomisiert wurden die Probanden auf zwei gleich große Gruppen verteilt: Die eine Gruppe erhielt täglich 100 mg ASS, die andere wurde nicht (zusätzlich) behandelt. Primäre Studien­endpunkte waren tödliche und nicht tödliche Herzinfarkte sowie ischämische und hämorrhagische Insulte. Sekundärer Studienendpunkt waren extrakranielle Blutungen, die eine Bluttransfusion und/oder eine Klinikeinweisung erforderlich machten. Die Studie war ursprünglich auf 6,5 Jahre angelegt.

 

Ein Gremium, das nicht über die Gruppenzuordnung informiert war, kontrollierte in regelmäßigen Abständen den Verlauf der Studie und traf nach im Mittel fünf Jahren die Entscheidung, sie vorzeitig abzubrechen. Die Begründung: Es sei kein signifikant besseres Abschneiden einer der beiden Gruppen festzustellen, und das werde sich nach Datenlage bis zum geplanten Studienende auch nicht ändern. Vor diesem Hintergrund sei es nicht zu vertreten, die Studienteilnehmer möglichen Risiken auszusetzen.

 

Marginale Unterschiede

 

Bis zum Studienabbruch hatten sich in beiden Gruppen 56 tödliche Zwischenfälle ereignet. Unter ASS traten 114 nicht tödliche Schlaganfälle auf, in der Kontrollgruppe 108. Nicht tödliche Herzinfarkte waren unter ASS zwar signifikant um 47 Prozent seltener, die absoluten Zahlen lagen allerdings mit 20 versus 38 insgesamt sehr niedrig. Hinsichtlich der kumulativen Fünf-Jahres-Rate primärer Endpunkte war zwischen beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied feststellbar. Das Risiko extrakranieller Blutungen als sekundärer Endpunkt war unter ASS signifikant erhöht (Hazard Ratio 86).

 

Was folgt nun aus diesem Ergebnis? Es bestätigt die Einschätzung einer Arbeitsgruppe der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie, die kürzlich in einem Positionspapier ein pragmatisches Vorgehen bei der Primärpräven­tion mit ASS empfahl. Die Entscheidung »ASS ja oder nein« sollte sich am individuellen kardiovaskulären Risiko orientieren und das individuelle Blutungsrisiko berücksichtigen. Ab einem Schwellenrisiko von zwei schweren kardiovaskulären Ereignissen in 100 Patientenjahren sei eine Primärprävention mit ASS als sinnvoll zu erachten. Welche Risikofaktoren Patienten meiden sollten, fassten jetzt auch zwei US-amerikanische Fachgesellschaften zusammen (lesen Sie dazu Seite 46).

 

Die japanischen Wissenschaftler haben angekündigt, dass sie die JPPP-Daten einer differenzierten Analyse nach Risiko-Subkollektiven unterziehen wollen. Außerdem sind weitere Studien an unterschiedlichen Risikopopulationen unterwegs. Soviel ist also sicher: Es wird weiter spannend bleiben. /

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