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Wie Gold bei Rheuma wirkt

Datum 07.11.2006  16:07 Uhr

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Von Hannelore Gießen, München

 

Seit vielen Jahren werden Goldpräparate rein empirisch als Basismedikamente bei rheumatischer Arthritis eingesetzt. Doch worauf ihre Wirkung beruht, ist noch nicht lange bekannt.

 

Amerikanische Wissenschaftler fanden erst dieses Jahr heraus, wie Goldverbindungen bei Rheuma wirken. Dabei war die Arbeitsgruppe um Stephen de Wall von der Harvard Medical School in Boston gar nicht auf der Suche nach dem Wirkmechanismus von Goldpräparaten, sondern einem Ansatzpunkt für neue Antirheumatika auf der Spur. Im Visier hatten die Wissenschaftler Makrophagen mit ihren charakteristischen Oberflächenmolekülen, die bei der körpereigenen Immunreaktion eine entscheidende Rolle spielen: Um andere Abwehrzellen wie T-Lymphozyten zu aktivieren, müssen winzige Bruchstücke eingedrungener Viren oder Bakterien an der Oberfläche der Makrophagen präsentiert werden. Dazu werden sie an sogenannte MHC-II-Moleküle (Major Histocompatibility Complex) gekoppelt, wo sie wie ein Fähnchen den T-Zellen die Infektion signalisieren.

 

Innerhalb des MHC-II-Komplexes werden die antigen wirkenden Bruchstücke in einer Mulde festgehalten. Landen dort jedoch statt Bakterienteile körpereigene Peptide, wird eine Autoimmunreaktion in Gang gesetzt.

 

Die Antigen-Präsentation verhindern

 

Genau das wollten die Wissenschaftler unterbinden. Dazu überprüften sie gut 28.000 unterschiedliche chemische Verbindungen und Naturextrakte. Ihr Erfolg war allerdings bescheiden: Nur vier Metallkomplexe mit Gold, Platin oder Palladium verdrängten die körpereigenen Peptide aus ihrer Nische.

 

De Wall und seine Kollegen gingen dieser Beobachtung nach und stellten fest, dass sich die Edelmetallionen an die MHC-II-Moleküle binden, jedoch an einer anderen Stelle als die Peptide. Offenbar verändern sie die räumliche Struktur des MHC-II-Komplexes, denn die Metallionen-vermittelte Peptid-Abspaltung verläuft deutlich schneller als die intrinsische. Die Metallkomplexe wirken also nicht einfach aufgrund kompetitiver Hemmung, sondern auf der Basis eines allosterischen Mechanismus.

 

Die veränderten MHC-II-Moleküle können die Eiweißbruchstücke nicht mehr festhalten und somit werden auch keine T-Zellen alarmiert. Die Bindungsstelle der MHC-II-Moleküle, an die sich die Metallionen heften, war bisher nicht bekannt.

 

Gold (I) wirkt als Prodrug

 

Neue Wirkstoffe haben die Wissenschaftler bei ihrer Untersuchung also nicht gefunden, doch eine Erklärung, weshalb Goldpräparate, wie Auranofin oder Natriumaurothiomalat, bei Rheuma wirken. Allerdings zeigte sich, dass Gold-(I)-Komplexe bei In-vitro-Versuchen keine Peptide von MHC-II-Molekülen abspalten konnten; dies gelang nur Gold-(III)-Verbindungen. Vermutlich fungieren Gold-(I)-Verbindungen als Prodrugs, die im Körper zu aktiven Gold-(III)-Verbindungen oxidiert werden. Weitere Experimente zeigten, dass Phagozyten während eines Entzündungsprozesses Hypochlorit freisetzen, das den notwendigen Oxidationsprozess anstößt.

 

Goldtherapie mit Tradition

 

Gold wird seit langem in der Medizin eingesetzt. Robert Koch zeigte 1890, dass Kaliumdicyanoaurat Tuberkelbazillen vernichtete. In den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts behandelte der französische Arzt Jacques Forestier Rheumapatienten mit einer Goldverbindung. Seine Therapie basierte auf der weit verbreiteten, jedoch falschen Annahme, rheumatoide Arthritis sei eine atypische Form von Tuberkulose. In den folgenden Jahrzehnten wurden Aurumpräparate bei rheumatischen Erkrankungen, aber auch entzündlichen Autoimmunkrankheiten, wie Lupus erythematodes, breit eingesetzt. Sie begründeten die erste Generation von Basismedikamenten gegen Rheuma, später als Disease-modifying antirheumatic drugs (DMARD) bezeichnet.

 

Da Goldverbindungen jedoch erst nach einem halben Jahr wirken und häufig Haut und Blutbildung beeinträchtigen, werden heute moderne DMARDs wie Methotrexat oder Biologicals wie Etanercept und Infliximab vorgezogen. Doch in ihrer Wirksamkeit können Goldverbindungen mit den neueren Medikamenten durchaus mithalten.

 

So lag es nahe, die Goldtherapie bei rheumatoider Arthritis weiter zu entwickeln. Bisher scheiterte das jedoch daran, dass der Wirkmechanismus unklar war. Vielleicht lassen sich jetzt auf Basis dieser Untersuchung weniger toxische Substanzen entwickeln, die sich an die neue entdeckte Metallbindungsstelle anheften und so die weit verbreitete Autoimmunreaktion unterbinden.

 

 

Quelle: de Wall, S., et al., Noble metals strip peptides from class II MHC proteins. Nat Chem Biol. 2(4) (2006) 197-201.

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