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Brustkrebs

»Für mich wär das nix«

Datum 22.10.2014  07:36 Uhr

Von Ulrike Abel-Wanek / Jährlich erkranken mehr als 75 000 Frauen in Deutschland neu an Brustkrebs*. Damit ist das Mamma­karzinom der häufigste bösartige Tumor bei Frauen. Die Journa­listin Sonja Funke war 37 Jahre, als sie die Diagnose bekam. Jetzt erschien ihr Buch über die Zeit ihrer Krankheit, über Chemo- und Strahlentherapie, fehlendes Feingefühl und Fettnäpfchen.

PZ: Frau Funke, Sie haben ein sehr persönliches und gleichzeitig sehr humorvolles Buch über die Zeit Ihrer Krankheit geschrieben. Wie kam es dazu?

 

Funke: Es ging zunächst nicht darum, meine Krankheitsgeschichte aufzuschreiben. Ich habe während der Zeit der Therapie immer wieder verschiedene Dinge notiert. Wenn man Erlebnisse aufschreibt und benennt, verlieren sie etwas von ihrem Schrecken. Auch scheinbar unfassbare Dinge passen auf einmal auf ein DIN-A4-Blatt. Angefangen hat es mit einem kleinen Text über einen chinesischen, sogenannten Wunder- und Seelenheiler, dessen Veranstaltung ich besuchte.

 

Was ich dort erlebt und beobachtet habe, war so absurd und skurril, dass ich dachte: Ich muss das unbedingt aufschreiben, das glaubt mir sonst keiner. Den fertigen Text fand ein Freund dann sehr lustig. Er motivierte mich, noch andere Situationen aufzuschreiben. Zum Beispiel das Erlebnis mit dem Rap-Song im Park, als ein Jugendlicher im Vorbeigehen sang: »Du hast kein Haar auf dem Kopf. Du siehst so scheiße aus.« Darüber und über verschiedene andere Erfahrungen während der Krebstherapie entstand dann eine Reihe von Texten, die die Runde im Freundes- und Bekanntenkreis machten. Irgendwann klingelte das Telefon und jemand sagte: Guten Tag, ich bin Literaturagentin, und ich würde gerne Ihr Buch verkaufen. Ich hielt das erst für einen Scherz, ein Buch existierte ja auch noch nicht, nur ein paar Seiten mit einzelnen Geschichten.

 

PZ: Erlebnisse wie die mit dem Rap-Song im Park ziehen sich wie ein roter Faden durch Ihr Buch. Ihnen sind immer wieder Menschen begegnet, die nicht wussten, wie sie sich Ihnen gegenüber verhalten sollten.

 

Funke: Niemand wollte mir Böses. Aber es haut einen eben doch um, wenn ein Kollege sagt: »Also, was du da so machst – für mich wär das nix«. So, als hätte ich Tauchen mit Haien gebucht. Unbedachte Äußerungen kamen nicht nur von dem Jugendlichen im Park, einem Taxifahrer und einer Perückenverkäuferin, sondern auch von Ärzten, einer Apothekerin und sogar einer Pastorin. Kommentare wie ich sie gehört habe, hören viele Patienten, da bin ich nicht die einzige. Weil es aber zu viel Kraft kostete, mich jedes Mal darüber aufzuregen, habe ich den Spieß schließlich umgedreht, angefangen die Sprüche zu sammeln und eine »Hitliste der dümmsten Sprüche« angelegt. Die Liste, die am Ende des Buches steht, war ein hilfreicher Trick, um etwas Distanz für ein Lachen zu schaffen, wenn einem eigentlich zum Heulen zumute ist. Neben den ganzen Fettnäpfchen gab es jedoch auch sehr viel Unterstützung aus meinem Umfeld. Wenn die Lektüre nur einem Menschen in ähnlicher Situation hilft, besser klar zu kommen, dann wäre das schon großartig.

 

PZ: Die Krankheit kam für Sie völlig überraschend. Sie schildern Ihre Gefühle und Erlebnisse bis zur Diagnose und während der Therapie detailliert, ja fast schonungslos. Schürt so viel Offenheit bei den Leserinnen und Lesern die Angst oder macht sie eher Mut?

 

Funke: Eine Leserin sagte mir, dass sie jetzt nicht mehr so viel Angst hätte, da die Krankheit durch die Lektüre des Buches für sie greifbarer geworden sei. Krebs ist ja ein Tabuthema – vor allem aus persönlicher Angst, irgendwann auch betroffen zu sein. Krebs haben immer nur die anderen – bis es einen selbst erwischt. Nach der Diagnose habe ich viel gelesen – Bücher, Zeitschriften, Artikel. Mir hätte ein Buch gut gefallen, in dem steht, wie es wirklich ist. Stattdessen las ich über Leute, die während ihrer Chemo für eine Extremsportart trainierten oder ihren Job an den Nagel hängten. Mir war meistens schlecht, und ich wollte einfach nur gesund werden. Ich wollte keine Abenteuer erleben oder um die Welt fliegen nach dem Motto: »Tu, was du immer schon tun wolltest, und lass dein altes Leben hinter dir«. Als hätte ich einen Sechser im Lotto statt einer tödlichen Krankheit. Der Großteil der betroffenen Frauen liegt da, und sie sind krank. Sie müssen ihr Leben finanzieren, und haben womöglich noch Kinder zu versorgen. Ich wollte kein weiteres »Krise-als-Chance«-Buch ­schreiben. Die haben mich eher unter Druck gesetzt.

 

PZ: Sie hatten einen hormonabhängigen Tumor und mussten das komplette Behandlungsprogramm – Operation, Chemo und Strahlentherapie – durchlaufen. Die teils heftigen Folgen der Therapie haben Sie aber auch überrascht. Wie stand es um die ärztliche Aufklärung?

 

Funke: Die habe ich umfassend bekommen, und sie war sehr gut. Allerdings sagt einem vorher niemand ganz konkret, was für Nebenwirkungen so eine Chemo haben kann. Ich hörte immer nur: »Die Schleimhäute gehen kaputt«. Was das genau bedeutet, schildere ich in dem Kapitel »Po und Co.«. Ich hatte zum Beispiel immer wieder Halsschmerzen wie bei einer Erkältung. Mein Hausarzt gab mir Antibiotika gegen einen Infekt. Erst nach der vierten Chemo kapierte ich, dass ich gar keine Halsschmerzen hatte, weil eine Erkältung drohte, sondern weil ein trockener Hals und defekte, entzündete Schleimhäute genauso weh tun wie bei einer Erkältung. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mir die Antibiotika sparen können und lieber Halsbonbons gelutscht. Dass man wegen der Schluckbeschwerden an manchen Tagen lieber Brei oder Kartoffelpüree statt fester Nahrung isst oder während einer Chemo auch mal richtig Heiß­hunger auf etwas Bestimmtes zu essen bekommen kann, all das sagt einem vorher keiner.

 

Ich bin ein völliger medizinischer Laie. Mit ihrem umfassenden Hintergrundwissen können Ärzte sich vielleicht gar nicht vorstellen, wie wenig man von dem begreift, was sie erklären. Man steht in einer solchen Situation ja auch unter Schock. Häufig habe ich zwar gehört, was sie mir in den Gesprächen sagten, hatte es aber oft draußen vor der Tür schon wieder komplett vergessen. Meine Schwester hat mich zu den Arztterminen begleitet und mir anschließend noch einmal alles erklärt. Da sie Pharmazeutin ist, war das besonders hilfreich. Es ist aber in jedem Fall gut, wenn bei Arztgesprächen noch jemand dabei ist.

 

PZ: Trotz der heute guten Heilungschancen: Die Diagnose Brustkrebs macht Angst. Sie setzen Humor und Selbstironie dagegen. Was raten Sie betroffenen Frauen?

 

Funke: Ich tue mich schwer, anderen einen Rat zu geben. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, mit der Krankheit umzugehen. In dem Buch erzähle ich ausschließlich meine ganz persönliche Geschichte. Auf jeden Fall sollte man aber eine lästige Patientin sein und so lange nachfragen, bis man alles verstanden hat. Manche Frauen haben auch Schuldgefühle und denken, sie hätten etwas falsch gemacht und womöglich deshalb Krebs bekommen. Aber Krebs ist ungerecht und die Suche nach einem Grund einfach sinnlos. /

 

*) RKI 2014

Brustkrebsmonat Oktober

Seit 1984 ist im Oktober Brustkrebsmonat. Obwohl zahlreiche Organisationen und Initiativen rund um die Welt in dieser Zeit Aktionsläufe, Vorträge und Diskussionsrunden veranstalten, um Frauen für das Thema Brustkrebs zu sensibilisieren und auf Früherkennungsuntersuchungen hinzuweisen, erfährt der Brustkrebsmonat in der breiten Öffentlichkeit keine sehr große Aufmerksamkeit.

 

Brustkrebs ist mit schätzungsweise 75 200 Neuerkrankungen im Jahr die mit Abstand häufigste Krebserkrankung der Frau. Etwa eine von acht Frauen erkrankt im Laufe ihres Lebens, jede vierte betroffene Frau ist bei der Diagnosestellung jünger als 55 Jahre, jede zehnte unter 45 Jahre alt. Prävention und Früherkennung sind die wichtigsten Maßnahmen im Kampf gegen Brustkrebs. Früh erkannt, ist die Krankheit mit großer Wahrscheinlichkeit heilbar. Frauen ab dem 30. Lebensjahr steht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung einmal jährlich eine kostenlose Untersuchung der Brust beim Frauenarzt zu. Die Krankenkassen bieten zudem Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre ein Mammografie-Screening an. Bei Frauen mit einer erblichen Belastung für Brustkrebs kann über das Mammografie-Screening hinaus ein spezielles Früherkennungsprogramm sinnvoll sein. Dies wird an zwölf spezialisierten universitären Zentren schon ab einem Alter von 25 Jahren angeboten. Anlässlich des Brustkrebsmonats Oktober empfiehlt die Deutsche Krebshilfe, sich über Früherkennung zu informieren und daran regelmäßig teilzunehmen. www.krebshilfe.de

Buchtipp

Sonja Funke: Fische gegen Krebs. Die Krankheit, mein Leben und ich

256 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag,

Herder-Verlag, 1. Auflage 2014

ISBN 978-3-451-31235-9

EUR 19,99

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