Pharmazeutische Zeitung online
Männergesundheit

Das vernachlässigte Geschlecht

02.11.2010  10:38 Uhr

Von Gudrun Heyn, Berlin / Erstmals ist in Deutschland ein Bericht zur Männergesundheit erschienen. Seine Autoren kritisieren Defizite im Umgang mit Männerkrankheiten und im medizinischen Wissen.

In der deutschen Gesellschaft gelten Männer immer noch als das starke Geschlecht. Sie müssen metal stark, beruflich erfolgreich und möglichst ohne körperliche Schwächen sein. »Mit dieser Sichtweise treiben Männer jedoch einen deutlichen Raubbau an ihrer eigenen Gesundheit«, sagte Dr. Matthias Stiehler von der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit. Männer hielten eher wenig von Vorsorgeuntersuchungen, ernährten sich ungesund, rauchten, tränken zu viel Alkohol und gingen nicht selten an ihre körperlichen und psychischen Grenzen, so der Mitherausgeber des ersten deutschen Männergesundheitsberichts bei dessen Vorstellung in Berlin.

Doch die Selbstausbeutung ist wahrscheinlich nur einer der Gründe, weshalb Männer in Deutschland um Jahre früher versterben als Frauen. Auf 200 Seiten macht der neue Report Defizite im Umgang mit Männerkrankheiten und im medizinischen Wissen deutlich und zeigt Lücken in der medizinischen Versorgung auf. Seine Herausgeber, die Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit und die Stiftung Männergesundheit, nennen ihn einen Pilotbericht. So haben die 19 Autoren exemplarisch medizinisch-biologische Fakten analysiert und zugleich einen Blick auf soziokulturelle und psychosoziale Rahmenbedingungen der Männergesundheit gewagt.

 

Männer sterben früher

 

Der neue Männergesundheitsbericht zeigt, dass durchaus nicht alle Ursachen der gesundheitlichen Probleme von Männern bekannt sind. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Lebenserwartung. Rund fünfeinhalb Jahre liegt sie unterhalb der der Frauen. Doch nur ein Jahr davon ist biologisch zu erklären. »Die restlichen viereinhalb Jahre Unterschied in der Lebenserwartung müssen daher soziokulturelle Ursachen haben«, sagte Stiehler.

Belegt ist dies etwa durch die sogenannte Klosterstudie, die aktuelle und historische Daten von katholischen Ordensmitgliedern auswertet. Sie ergab nur eine geringe Differenz in der Lebenserwartung von Mönchen und Nonnen, aber einen deutlichen Unterschied in der Sterblichkeit zwischen Mönchen und Männern der Allgemeinbevölkerung.

 

»Häufig stellen Männer durch eine riskantere Lebensweise ihre Männlichkeit unter Beweis«, erklärte Stiehler. Zugleich stünden vielfach Verantwortung und Pflichtbewusstsein vor dem eigenen Wohlergehen. Dies habe Folgen. Eine davon sei eine deutlich höhere Mortalität im Alter zwischen 40 und 50 Jahren aufgrund eines Myokardinfarktes. Allein im Jahr 2009 verstarben daran fünfmal so viele Männer wie Frauen. Die Verantwortung für eine ungesündere Lebensweise trügen die Männer jedoch nicht alleine. So müsse sich möglicherweise auch die gesellschaftliche Sicht und der gesellschaftliche Druck auf das männliche Geschlecht ändern. Für valide Aussagen zu diesem Thema sei es allerdings noch zu früh und eine weitergehende Forschung dringend notwendig, sagte Stiehler.

 

Tabuerkrankungen erkennen

 

Doch nicht nur in der Ursachenforschung, auch im medizinischen Wissen und in der medizinischen Versorgung gibt es Fehlstellen. In ihrem Bericht sprechen die Autoren daher auch von einem »vernachlässigten Geschlecht«. »Vor allem psychische Erkrankungen gehören zu den Stiefkindern in der Männermedizin«, sagte Dr. Anne Maria Möller-Leimkühler vom Klinikum der Universität München und eine der Autorinnen des Berichts. Entgegen der allgemeinen Meinung sind psychische Störungen bei Männern genauso häufig wie bei Frauen. Sie weisen jedoch andere Erkrankungsbilder auf – typisch sind Alkohol- und Drogenabhängigkeit, antisoziale Persönlichkeitsstörung, Depression und Gewalt, häufig in Kombination. Überdies gestehen sich Männer eine psychische »Tabuerkrankung« selten selbst ein, sind daher deutlich unterdiagnostiziert und unterbehandelt, was gravierende Folgen haben kann: Daten aus 2009 belegen, dass dreimal so viele Männer im Alter zwischen 40 und 50 Jahren im Vergleich zu Frauen Selbstmord begehen.

 

Die Autoren des Berichtes fordern daher, die Männergesundheit verstärkt in den Fokus von Öffentlichkeit und Forschung zu rücken. Ihr Aufruf bleibt nicht ungehört. »Der vorliegende Bericht ist dringend notwendig«, sagte die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, bei der Vorstellung in Berlin. So sollen einige der Denkanstöße aufgegriffen werden und in den staatlichen, medizinisch umfassenden Bericht des Robert-Koch-Instituts zur Männergesundheit einfließen, der im Herbst 2011 veröffentlicht werden soll. Offenbar gilt Männergesundheit in der Forschung derzeit als ein wichtiges Thema: Auch auf europäischer Ebene ist ein EU-Bericht in Arbeit, der die gesundheitliche Situation der Männer in allen 27 EU-Mitgliedsstaaten beleuchtet. /

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa