Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign
Genom-Kartierung

Auf Fehlersuche im Erbgut

Datum 29.10.2007  11:40 Uhr

Genom-Kartierung

<typohead type="3">Auf Fehlersuche im Erbgut

Von Christina Hohmann

 

Ein internationales Forscher-Konsortium hat es sich zur Aufgabe gemacht, die genetischen Unterschiede zwischen Menschen zu entdecken und zu kartografieren. Die so entstehende Karte vereinfacht die Suche nach Krankheitsgenen und gibt Einblicke in die Evolution des Menschen.

 

Mit viel Getöse stellte 2003 das Humangenomprojekt eine erste Fassung des menschlichen Genoms der Öffentlichkeit vor. In jahrzehntelanger Arbeit hatten Forscher die Sequenz des gesamten Erbguts entschlüsselt. Ergebnis war eine lange Kette von mehr als drei Milliarden Basenpaaren. Viele Informationen konnten Forscher aus dieser langen Buchstabenfolge aber nicht herauslesen. Daher starteten sie weitere Projekte, wie das HapMap-Projekt (von Haplotype-Mapping), die helfen sollten, die enthaltenen Informationen besser zu verstehen.

 

Dabei ist es nicht nötig, die gesamte Sequenz des Genoms zu untersuchen. Denn über weite Strecken ist das Erbgut von verschiedenen Individuen vollkommen identisch. Nur durchschnittlich alle 1200 Basenpaare unterscheidet sich die Abfolge, meist sogar nur in einer einzigen Base. Bei manchen Personen tritt dann beispielsweise statt einem A ein G oder ein C auf. Diese kleinen Variationen, die Single Nucleotid Polymophisms (SNPs, gesprochen »Snips«), sind für die interindividuellen Unterschiede verantwortlich. Einige tragen zur Entstehung von Krankheiten bei, andere legen individuelle Merkmale oder Empfindlichkeiten fest.

 

Etwa zehn Millionen solcher SNPs sind schätzungsweise im Genom vorhanden. Das HapMap-Projekt, ein Zusammenschluss amerikanischer, britischer, chinesischer, japanischer und nigerianischer Wissenschaftler, hat sich 2002 daran gemacht, diese Unterschiede zu identifizieren und in eine Art Genomkarte einzutragen. Zu Beginn des Projekts waren bereits 2,8 Millionen SNPs bekannt. Weitere 2,8 Millionen haben die Forscher bis September 2003 ausgemacht. Doch in einigen Chromosomenregionen traten viele SNPs auf, während in anderen Bereichen kaum Variationen bekannt waren. Zudem waren einige Variationen so selten, dass sie keine Relevanz haben. Einige SNPs wurden daher nicht in die Karte aufgenommen, denn Ziel des HapMap-Projekts ist es, eine Karte von häufigen Variationen zu erstellen, die gleichmäßig über das Genom verteilt sind (ein SNP auf 5000 Basenpaare). Die erste Version der Karte enthielt nur knapp eine Million SNPs. Nun stellt das Projekt im Fachmagazin »Nature« (Doi: 10.1038/nature06258) bereits die zweite, deutlich genauere Version vor: Sie umfasst etwa 3,1 Millionen Variationen.

 

Hilfreich ist die HapMap-Karte vor allem, um Risikogene für komplexe Erkrankungen wie Diabetes Typ 2, koronare Herzerkrankungen oder Alzheimer zu identifizieren. Hierfür vergleichen Genetiker in sogenannten genomweiten Assoziationsstudien die SNPs von Kranken mit denen von Gesunden. Variationen, die bei Patienten deutlich häufiger auftreten, sind mit der Erkrankung »assoziiert«, weisen also auf ein an der Pathogenese beteiligtes Gen hin.

 

Stabile Muster erkennen

 

Dabei ist es auch mit modernen Methoden extrem aufwendig und teuer, alle zehn Millionen SNPs des Genoms zu untersuchen. Dies ist aber auch nicht nötig. Denn den Forschern kommt zugute, dass räumlich nah benachbarte SNPs zusammen, quasi als Block vererbt werden. Die Variationen einer Region sind somit verbunden und bilden stabile Muster, sogenannte Haplotypen. Für viele Regionen der DNA existieren nur wenige solcher Haplotypen. So haben zum Beispiel in einer bestimmten Population etwa 55 Prozent der Menschen Haplotyp A, 30 Prozent Haplotyp B und 10 Prozent Haplotyp C, während der Rest ein deutlich selteneres Muster aufweist.

 

Für jeden Haplotyp gibt es charakteristische SNPs, sogenannte Marker-SNPs, die allein ausreichen, um den Haplotyp mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erkennen. Zwischen 300.000 bis 600.000 dieser Marker mit den dazugehörigen Haplotypen will das HapMap-Konsortium identifizieren, die das gesamte Genom abdecken sollen. Dies wird die Suche nach Krankheitsgenen deutlich erleichtern. Wenn bestimmte Marker bei Patienten häufiger auftreten als bei Gesunden, sind sie mit dieser Erkrankung assoziiert. Das bedeutet aber nicht, dass der Marker-SNP an der Pathogenese beteiligt ist, sondern dass sich das Krankheitsgen in der Nähe befindet.

 

Obwohl die Karte noch nicht vollständig ist, funktioniert das Prinzip bereits sehr gut: Eine ganze Reihe von Risikogenen konnten Forscher in den Assoziationsstudien in den vergangenen Monaten und Jahren entdecken. Darunter waren zum Beispiel Gene, die das Risiko für Asthma, Darmkrebs, Gallensteine, Morbus Crohn oder Herzinfarkt beeinflussen. »Dank der Pionierarbeit des Konsortiums, die genetischen Variationen des Menschen zu kartografieren, sehen wir bereits eine Flut von Ergebnissen, die neues Licht auf die komplexe Genetik von Volkskrankheiten werfen«, sagte Francis Collins, Direktor des National Human Genome Research Institute in Bethesda, das Teil des HapMap-Projektes ist.

 

Das Konsortium schätzt, dass in der jetzt veröffentlichten Version der HapMap-Karte etwa 25 bis 35 Prozent der häufigen Variationen der untersuchten Populationen enthalten sind. Bislang stammen die Informationen von insgesamt 270 Personen, davon 90 Mitglieder des Yoruba-Stamms in Ibadan, Nigeria, 90 Bewohner aus Utah mit nord- und westeuropäischen Vorfahren, 45 Japaner aus Tokio und 45 Han-Chinesen aus Peking. Um die Karte noch weiter auszubauen, plant das Konsortium, die Zahl der Studienteilnehmer zu erhöhen. Es sollen Maasai aus Kinyawa, Kenia, Luhya aus Webuye, Kenia, Italiener aus der Toskana, Gujarati-Indianer aus Houston, Amerikaner chinesischer Herkunft aus Denver, Amerikaner mexikanischer Herkunft aus Los Angeles sowie Afroamerikaner aus dem Südwesten der USA hinzukommen.

 

Zeichen der Evolution

 

Die Informationen der HapMap-Karte liefern außerdem auch Einblicke in die Genetik und Evolution des Menschen. Ein Ergebnis ist, dass die Rekombination, der zufällige Austausch von DNA-Fragmenten zur Durchmischung des genetischen Materials, in manchen Bereichen des Genoms deutlich häufiger stattfindet als in anderen Regionen. In der »Nature«-Veröffentlichung berichten die Forscher, dass sich die Rekombinationsrate zwischen verschiedenen Genklassen um das Sechsfache unterscheidet. Die höchste Rate weisen Gene auf, die für das Immunsystem eine Rolle spielen. Am wenigsten durchmischt werden dagegen Gene, die für Chaperone codieren. Diese Proteine sind für das korrekte Falten von Aminosäureketten zu dreidimensionalen Proteinen verantwortlich. Weshalb sich die Rekombinationsraten so stark unterscheiden, ist bislang noch nicht geklärt.

 

Die HapMap-Karte kann auch dazu verwendet werden, zentrale Veränderung im menschlichen Genom aus der jüngeren Vergangenheit des Menschen zu identifizieren. So entdeckten US-amerikanische Forscher mithilfe der Daten etwa 100 Genregionen, die sich erst seit kürzerer Zeit durch natürliche Selektion in Populationen verbreiten konnten. Zwei Unterschiede, die vor allem in asiatischen Populationen gehäuft auftreten, betreffen das EDAR- und EDA2R-Gen, die an der Bildung von Haar- und Schweißdrüsen beteiligt sind. Dagegen sind Veränderungen von Genen, die vor Lassa-Virus-Infektionen schützen, hauptsächlich in Afrika verbreitet. Zusammengenommen können Informationen wie diese dazu beitragen, die Wirkung von Umwelteinflüssen auf das menschliche Genom besser zu verstehen.

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa