Neue Strategien gegen Resistenzen |
12.11.2012 23:46 Uhr |
Von Maria Pues, Greifswald / Bakterien- und Krebszellen finden immer wieder einen Weg, um sich dem Angriff durch Arzneistoffe zu entziehen. Mögliche Mechanismen und Gegenstrategien sind Gegenstand der aktuellen Forschung.
Bakterien- und Krebszellen scheinen den Wettlauf um wirksame Arzneistoffe für sich zu entscheiden, indem sie immer wieder neue Resistenzmechanismen entwickeln. Doch auch die Wissenschaft schläft nicht.
Antibiotika-Resistenzen überwinden
Ein aktuelles Target zur Entwicklung neuer Antibiotika stellte Professor Dr. Rolf W. Hartmann vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) den DPhG-Tagungsteilnehmern vor: das bakterielle Quorum sensing System. Dieses dient Bakterien dazu, mithilfe von Botenstoffen untereinander zu kommunizieren, zum Beispiel um gemeinschaftlich ausgeführte Prozesse wie das Wachstum, die Bildung von Biofilmen oder die Sekretion von Stoffwechselprodukten zu regeln.
Der Erreger von Lungeninfektionen, Pseudomonas aeruginosa, bedient sich eines spezifischen Kommunikationssystems, dem PQS (Pseudomonas-Quinolon-Signal). Zukünftige Wirkstoffe, die hier angreifen, senkten die Virulenz der Bakterien und verminderten die Integrität der Biofilme, beeinflussten jedoch nicht die Lebensfähigkeit der Erreger, so Hartmann. Auf diese Weise werde auf die Bakterien kein Selektionsdruck ausgelöst; der Reiz zur Ausbildung von Resistenzmechanismen unterbleibt. Dabei verfolgen die Wissenschaftler zwei Strategien: zum einen die direkte Hemmung der Wirkung von PQS an seinem Rezeptor und zum anderen die Hemmung der Biosynthese des Vorläufers von PQS.
Durch Synthese von Strukturanaloga des natürlichen Substrats und Untersuchung der Wechselwirkung mit deren Zielstrukturen lassen sich die molekularen Mechanismen für agonistische und antagonistische Eigenschaften ableiten und zur Entwicklung von Tools sowie im Anschluss daran von Wirkstoffen heranziehen.
Zytostatika-Resistenzen überwinden
Die Erforschung von Resistenzmechnismen im Rahmen einer onkologischen Chemotherapie gestalte sich zuweilen schwierig, da nicht aus allen Krankheitsphasen Biopsiematerial zur Verfügung stehe, erläuterte Professor Dr. Matthias Kassack, Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, am Beispiel der Resistenz von Ovarialkarzinomen gegen Platinkomplexe, dem gefährlichsten aller gynäkologischen Tumoren. Die Chemotherapie schlage allenfalls bei rund 30 Prozent der Patientinnen an, 5 Prozent entwickelten eine primäre Resistenz, rund 40 Prozent noch im ersten Behandlungsjahr eine sekundäre Resistenz. Marker, mit deren Hilfe man vorhersagen könne, ob eine Therapie erfolgreich sein würde, gebe es nicht. Kassack und seine Mitarbeiter haben daher Zelllinien resistent gezüchtet, indem sie diese in Intervallen mit Dosierungen unterhalb der in Therapien erreichten maximalen Plasmakonzentrationen behandelt haben, bis ein Resistenzplateau erreicht war. Der Vergleich der resistenten Zellen mit ihrem sensitiven Ausgangszustand gibt Hinweise auf die Mechanismen der Resistenzbildung beziehungsweise die Resistenzfaktoren sowie auf die Möglichkeiten zur Entwicklung von Biomarkern.
Bereits seit Längerem unter Verdacht nicht nur das Tumorwachstum, sondern auch Resistenzen zu fördern, steht der Insulin-like-growth-factor-1-Rezeptor (IGF-1-Rezeptor). Dessen Exprimierung steigt parallel zur Entwicklung der Resistenz. Dasselbe gilt für seinen endogenen Liganden. Bei der Überprüfung der klinischen Relevanz waren wir vom Ergebnis zunächst enttäuscht, berichtete Kassack: »Der Rezeptor allein spielt nicht die Rolle.« Eine Hemmung des IGF-1-Rezeptors führe allenfalls zu einer partiellen Resistenz, erläuterte er weiter. Eine weitere Untersuchung ergab, dass Inhibitoren von Mutanten des Tumorsuppressorgens p53 eine partielle Rückkehr der Sensitivität bewirken können. Wirkstoffe neu zu kombinieren, könne einen Weg darstellen, um Tumorresistenzen zu vermeiden. Targets seien dabei jene Gene, die in dem entsprechenden Tumor hochreguliert sind. Ein weiteres Ziel bestehe darin, Resistenzen vorzubeugen oder sie hinauszuzögern, mithin, die Hochregulierung bestimmter Gene vorherzusehen und ihr frühzeitig zu begegnen.
Resistenz aufgehoben
Eine Leitsubstanz zur Überwindung der Resistenz von Tumorzellen stellte Riad Schulz von der Universität Greifswald vor. Gibt man Hydrazon in vitro zu Zellen von B-Zell-Lymphomen, so gewinnen diese ihre Sensitivität gegenüber den gebräuchlichen Zytostatika zurück. Bei mehr als 90 Prozent der Non-Hodgkin-Lymphome handelt es sich um B-Zell-Lymphome. Zwar gehörten Non-Hodgkin-Lymphome mit 10 bis 15 Fällen pro 100 000 Einwohner zu den eher selteneren Krebserkrankungen, berichtete Schulz. Es sei aber mit steigenden Patientenzahlen zu rechnen.
Resistenzentwicklung finde sich vor allem bei niedrig-malignen Tumoren und stelle die Hauptursache für einen Therapieabbruch dar. Die Tumoren werden unempfindlich gegenüber allen Leitlinien-Arzneistoffen wie Methotrexat, Etoposid, Cisplatin und Bortezomib. Als Ursache nannte Schulz eine erhöhte Expression von Glutathionperoxidase-1 (GPx-1), das auch das Target darstelle. Bekannte GPx-Inhibitoren seien jedoch durchweg ungeeignet, unter anderem, da sie zu unspezifisch wirkten, führte Schulz aus.
In In-vitro-Tests zeigte sich, dass Hydrazon in der Lage ist, bestehende Resistenzen fast vollständig wieder aufzuheben, schloss Schulz. Damit habe man nun einen geeigneten Ausgangspunkt zur Entwicklung arzneilich wirsamer Substanzen. /