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Frauengesundheit

Industrie beeinflusst Selbsthilfegruppen

09.11.2010  17:43 Uhr

Von Liva Haensel, Berlin / In Deutschland gibt es mehr als 1000 Selbsthilfeorganisa­tionen von und für Patienten. Darunter befinden sich viele, die sich mit frauenspezi­fischen Themen und Erkrankungen befassen. Pharmafirmen nutzen diese Foren, um ihre Medikamente gezielt an die Frau zu bringen. Eine Beziehung, die häufig problematisch ist.

Auf der Jahrestagung des »Arbeitskreis Frauengesundheit« (AKF) in Berlin ging es zur Sache. Der Verein hatte eingeladen unter dem Motto »Frauengesundheit: Kooperation zwischen Konkurrenz und Solidarität« und beleuchtete dieses Thema unter verschiedenen Aspekten. Kein Blatt vor den Mund nahmen die Teilnehmerinnen des Workshops »Frauen – Pharma – Selbsthilfe«. Die These von Referentin Uta Wagenmann lautete: Pharmafirmen nutzen die Situation kranker Frauen aus, um über Selbsthilfegruppen mit ihnen ins Geschäft zu kommen.

Die Soziologin, die derzeit für ihre Dissertation die Forschungspolitik von Patientenorganisatio­nen unter die Lupe nimmt, machte in einem Vortrag deutlich, wie der Ist-Zustand laut ihrer Untersuchungen aussieht. Demnach gebe es eine Reihe von Patientinnenorganisationen, die scheinbar kritiklos eine Zusammenarbeit mit Pharmafirmen eingingen, so Wagenmann.

 

Auf dem jährlichen Kongress »Diplompatientin« des Selbsthilfevereins »Mamazone. Frauen und Forschung gegen Brustkrebs e.V.«, habe sie fragwürdige Plakate an Ständen von Pharmafir­men entdeckt. Dort wurden offensichtlich Studien beworben. Oftmals seien die Nebenwirkungen der beworbenen Medikamente aber gar nicht ausrei­chend dokumentiert, was mit der beschleu­nig­ten Zulassung von Arzneimitteln Anfang der 1990er-Jahre zu tun habe.

 

»In Deutschland wird viel geforscht, aber es ist schwer zu durchschauen, wo und zu welchem Themengebiet genau«, sagte Wagenmann. In der Branche herrsche Intransparenz bei einem gleichzeitig stark »globalisierten und marketingorientierten Markt«. Letzteres sei besonders daran festzumachen, dass die Ausgaben im Marketing-Bereich von Unternehmen im Zeitraum 1995 bis 2005 um 59 Prozent gestiegen seien, während diejenigen für Mitarbeiter im forschenden Bereich um 2 Prozent zurückgingen. »Vor allem in den USA sind die Kosten im Marketingbereich immens gestiegen«, so Wagenmann.

 

Das Beispiel von »Mamazone e.V.« zeige, wie Patientenorganisationen zu Dienstleistern würden, nach dem Motto: »Wir sind eine Familie und fassen uns an den Händen.« Wagenmann bezeichnete dies als »fatal vor allem deshalb, weil die Kranken abhängig sind«.

 

Problematische Abhängigkeiten

 

Eine Teilnehmerin des Workshops, selbst Gynäkologin, erzählte aus ihrem Alltag, dass gerade auch auf dem Land so ein Betragen üblich sei: Ein Chefarzt oder Pharmavertreter gehe mit der Vorsitzenden der Selbsthilfegruppe essen, zum Geburtstag gebe es dann einen Blumenstrauß. »Die Pharmaindustrie benutzt unsere Sprache, sie macht es perfekt und glatt«, ergänzte eine andere Teilnehmerin die Diskussion. Es gelte nun, dass sich Patientenorganisationen die eigene Sprache zurückerobern und Aufklärung über die Absichten der Pharmaindustrie betreiben sollten.

 

Dass die Arzneimittelhersteller ihre Kanäle vielseitig nutzen, machte die zweite Referentin Gudrun Kemper deutlich. Zwar dürften Medikamentenhersteller bisher noch keine Seiten beim sozialen Netzwerk »Facebook« betreiben. Die Selbsthilfegruppen würden dort aber schon ihre Dienste anbieten und damit auch wieder indirekt die Medikamente ihrer Kooperationspartner bewerben.

 

Auch die Achse Pharmafirma – Arzt – Patient sei problematisch. Hier komme noch ein anderer Aspekt zum Tragen, meinte Wagenmann: »Von einem Engagement bei Studien hängen oftmals ganze Ärzte-Karrieren ab.« Der behandelnde Arzt sei demnach immer versucht, seiner Patientin ein bestimmtes Medikament verschreiben zu wollen, weil ihm dies bei seinem beruflichen Aufstieg nütze. Laut europäischer Zulassungsbehörde, bei der 23 Patientenorganisationen registriert sind, werden dort 15 »ganz« oder »teilweise« von Arzneimittelherstellern finanziert. »Es ist fast zynisch zu sehen, dass viele Selbsthilfeorganisationen in ihrem Statut offen schreiben, dass sie unabhängig sind«, meinte Wagenmann dazu. / 

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