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IQWiG

Cholinesterase-Hemmer haben Nutzen

Datum 20.11.2006  11:45 Uhr

IQWiG

<typohead type="3">Cholinesterase-Hemmer haben Nutzen

Von Conny Becker, Berlin

 

In Zeiten knapper Kassen gilt es mehr denn je, den Nutzen einer Therapie zu hinterfragen, um über die Erstattung zu entscheiden. Zum Thema Cholinesterase-Hemmer bei Alzheimer urteilte das IQWiG in seinem Vorbericht erstmals positiv. Wie die unterschiedlichen Stellungnahmen dazu den Abschlussbericht beeinflussen, bleibt offen.

 

Sie sind mal wieder in den Schlagzeilen: Die in ihrem Nutzen des Öfteren umstrittenen Acetylcholinesterase-Hemmer (AChE-Hemmer), die bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz zugelassen sind. Im Einzelnen handelt es sich um Donepezil (Aricept®, Eisai/Pfizer), Rivastigmin (Exelon®, Novartis) und um das als dritte Substanz für diese Indikation zugelassene Galantamin (Reminyl®, Janssen-Cilag). »Alle drei erzielten in den Zulassungsstudien eine symptomatische Verbesserung der Einbußen und Beschwerden der Patienten und waren Placebo überlegen«, sagte Professor Dr. Isabella Heuser von der Berliner Charité auf einer von den drei Herstellern unterstützten Pressekonferenz in Berlin. Die Arzneistoffe besserten beziehungsweise stabilisierten die kognitiven Fähigkeiten sowie die Alltagskompetenz der Patienten, den für die Beteiligten »entscheidenden Parameter«.

 

»Die Wirksamkeit von Acetylcholinesterase-Hemmern ist durch Ergebnisse placebokontrollierter Studien sowie Metaanalysen umfassend belegt«, urteilte die Psychiaterin. So hatte auch die für ihre systematischen Metaanalysen bekannte Cochrane Collaboration der Substanzgruppe in einen Review von 2006 einen positiven Effekt bescheinigt. Aufgrund der als gut befundenen Evidenz empfehlen die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft sowie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde AChE-Hemmer als Mittel der Wahl. Im Gegensatz dazu falle zum Beispiel die Beurteilung zu Nootropika wie Nimodipin, Piracetam oder Dihydroergotoxin, aber auch Ginkgo biloba in den verschiedenen Leitlinien nicht einheitlich aus, da die Studienlage sehr heterogen sei.

 

Patientenrelevanten Nutzen erkennen

 

Wie in England wird auch in Deutschland derzeit vermehrt versucht, den patientenrelevanten Nutzen aus der festgestellten Wirksamkeit herauszukristallisieren. Diese Größe ist allerdings schlecht messbar und ähnelt eher einem medizinischen »Werturteil« als einem fixen Parameter. Die in Studien mit Alzheimer-Patienten herangezogenen psychometrischen Tests etwa dienen dazu, die kognitiven Fähigkeiten der Betroffenen zu charakterisieren. »Es ist für den Patienten jedoch irrelevant, ob er Radio rückwärts buchstabieren kann oder nicht«, sagte Heuser. Wichtig sei vielmehr die Auswirkung auf das tägliche Leben und die Fähigkeit, entsprechende Aufgaben ohne fremde Hilfe bewältigen zu können.

NICE urteilte negativ

Das englische Pendant zum IQWiG, die NICE-Behörde, verkündete vor rund einem Monat, dass Ärzte in England und Wales Patienten erst im mittelschweren Alzheimer-Stadium AChE-Hemmer verschreiben dürfen. Als Begründung nannte sie die geringe Wirksamkeit der Mittel im Frühstadium. Das NICE bezieht im Gegensatz zum IQWiG allerdings auch die Kosten mit in sein Urteil ein, sodass die beiden Bewertungen nicht im Widerspruch zueinander stehen. Kommt die Gesundheitsreform in der geplanten Version, wird das IQWiG künftig neben dem patientenrelevanten Nutzen auch die Kosten in ihren Entscheidungen mitberücksichtigen.

Als Endpunkt von Studien zur Alzheimer-Therapie wird auch die Zeit bis zur Einweisung in Pflegeheime betrachtet. Eine Studie aus dem Jahr 2002, in der 135 AChE-Hemmer-behandelte Patienten mit 130 unbehandelten verglichen wurden, ließ einen Langzeiteffekt erkennen, da die Therapie die Heimeinweisung deutlich verzögern konnte. Der Parameter ist jedoch ambivalent, da je nach Lebenssituation eine frühe Heimeinweisung gewünscht und für den Patienten von Vorteil sein kann. Überdies müssen bei einer Krankheit wie Alzheimer auch immer die Angehörigen miteinbezogen werden, die nicht zuletzt das Studienergebnis mitentscheiden.

 

Ebenfalls schwierig, wenn nicht unmöglich scheint es, die Lebensqualität der Patienten zu erfassen. Denn standardisierte Fragebögen wie der SF-36, der etwa in der Krebstherapie Usus ist, können Alzheimer-Patienten zumeist nicht ausfüllen. Daher sind auch hier die Angehörigen gefragt. In einer Umfrage der Alzheimer Gesellschaft Großbritannien zu Alzheimer-Medikamenten bewertete der Großteil der rund 2700 Patienten und Angehörigen ihren Einsatz als positiv. Weitere Studien, etwa auch zur Definition der Lebensqualität bei Demenz, seien notwendig und würden derzeit durchgeführt, so die Referentin.

 

IQWiG urteilt erstmals positiv

 

Wie es um den Nutzen von Cholinesterase-Hemmern steht, wollte auch der Gemeinsame Bundesausschuss wissen, der über die GKV-Erstattung entscheidet. Anfang 2005 beauftragte er daher das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das im September einen Vorbericht veröffentlichte. »Erstmals hat das IQWiG einer Substanzgruppe klar einen Nutzen zugeschrieben«, betonte Privatdozent Dr. Martin Haupt vom Neuro-Centrum Düsseldorf. Diesen Nutzen bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz stellte das Institut hinsichtlich kognitiver Leistungen sowie demenzbedingter Alltagsbeeinträchtigungen fest.

 

Hinsichtlich der Endpunkte Heimeinweisung und Mortalität kamen die Begutachter allerdings zu keinem Urteil, da hier nicht genügend Daten zur Verfügung stünden. Dies liegt darin begründet, dass das IQWiG ausschließlich randomisierte kontrollierte Studien von mindestens vier Monaten in seine Bewertung einbezogen hat. Dies kritisieren nun die Hersteller, da dadurch »viel Evidenz« verloren ginge. In den vielen Studien wurde nämlich aufgrund überlegener Wirksamkeit nach sechs oder zwölf Monaten entblindet und die Studien open-label weitergeführt, um die Patienten in der Placebogruppe nicht länger zu benachteiligen. In die Auswertung des Instituts ging dann aber nur die placebokontrollierte Phase ein.

 

Ihre Kritik konnten die Hersteller vergangene Woche in einer Anhörung beim IQWIG kundtun, ebenso wie Patientenvertreter, Fachgesellschaften, Berufsverbände oder andere Interessierte, die zuvor eine Stellungnahme an das Institut gerichtet hatten (siehe Kasten). Als »wesentliche Aspekte« der Diskussion bezeichnete Haupt, der für die Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie an der Anhörung teilgenommen hatte, daher auch Dauer und Design von RCT-Studien: Während die Hersteller etwa kritisierten, dass dreimonatige placebokontrollierte Studien völlig unberücksichtigt blieben, auch wenn sie eine Aussage zur Verträglichkeit oder der Besserung kognitiver Störungen erlaubten, forderten die Vertreter des Arznei-Telegramms und des Instituts für klinische Pharmakologie der Uni Bremen placebokontrollierte Studien von zwei- bis dreijähriger Dauer. Dies wiederum halte die Deutsche Alzheimer Gesellschaft sowie manche Ethikkommission für nicht tragbar, so Haupt.

 

Weitere Forderungen waren: Vergleichsstudien auch mit nicht medikamentösen Maßnahmen zu initiieren und die Entlastung der Angehörigen sowie das CIBIC genannte globale Urteil des Arztes stärker zu berücksichtigen. Zudem sollten die vollständige Dateninformation zu einer RCT auf der Website des Herstellers sowie unter www.clinicaltrials.gov nachzulesen sein, da publizierte Versionen oft gekürzt seien.

 

Da das Reglement der Anhörung äußerst strikt war und die einzelnen Beiträge in der Regel nur kurz durch das IQWiG kommentiert wurde, sei keine Diskussion möglich gewesen, so der Mediziner. Noch weniger kam vergangene Woche ein Ergebnis zustande. Auf dieses, das heißt auf den Abschlussbericht, müssten alle Beteiligten noch mindestens drei Monate warten. Dennoch wagte Haupt eine Prognose: »Es wird sich wohl nicht mehr viel tun, ich glaube nicht an eine dichotome Entscheidung.«

Eklat bei IQWiG-Erörterung

Nach der Fertigstellung des Vorberichts seitens des IQWiG können alle Interessierten innerhalb von vier Wochen eine maximal 5-seitige Stellungnahme einreichen. Diese Standpunkte können in Form einer Erörterung oder Anhörung beim IQWiG noch einmal persönlich angebracht werden. Dies allerdings nur gedanklich oder in Form kurzer Notizen, nicht jedoch auf Tonband. Dies hatten vergangenen Donnerstag Vertreter des VFA, der Herstellerfirmen und des Deutschen Diabetiker Bundes gefordert, als sie zur Erörterung zu Insulinanaloga antraten. Institutsleiter Peter Sawicki verweigerte dies, woraufhin die drei Diskussionsteilnehmer die Anhörung verließen. Anschließend stellte Sawicki in einer Pressemitteilung klar, dass es sich bei den wissenschaftlichen Fachdiskussionen um keine öffentliche Veranstaltung handle und sie vor Missbrauch geschützt werden müssten.

 

Wie auch bei den AChE-Hemmern ist nach Informationen des IQWiG in etwa drei Monaten mit einem Abschlussbericht zu rechnen. Der Vorbericht zu Memantine bei moderater bis schwerer Alzheimer-Demenz soll Ende Dezember erscheinen.

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