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Rechtsmedizin

Tätern auf der Spur

14.11.2011  14:00 Uhr

Von Aline Rühtz / Pharmazeuten im Praktischen Jahr haben die Möglichkeit, sechs Monate lang in der Rechtsmedizin Frankfurt am Main zu arbeiten und beim Nachweis von Giften erste Berufserfahrung auf diesem Gebiet zu sammeln. Professor Dr. Stefan Tönnes, Leiter der Abteilung Forensische Toxikologie am Institut für Rechtsmedizin Frankfurt am Main, stand der PZ Rede und Antwort.

»Meine Frau will mich umbringen«, »Meine Tochter nimmt Drogen« oder »Ich glaube, ich wurde vergiftet« – mit solchen und ähnlich Anfragen können Toxikologen konfrontiert sein. Denn neben der Aufklärung von Todesursache und Todesumständen haben sie auch Kontakt mit den Lebenden.

 

Bereits 1532 wurde auf dem Reichstag zu Regensburg die »Constitutio Carolina Criminalis« ins Leben gerufen, die die gerichtliche Medizin als neue praktische Disziplin begründete. Ein Teilgebiet der Rechtsmedizin, die Forensische Toxikologie, ist definiert als die Lehre von den Stoffen (Gifte, Drogen, Medikamente), deren Nachweis und Wirkung im menschlichen Körper im Zusammenhang mit einem strafrechtserheblichen Sachverhalt stehen.

 

Nichts, was es nicht gibt

 

Das Institut für Rechtsmedizin in Frankfurt fungiert neben dem Forschungs- und Lehranspruch auch als Dienstleistungsunternehmen. »Rund 70 Prozent der von der Polizei angehaltenen verdächtigen Autofahrer sind Cannabiskonsumenten, 10 Prozent fallen auf Cocainkonsumenten«, erklärt Tönnes. Oftmals ist es also Aufgabe des Instituts auf Anfrage der Polizei nachzuweisen, ob Fahruntüchtigkeit aufgrund der konsumierten Drogen oder durch Alkoholkonsum vorliegt.

Bei Drogenkonsumenten stellt sich dann noch die Frage nach der grundsätzlichen Fahreignung und sie sind in der Pflicht, ihre Drogenabstinenz zu beweisen, wenn sie ihren Führerschein behalten wollen. Doch auch besorgte Eltern bringen kleine Tütchen mit unbekanntem Pulver, die sie bei ihren Kindern gefunden haben, zu den Forensikern und bitten um Aufklärung. Ferner sollten schon Fische aus dem Main oder dubiose Präparate aus dem Internet in der Forensischen Toxikologie analysiert werden. »Denken Sie sich einen beliebigen Fall aus. Ich bin mir sicher, dass wir so einen schon mal hatten«, berichtete Tönnes. »Es gibt hier wirklich fast nichts, was es nicht gibt«.

 

Des Weiteren sind Obduktionen an der Tagesordnung eines Rechtsmediziners. Tönnes bedauert allerdings die niedrige Obduktionsfrequenz in Hessen. Seit Langem ist bekannt, dass in Deutsch­land ungefähr jeder zweite Mord unentdeckt bleibt. Wenn die Todesursache geklärt ist, unterbleiben häufig toxikologische Untersuchungen. Diese werden vorrangig bei unspezifischen pathologischen Befunden, zum Beispiel bei Drogentoten, durchgeführt. Echte Giftmorde gibt es sehr selten. Neben Brandgasvergiftungen finden sich mehrfach suizidale Vergiftungen oder Personen, die ihren Antrieb steigern wollten, damit ihnen beispielsweise ein Suizid durch Erhängen leichter fiel. Daneben spielen Gewaltdelikte unter Drogeneinfluss oder tödliche Verkehrsunfälle eine Rolle. Hier wird die breit gefächerte Arbeit der Rechtsmediziner deutlich, denn sie sind auch als Gutachter vor Gericht gefragt.

 

Motiviert und wissenschaftlich interessiert?

 

Seit mehr als zehn Jahren haben Pharmazeuten im Praktischen Jahr die Chance, die Hälfte ihres Praktikums am Institut zu absolvieren. Besonders wegen ihrer guten akademischen und instrumentellen Ausbildung eignen sich Pharmazeuten für diese Arbeit, so Tönnes. »Das Verantwortungsbewusstsein, das ein Pharmazeut in der Apotheke benötigt, ist auch für uns eine wichtige Voraussetzung«.

 

Für die Praktikanten heißt es dann zum Beispiel Blutproben auf Substanzen von A wie Ambroxol bis Z wie Zopiclon zu untersuchen. Zudem arbeiten sie mit Haarproben, Urin oder auch mit dem Mageninhalt einer Leiche. Die Analysen werden dabei hauptsächlich mittels Gaschromatografie oder Flüssigchromatografie in Verbindung mit Massenspektroskopie durchgeführt. Der Wert der verwendeten Geräte liegt im Bereich von jeweils mehreren Hunderttausend Euro. Die Studenten dürfen auch bei einer Obduktion zusehen, mal einer Gerichtsverhandlung beiwohnen und bei Vorlesungen des Professors teilnehmen.

 

Doch die Anforderungen an die Pharmaziepraktikanten sind hoch. Da fast jede Probe besonders ist und im Extremfall das Schicksal einer Person damit zusammenhängt, erwartet Tönnes außerordentliche Sorgfalt, Übersicht und Selbständigkeit. Die Mitarbeiter des Instituts weisen neben jahrelanger Erfahrung auch ein umfassendes Wissen in den verschiedensten Bereichen, von der analytischen Chemie über die Medizin bis hin zur Rechtsmedizin und dem Strafrecht, auf. Fast jede Probenanalyse ist »Handarbeit«. Auch wenn ein Pharmazeut im Praktikum da noch nicht mithalten kann, gewinnt er viele Erkenntnisse über den Arbeitsalltag eines Forensikers und darf bei den Standardabläufen selbständig mitarbeiten.

 

Bei den Bewerbern achtet Tönnes deshalb auf deren Motivation und soziale Kompetenz. Da das Labor räumlich etwas beengt ist, sei Teamfähigkeit ein weiterer wichtiger Aspekt. »Bewerber sollten aufgeweckt sein und Spaß am wissenschaftlichen Arbeiten haben.« Neben dem Sammeln von Berufserfahrung in einem akkreditierten Labor hilft das Praktikum vielen Pharmazeuten auch bei der Entscheidung, ob eine Promotion nach dem Studium infrage kommt. Kurzzeitpraktika (alles unter sechs Monaten) sind im Frankfurter Institut allerdings nicht möglich. Auch die Halbjahresstellen sind bis Ende 2012 aufgrund der großen Nachfrage bereits vergeben. /

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