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Windpocken

Verräterischer Sternenhimmel

06.11.2006  11:57 Uhr

Windpocken

<typohead type="3">Verräterischer Sternenhimmel

Von Sven Siebenand

 

Obwohl Windpocken durch Impfen prinzipiell vermeidbar sind, erkranken pro Jahr rund 750.000 Deutsche daran. Häufig sind Kinder im Alter zwischen zwei und neun Jahren betroffen. Ausschlag und quälender Juckreiz sind meist nach wenigen Tagen überstanden. In seltenen Fällen kommt es jedoch zu gefährlichen Komplikationen.

 

Nach einem uncharakteristischem Auftakt mit Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen sowie gegebenenfalls leichtem Fieber ist die Diagnose Windpocken schnell gestellt: Denn der einsetzende Ausschlag mit kleinen, runden oder ovalen, roten Flecken, die sich schnell in Bläschen verwandeln, ist typisch für die Virusinfektion. Normalerweise beginnt das Exanthem am Rumpf und breitet sich dann auf Gesicht und schließlich auf Arme und Beine aus. In einigen Fällen können auch die Mundschleimhaut und bei Mädchen die Scheide betroffen sein. Zu Beginn der Erkrankung treten ständig neue Schübe des Hautausschlags auf. So sind zeitgleich alle Stadien des Exanthems an verschiedenen Stellen des Körpers zu sehen. Der Anblick erinnert an einen Sternenhimmel. Das lästigste Attribut der Windpocken ist der starke Juckreiz am ganzen Körper. Doch nach etwa zehn Tagen klingt der Ausschlag wieder ab.

 

Auslöser der zu den typischen Kinderkrankheiten zählenden Infektion ist das hoch ansteckende Varizella-Zoster-Virus. Neun von zehn Menschen, die Windpocken noch nie durchgemacht haben, erkranken, nachdem sie mit den Viren in Kontakt gekommen sind. Dazu reichen bei Immunschwachen bereits zehn Minuten aus. Gesunde infizieren sich bei einer Kontaktzeit von einer Stunde so gut wie sicher.

 

Die Viren werden per Tröpfcheninfektion übertragen, zum Beispiel beim Atmen, Niesen oder Husten. Noch im Umkreis von mehreren Metern sind die zu den Herpesviren zählenden Erreger ansteckend. Zudem ist die Übertragung durch virushaltigen Bläscheninhalt oder Krusten als Schmierinfektion möglich. Eine Infektion über Kleidung, Spielzeug oder Bettwäsche ist dagegen nicht zu befürchten, da die Viren in der Luft nach etwa zehn Minuten nicht mehr infektiös sind. Die Inkubationszeit beträgt 8 bis 28 Tage. Meistens treten die ersten Symptome und der Ausschlag zwischen dem 14. und 16. Tag nach der Infektion auf. Ansteckungsgefahr besteht bereits ein bis zwei Tage vorher. Sie endet erst, wenn das letzte Bläschen verkrustet ist. Wer Windpocken einmal hinter sich gebracht hat, besitzt normalerweise lebenslange Immunität und erkrankt daher kein zweites Mal. Nur wenn die erste Infektion sehr früh oder sehr schwach verlief, kann man auch ein zweites Mal erkranken.

 

Die Viren bleiben jahrelang in Nervenganglien latent bestehen und verursachen bei ihrer Reaktivierung Gürtelrose (Herpes zoster). Auslöser dafür können Stress, seelische Belastung oder Störungen der Immunabwehr, zum Beispiel aufgrund von Aids oder Krebserkrankungen, sein.

 

Kratzen verboten

 

Die Behandlung von Windpocken erfolgt rein symptomatisch. Hauptsächlich geht es darum, den quälenden Juckreiz zu lindern. Dazu eignen sich Antihistamin-haltige Präparate wie Fenisitil® oder Tavegil®. Allerdings sollten Salben auf keinen Fall als Darreichungsform gewählt werden, da sich durch den Okklusionseffekt auf der erkrankten Haut ein guter Nährboden für bakterielle Sekundärinfektionen bilden kann. Auch kalte Umschläge wirken juckreizstillend. Zudem ist luftige Kleidung empfehlenswert, da Schweiß und Wärme den Juckreiz noch verstärken. Zum Austrocknen der Bläschen eignet sich vor allem eine Zinkoxidschüttelmixtur. Der neben Zinkoxid in Anaesthesulf® Lotio enthaltene Wirkstoff Polidocanol besitzt zudem eine lokalanästhetische Wirkung.

 

Bei geschwächtem Immunsystem kann eine virustatische Therapie indiziert sein, zum Beispiel mit Aciclovir. Der Wirkstoff verhindert die Vermehrung der Viren, inaktiviert die vorhandenen aber nicht.

 

Zu den häufigsten Komplikationen bei Windpocken zählt die bakterielle Sekundärinfektion der Hautläsionen. Diese kann zu Bindegewebsentzündungen oder Abszessen führen. Die Bakterien, häufig Streptococcus pyogenes oder Staphylococcus aureus, können sich zudem im Körper verbreiten und eine Blutvergiftung auslösen. So weit kommt es aber nur selten. Trotzdem sollte unbedingt vermieden werden, die Bläschen aufzukratzen. Sinnvoll ist auch der Ratschlag an die Eltern, die Fingernägel ihrer Kinder kurz zu schneiden. Bei Kleinkindern kann man das Aufkratzen auch durch das Tragen von Baumwollhandschuhen verhindern.

 

Weitere mögliche Komplikationen bei Windpocken sind Lungen- und Hirnhautentzündung. Die sogenannte Varizellen-Pneumonie tritt häufiger bei Erwachsenen (bis 20 Prozent) als bei Kindern auf. Sie beginnt einige Tage nach Krankheitsausbruch. Die gefürchteten ZNS-Manifestationen sind in etwa 0,1 Prozent der Fälle zu verzeichnen.

 

Risiko Schwangerschaft

 

Vor allem im ersten und zweiten Trimenon der Schwangerschaft kann eine Infektion mit den Herpesviren dem Ungeborenen schaden. Das sogenannte fetale Varizellensyndrom kann zu Hautveränderungen, neurologischen Erkrankungen und Fehlbildungen, Augenschäden sowie Skelettanomalien des Kindes führen. Schwangere, die nicht gegen Windpocken immun sind, sollten sich daher von erkrankten Personen fernhalten.

 

Neugeborene sind normalerweise durch die von der Mutter über die Plazenta übertragenen Antikörper vor Windpocken geschützt. Dieser sogenannte Nestschutz hält neuen Erkenntnissen zufolge aber nur etwa drei Monate an. Im Alter von drei bis sechs Monaten hatte in einer Baseler Studie nur noch etwa ein Drittel der Kinder (38 Prozent) Antikörper gegen das Virus.

 

Problematisch ist es, wenn die Windpocken bei der Mutter innerhalb von fünf Tagen vor und bis zu zwei Tagen nach der Geburt ausbrechen. Zu diesem Zeitpunkt hat die Mutter noch keine eigenen Antikörper gebildet, die Viren aber haben das Kind via Plazenta schon erreicht. Das Neugeborene ist wegen des noch unreifen Immunsystems und des fehlenden mütterlichen Nestschutzes den Viren schutzlos ausgeliefert. Die Letalitätsrate dieser neonatalen Windpocken liegt daher bei bis zu 30 Prozent.

 

Die beste Prophylaxemaßnahme gegen Windpocken ist die Impfung. Seit August 2004 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut die Varizellen-Schutzimpfung für alle Kinder und Jugendlichen. Die Impfung sollte vorzugsweise im Alter von 11 bis 14 Monaten durchgeführt werden, ist jedoch auch später möglich. Noch ungeimpfte 9- bis 17-Jährige, die noch keine Windpocken durchgemacht haben, sollten nach Angaben des Robert-Koch-Instituts geimpft werden, da im höheren Alter das Komplikationsrisiko im Krankheitsfall steigt.

Tipps fürs Beratungsgespräch

Erkrankte Kinder sollten zu Hause bleiben und das Bett hüten.

Patienten sollten den Kontakt zu Schwangeren oder Personen, die nicht immun sind gegen Windpocken, vermeiden.

Gegen starken Juckreiz helfen Antihistaminika. Cave: keine Salben verwenden!

Bläschen nicht aufkratzen, gegebenenfalls dem Kind die Fingernägel kurz schneiden oder Baumwollhandschuhe anziehen.

Luftige Kleidung ist empfehlenswert, da Schweiß und Wärme den Juckreiz zusätzlich verstärken.

Um Entzündungen zu verhindern, sollte das Kind erst dann baden, wenn die Bläschen verkrustet sind.

 

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