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Typ-1-Diabetes

Alternativen zu Insulin

Datum 25.10.2011  14:15 Uhr

Von Daniela Biermann / Seit fast 90 Jahren werden Typ-1-Diabetiker ausschließlich mit Insulin behandelt. An der Entwicklung von Alternativen wird derzeit fieberhaft geforscht.

Um es vorwegzunehmen: In den nächsten zehn Jahren wird Insulin aller Voraussicht nach Mittel der Wahl für Typ-1-Diabetiker bleiben, vermutlich auch weiterhin gespritzt. Die neuen Ansätze greifen nicht nur in die Stoffwechsellage, sondern tief in das Immunsystem ein. Damit rückt eine Heilung näher, doch die Gefahr schwerer Nebenwirkungen steigt. Spannend sind die Wirkprinzipien in jedem Fall, die Wissenschaftsjournalist Michael Eisenstein vor Kurzem in »Nature Biotechnology« vorgestellt hat.

 

Am weitesten fortgeschritten in der Entwicklung ist das Peptid DiaPep277® der israelischen Firma Andromeda Biotech. Es besteht aus 24 Aminosäuren und ist ein Fragment des Hitzeschockproteins 60. DiaPep277 induziert eine schützende Antwort von regulierenden T-Zellen bei Diabetespatienten, vermutlich über den Toll-like-Rezeptor-2 und andere Rezeptoren. Dadurch soll sich die Funktion der Insulin-produzierenden β-Zellen in der Bauchspeicheldrüse stabilisieren. Damit wäre DiaPep277 das erste Arzneimittel, das die Progression der Autoimmunerkrankung aufhält. Momentan durchläuft es die Phase III der klinischen Entwicklung. Daran nehmen rund 450 Typ-1-Diabetiker teil, bei denen die Krankheit innerhalb der letzten sechs Monate diagnostiziert wurde.

 

Auch der monoklonale Antikörper Teplizumab von Macrogenics greift in das Immunsystem ein. Über den CD3-Rezeptor blockiert er T-Zellen, welche die Langerhans-Inseln im Pankreas zerstören. Darüber hinaus fördern sie die regulierenden T-Zellen, die die Autoimmunreaktion dämpfen. Frühe Studiendaten waren vielversprechend, doch zuletzt enttäuschte Teplizumab bei den primären Endpunkten. Dies könnte an einer zu niedrigen Dosis gelegen haben, um schwere Nebenwirkungen zu vermeiden. Zudem sei das Studiendesign sehr ehrgeizig gewesen, schreibt Eisenstein. Ähnlich erging es Otelixizumab von GlaxoSmithKline, ebenfalls ein Antikörper, der über den CD3-Rezeptor wirkt. Auch Otelixizumab wird momentan in einer Phase-III-Phase an neu diagnostizierten Patienten getestet.

Einfacher könnte es Canakinumab (Ilaris®) von Novartis haben. Der Anti-Interleukin-1β-Antikörper ist bereits als Orphan Drug zugelassen. Er mildert die Symptome bei Cryopyrin-assoziierten periodischen Syndromen (CAPS). Ob er die β-Zellfunktion schützen kann, muss der Arzneistoff jetzt in einer Phase-II-Studie beweisen. Auf das gleiche Target zielt der Antikörper XOMA 052 von der gleichnamigen Firma, der ebenfalls in Phase-II-Studien erprobt wird, allerdings gegen Typ-1- und Typ-2-Diabetes.

 

Unspezifischer – und damit aggressiver – wirkt Thymoglobulin von Genzyme. Dieser Mix polyklonaler Antikörper unterdrückt das Immunsystem. Er ist bereits zur Verhinderung von Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen zugelassen. Gerade bei diesem Ansatz stellt sich die Frage, ob die zu erwartenden Nebenwirkungen aus Thymoglobulin eine Alternative zu Insulin darstellen.

 

Thymoglobulin spielt auch bei einem anderen Ansatz eine Rolle. In Kombination mit dem Zytostatikum Cyclophosphamid soll das Immunsystem reprogrammiert werden. In einer Pilotstudie zerstörten Wissenschaftler zunächst das Immunsystem von 23 Probanden, ähnlich wie bei Leukämiepatienten, die auf eine Knochenmarkspende vorbereitet werden. Anschließend erhielten die Patienten Zellinfusionen, die zuvor aus ihrem eigenen Knochenmark hergestellt wurden. Eine risikoreiche Therapie – aber erfolgreich: Ein Drittel der Probanden war auch vier Jahre später nicht mehr auf die externe Zufuhr von Insulin angewiesen. Auch hier stellt sich jedoch die Frage, ob die Infektions- und Todesgefahr den Einsatz dieser Therapie rechtfertigt, wenn die Patienten auch mit Insulin behandelt werden können. Gerade wenn man bedenkt, dass zwei von drei behandelten Probanden weiterhin abhängig von Insulin-Spritzen waren. Etwas milder ist der Ansatz, Patienten regulierende T-Zellen zu infundieren, ohne zuvor ihr Immunsystem komplett auszuknocken. Verwendet werden hier die eigenen aufgereinigten und in vitro vermehrten T-Zellen – eine Art Update, allerdings auch noch in frühen Testphasen.

 

Genauso wichtig, wie die Zerstörung des Inselzell-Gewebes aufzuhalten, ist dessen Ersatz. Eine Möglichkeit ist hier die Organspende, jedoch mangelt es weltweit an Spendern. Eine andere Variante ist, Insulin-produzierendes Gewebe aus embryonalen Stammzellen zu züchten – mit einigen technischen Schwierigkeiten und ethischen Bedenken. Andere Forscher glauben, dass die Bauchspeicheldrüse mit der richtigen Stimulation dazu angeregt werden kann, selbst wieder β-Zellen zu produzieren. Im Mausmodell gelang das zum einen mit den körpereigenen Hormonen Gastrin und Glucagon-like-Peptid-1. Zum anderen funktionierte dies aber auch über einen Umweg, nämlich die orale Gabe der bereits zugelassenen Arzneistoffe Sitagliptin und Lansoprazol, die die oben genannten Hormone beeinflussen.

 

Ein Grund, wieso es noch keine Arzneistoffe gegen Typ-1-Diabetes gibt, könnte das Studiendesign sein. So sind mittlerweile einige Substanzen bekannt, die das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten. Als Monotherapie wirkten sie aber entweder zu schwach oder ihr Effekt schwächte sich mit der Zeit ab. Zusammen gegeben könnten sie synergistisch wirken. Allerdings sehen die Zulassungsbehörden Studien mit mehreren unbekannten Komponenten als problematisch an. Generell ist das Studiendesign bei Typ-1-Diabetes schwierig: Ab welchem Zeitpunkt gilt man als Typ-1-Diabetiker? Wann ist der Einsatz β-Zell-schützender Substanzen noch sinnvoll, wann zu spät? Anhand welcher Parameter misst man den Erfolg solcher Interventionen? Wie lässt sich der langfristige Nutzen einer Therapie nachweisen? Ungelöste Fragen, die Investoren und Pharmaindustrie abschrecken, zumal das Geschäft mit Insulin und seinen Analoga gut läuft und die Chance auf Erfolge für Typ-2-Diabetes ungleich größer ist bei ungleich größerem Marktvolumen. »Nature Biotechnology«-Autor Eisenstein schreibt, vielleicht reiche ein einziger klinischer Erfolg, um den Stein ins Rollen zu bringen. Mit ein bisschen Glück ist es bald so weit. / 

 

Quellen:

 

More than insulin; Michael Eisenstein; Nature Biotechnology 29, 782–785 (2011); doi:10.1038/nbt.1967

sowie diverse Pressemitteilungen der genannten Firmen

 

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