Entzaubert |
14.11.2007 16:15 Uhr |
Die wunderbare Welt der Deregulierer bekommt immer mehr Schrammen. Der Versandhandel dümpelt weiter bei rund einem Prozent Marktanteil herum, Franchise-Konzepten laufen die Teilnehmer davon und die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten spricht sich in Stellungnahmen zum Fremdbesitz dafür aus, dass Apotheken nur Apothekern gehören dürfen. Die großen Versprechungen von Oesterle, Kohl oder Däinghaus, die vor allem ihren eigenen Profit im Auge hatten, sind damit erst einmal entzaubert.
Der Versandhandel mit Arzneimitteln wird in seiner Nische bleiben, das scheint sicher. DocMorris hat sich längst auf ein neues Geschäftsfeld verlegt. Die Ertragsaussichten im Versand sind offensichtlich zu mager. Das dürfte auch das Versandportal Apotheke.de schnell merken. Die zusammen mit der Versandapotheke Mycare im Halbdunkel von S-Bahnhöfen aufgestellten Container müssen den Apothekern wahrlich keine Sorgen bereiten (siehe dazu Arzneiversand: Kiosk als Kampfansage). Das Konzept, Menschen durch Briefkästen zu ersetzen, ist so wenig originell wie Erfolg versprechend.
Keinen Erfolg hat auch Avie. Das von Apothekern schon immer skeptisch betrachtete Franchise-Konzept ist von seinen Zielen weiter entfernt denn je. Die ohnehin schon magere Zahl von gut 50 Avie-Apotheken in Deutschland wird sich zum Jahresende wohl mindestens halbieren (siehe dazu Franchise: Avie laufen die Apotheker davon). Der Arznei-Importeur und Verblisterer Kohl hat sich die Systemkooperation nun vollständig einverleibt. Viele Apotheker bekommen nun, wahrscheinlich nicht zu Unrecht, kalte Füße und verlassen den eben doch nicht sicheren Hafen Franchise. Neben grundsätzlichen Erwägungen dürfte auch ein Blick ins eigene Portemonaie zu der Massenflucht beigetragen haben, denn: Franchise rechnet sich für Apotheker kaum, sagt die Treuhand.
Verrechnet haben sich womöglich auch Celesio-Chef Fritz Oesterle und alle anderen, die die Freigabe des Fremdbesitzes vor dem Europäischen Gerichtshof nur noch für eine Formsache hielten. Sie haben die Rechnung ohne die EU-Mitgliedsstaaten gemacht. Rund zwei Drittel der Länder, die eine Stellungnahme abgegeben haben, sind gegen eine Deregulierung (siehe dazu BAK: Rückenwind gegen Fremdbesitz). Damit ist das Verfahren zwar noch nicht entschieden. Eine völlige Freigabe gegen den mehrheitlichen Willen der EU-Staaten ist aber nicht sehr wahrscheinlich. Die Kursverluste von Celesio in den vergangenen Wochen bestätigen dies.
Entzaubert sind übrigens auch die AOK-Rabattverträge. Für die meisten ausgeschriebenen Substanzen bleibt das Zuschlagsverbot bestehen (siehe dazu Rabattverträge: AOK hat beim Kartellamt keinen Erfolg). Ausschreibung und Vergabe entsprachen nach der Überzeugung der Wettbewerbshüter nicht dem Recht. Für die AOK ist dies eine unangenehme Geschichte, die Apotheker werden es wohl mit Fassung tragen.
Daniel Rücker
Stellvertretender Chefredakteur