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Organspende

Debatte über Äußerungspflicht

02.11.2010  17:53 Uhr

Von Werner Kurzlechner, Berlin / So beträchtlich die Fortschritte in der Transplantationsmedizin sind, so gering ist die Bereitschaft der Deutschen zur Organspende. Im europäischen Vergleich liegt die Bundesrepublik im unteren Mittelfeld. Der Ethikrat setzt deshalb die Idee einer Äußerungspflicht erneut auf die Agenda.

Der Deutsche Ethikrat hat die Einführung einer Äußerungspflicht zur Organspende wieder zum Thema gemacht. Man wolle lediglich eine Debatte anstoßen, stellte der Ratsvorsitzende Professor Edzard Schmidt-Jortzig zu Beginn einer Diskussionsrunde vergangene Woche in Berlin klar. Im Vorfeld der Veranstaltung sei eine Fülle empörter Zuschriften beim Ethikrat eingegangen, berichtete Schmidt-Jortzig. Der Grund der Erregung: Es sei nicht legitim vonseiten des Gremiums, ohne Debatte Stellung für die Äußerungspflicht zu beziehen. Genau das habe der Ethikrat aber auch nicht getan, bemerkte der ehemalige Bundesjustizminister – man strebe nur eine offene Diskussion an.

 

Als Hintergrund muss man zum einen die Hinweise auf der Einladung zum »Forum Bioethik« kennen. Der Ethikrat stellt dort fest, dass jährlich 1000 Menschen in der Bundesrepublik sterben, denen ein Spenderorgan das Leben hätte retten können. Nur 17 Prozent der Bevölkerung verfügten über einen Spenderausweis, obwohl zwei Drittel laut repräsentativen Umfragen nach ihrem Tod zur Organspende bereit wären. Zum anderen sollte man wissen, dass der Nationale Ethikrat als Vorgängerinstitution vor drei Jahren für eine Äußerungspflicht plädierte – mit dieser Forderung aber keine politische Mehrheit erreichte.

 

Als Signal gegen die Annahme einer internen Vorfestlegung beteiligte sich an der Diskussion als einziges Ratsmitglied die Regensburger Philosophieprofessorin Weyma Lübbe, die ein engagiertes Plädoyer für das Selbstbestimmungsrecht jedes einzelnen Bürgers hielt. Lübbe betonte, nicht im Namen des Gremiums, sondern lediglich für sich zu sprechen.

 

Sodann zerpflückte sie die Argumentation des Nationalen Ethikrates von 2007. Dieser hatte beispielsweise festgestellt, dass niemand rechtlich oder moralisch zur Organspende genötigt werden dürfe – zugleich aber die Bereitschaft zur Organspende »ethisch als die objektiv vorzugswürdige Alternative« bezeichnet. Derlei rücke die Gründe für eine Ablehnung in ein fragwürdiges Licht, egal welchen Überzeugungen und Bedenken sie jeweils geschuldet seien, argumentierte Lübbe.

 

Die Bevölkerung sei seit Jahren Appellen zur Organspende ausgesetzt. Dies käme »einer massiven öffentlichen moralischen Nötigung gleich, sich zur postmortalen Organspende bereit zu erklären«. Dadurch werde das Selbstbestimmungsrecht untergraben. Vereinfacht gesagt: Wer fürchtet, bei einem Nein als schlechter Mensch betrachtet zu werden, kann sich schwerlich guten Gewissens frei für diese Antwortet entscheiden. Lübbe stieß noch in eine andere Flanke: Von einer »Pflicht« zur Äußerung könne ja nur geredet werden, wenn eine Nichtäußerung mit Sanktionen belegt würde – zu dieser Frage sei von den Befürwortern bislang wenig zu hören gewesen.

 

Heikel und brisant

 

Dass die aufgeworfene Frage so heikel wie brisant ist, dokumentierten die weiteren Diskussionsbeiträge. Professor Peter Neuhaus von der Berliner Charité, einer der angesehendsten Transplantationschirurgen der Republik, erläuterte die herausragenden medizinischen Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte in diesem Bereich und die immer besseren Möglichkeiten, Erkrankten Lebensjahre zu schenken. Er verwies darauf, dass 2008 in Spanien jeder dritte Tote zum Organspender geworden sei – gegenüber 14,6 Prozent in Deutschland.

 

Marita Donauer, die als Angehörige im Namen ihres gestorbenen Bruders für eine Organentnahme entschied, sprach über ihre inneren Konflikte dabei. Sie verwies darauf, wie entlastend für sie eine Entscheidung ihres Bruders zu Lebzeiten gewesen wäre. Jutta Riemer vom Verein Lebertransplantierte Deutschlands sagte, es sei aus Sicht der Empfänger psychologisch enorm wichtig zu wissen, dass die Organspende aus freien Stücken erfolgt sei.

 

Dass die Bundesregierung derzeit nicht an die Einführung einer Äußerungspflicht denkt, hatte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) zuletzt bereits durchblicken lassen. Seine Parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) stellte klar, es dürfe »keine Pflicht zur Spende und keine Pflicht zur Äußerung« geben.

 

Vielmehr müsse weiter darum geworben werden, dass mehr Bürger freiwillig einen Spenderausweis führen. Am Tag nach der Veranstaltung beschloss der Ethikrat, eine Arbeitsgruppe zum Thema einzurichten. Sie soll Empfehlungen bezüglich einer möglichen Äußerungspflicht erarbeiten. / 

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