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Eugenik-Ausstellung

Tod im Namen der Medizin

Datum 23.10.2006  11:10 Uhr

Eugenik-Ausstellung

<typohead type="3">Tod im Namen der Medizin

Von Ulrike Abel-Wanek, Dresden

 

Sie waren behindert, depressiv oder hatten Epilepsie: Hunderttausende Menschen entsprachen im Dritten Reich nicht dem Anspruch »biologischer Überlegenheit der arischen Herrenrasse« und wurden zwangssterilisiert und ermordet. Das Hygiene-Museum widmet dem lange tabuisierten Thema eine eindrucksvolle Ausstellung.

 

Schon nach dem Ersten Weltkrieg wuchs in Deutschland die Zustimmung für die sogenannte Eugenik oder Rassenhygiene. Dabei ging es zunächst um die Lösung sozialer Probleme. Kinderreiche Familien sollten gefördert werden, Aufklärungskampagnen vor vermeintlich vererbbaren Leiden wie Geschlechtskrankheiten, Tuberkulose und Alkoholismus schützen. Wissenschaftler sahen einen Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und auftretenden Geburtsfehlern und Kindersterblichkeit. Die Eugenik war zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend frei von antisemitischen und rassistischen Argumenten. Regierung, Mediziner und Wissenschaftler beobachteten jedoch argwöhnisch, wie durch eine fortschrittliche Medizin und staatliche Wohlfahrtsprogramme die Kranken und Schwachen geschützt wurden und eine »natürliche Auslese«, wie sie Charles Darwin in der Natur beobachtet hatte, ihrer Meinung nach nicht mehr stattfand.

 

Vorläufer des Holocaust

 

Vor dem Hintergrund der Weimarer Republik und der sich ausbreitenden wirtschaftlichen und politischen Probleme in Deutschland setzte sich eine negativ ausgerichtete Eugenik durch. Sie mündete schließlich in der Vernichtung angeblich lebensunwerten Lebens durch Zwangssterilisation und Massenmord an behinderten Menschen. Die Ausstellung »Tödliche Medizin: Rassenwahn im Nationalsozialismus« stellt die Ausrottung der europäischen Juden in den Zusammenhang mit den Euthanasie-Verbrechen der Nazis. Deutlich wird, dass die Erfahrungen mit den vorausgegangenen »Euthanasie-Programmen« die Grundlagen für die späteren Morde in den Gaskammern schufen. Die psychischen Belastungen von aus nächster Nähe durchgeführten Massenerschießungen ab 1941 ließ die NS-Führung auf die bereits bekannten »saubereren« und »effizienteren« Tötungsmethoden mit Gas zurückgreifen.

 

Die erste Abteilung der dreigliedrigen Präsentation zeigt unter dem Titel »Wissenschaft als Erlösung«, wie die Zustimmung bei Ärzten, Anthropologen und Regierungsvertretern für rassenhygienische Ideen zugunsten einer »erbgesunden, arischen Rasse« stieg. Die Ideen fanden mit der Machtübernahme Hitlers im Januar 1933 eine immense Verstärkung und wurden Gegenstand der Politik. Beklemmend sind die Film-, Text- und Bilddokumente im zweiten Teil der Schau: »Der biologische Staat«, die Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen zeigen, die registriert und ausgesondert wurden, darunter auch viele Kinder.

 

Schätzungsweise 400.000 Deutsche wurden zwischen 1933 und 1945 zwangssterilisiert. Legitimiert wurden die Maßnahmen mit dem »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses«: Bei »angeborenem Schwachsinn, Schizophrenie, manischer Depression, erblicher Epilepsie, Huntington-Krankheit, genetisch bedingter Blind- und Taubheit, schwerer angeborener körperlicher Missbildung und chronischem Alkoholismus« wurden die Sterilisationen vorgenommen - häufig ohne die Kenntnis der Opfer.

 

Gleichzeitig kämpften die Nationalsozialisten um die Steigerung der Geburtenraten und warnten vor dem nahen »Volkstod« unter der Herrschaft des »Zweikindersystems«. Mindestens drei oder vier Kinder brauche der Staat pro Familie, um zu überleben. Das Ehegesundheitsgesetz verbot 1935 Ehen zwischen »Erbgesunden« und »Erbkranken«, Heirat und Kinderzeugung wurden zur nationalen Aufgabe für »rassisch reine« Menschen. 1936 wurde die Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung ins Leben gerufen, um effektiv gegen die sinkenden Geburtenzahlen vorzugehen. SS-Reichsführer Heinrich Himmler betonte 1937 in einer Rede, die Homosexualität mit der sinkenden Geburtenrate in Verbindung brachte: »Ein gutrassiges Volk, das sehr wenig Kinder hat, besitzt den sicheren Schein für das Grab.«

 

Auch Juden und andere Minderheiten gerieten ins Visier der NS-Rassenhygiene: mit »Endlösung« ist entsprechend der dritte Teil der Ausstellung überschrieben.

 

Operation T4

 

Der Zweite Weltkrieg diente als Vorwand und Deckmantel für die Tötung »Unproduktiver« und »Unerwünschter«, die man zuvor aus der Gesellschaft ausgesondert hatte. Die Nationalsozialisten rechtfertigten die Mordaktionen als Euthanasie oder »Gnadentod«. Die Schwächsten traf es zuerst: körperlich oder geistig behinderte Neugeborene und Kinder. Zwischen 1939 und 1945 wurden mehr als 5000 Jungen und Mädchen in über 30 sogenannten »Kinderfachabteilungen« in Anstalten und Kliniken von Ärzten und Pflegepersonal ermordet. 70.000 Patienten in Heil- und Pflegeanstalten fanden in den Gaskammern von speziell eingerichteten »Euthanasie-Zentren«, den Tod, 130.000 starben in Krankenhäusern und psychiatrischen Einrichtungen durch medikamentöse Überdosen oder verhungerten. Die streng geheim gehaltene Aktion trug den Decknamen »T4«, benannt nachder Berliner Organisationszentrale Tiergartenstraße 4. Seit 1989 erinnert dort eine kleine Gedenktafel an die Opfer.

 

Die Dresdener Ausstellung ist eine Leihgabe des United States Holocaust Memorial Museums in Washington, eine der bedeutendsten Einrichtungen zur Erforschung des Holocaust. Mit der Präsentation, die in Amerika 720.000 Zuschauer innerhalb von zwei Jahren gesehen haben, und die nur dieses eine Mal in Deutschland gastiert, stellt sich das Hygiene-Museum auch seiner eigenen Geschichte. »Das Hygiene-Museum war keine Täterinstitution in dem Sinne, dass hier Menschen getötet wurden«, erklärt der Direktor des Museums, Klaus Vogel. Aber es habe Schuld auf sich geladen, indem es die Nazi-Propaganda unterstützte und mitarbeitete an der Definition von vermeintlich lebenswertem und nicht lebenswertem Leben. Der »perfekte« Gläserne Mensch, Hauptattraktion der ständigen Ausstellung des Museums, stehe heute nicht mehr für dieses Haus, erklärt Vogel. Zum Menschen gehöre auch Krankheit, Alter und Versehrtheit. Die Ausstellung sei dennoch keine Alibiveranstaltung, sondern ein Zeichen, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen.

 

Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Tödliche Medizin. Rassenwahn im Nationalsozialismus
Sonderausstellung vom 12. Oktober 2006 bis 24. Juni 2007
Informationen: www.dhmd.de

 

Utopie perfekter Mensch

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts versprachen die Wissenschaften große Fortschritte für die Menschheit. Utopien von der Schaffung des perfekten Menschen schlugen Reformer in ihren Bann. Viele glaubten, dass soziale Probleme der Moderne, wie etwa Kriminalität, Alkoholismus oder die vermeintliche Zunahme geistiger und körperlicher Leiden und Behinderungen, genetisch bedingt seien und von Generation zu Generation vererbt würden. Psychiater, Genetiker und Anthropologen suchten die Lösung für diese Phänomene in der Eugenik. In der Weimarer Republik wurden diese wissenschaftlichen Bestrebungen infolge der Niederlage im Ersten Weltkrieg zunehmend mit der Aufgabe verknüpft, Deutschlands Position als Weltmacht wiederherzustellen.

 

Gedanken der Unverhältnismäßigkeit zwischen den vielen Toten an der Front und den Kranken und Behinderten, die zu Hause kosten- und zeitintensiv gepflegt werden mussten, kamen auf. Der Begriff der »Menschökonomie« war bereits seit Anfang des Jahrhunderts im Umlauf. Gestellt wurde die Frage nach dem Nutzen und den Kosten des Einzelnen für die Gesellschaft. »Was kosten die schlechten Rassenelemente den Staat und die Gesellschaft?«, fragte bereits 1911 ein Preisausschreiben. Durch die Finanzkrise des Gesundheitswesens wurden die Diskussionen um den Wert des Menschen und auch die Euthanasiedebatte weiter angeheizt.

 

Von 1933 bis 1945 machte sich die von Adolf Hitler geführte NS-Regierung diese Anliegen zu eigen, instrumentalisierte und radikalisierte sie. Mithilfe von Ärzten, Erbforschern, anderen Wissenschaftlern und Gesundheitsbeamten forcierte das NS-Regime einen Nationalismus, der aus der angeblichen biologischen Überlegenheit der »arischen Herrenrasse« einen Anspruch auf territoriale Expansion ableitete. Getrieben von einer Rassenideologie, die von führenden Wissenschaftlern unterstützt wurde, versuchten die Nationalsozialisten die europäischen Juden, Sinti und Roma und andere »Artfremde« auszumerzen und die deutsche Gesellschaft von Menschen zu »säubern«, die als »lebensunwert« galten.

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