Sprechende Pharmazie |
16.10.2012 18:10 Uhr |
Die Gesundheitskommunikation im Internet boomt. Eine persönliche, vertrauensvolle Beratung in der Apotheke ist gleichwohl unverzichtbar. Die Apotheker im Arbeitskreis 2 brachen eine Lanze für die »sprechende Pharmazie«.
Das Internet ist heute das drittwichtigste Medium für die Bürger; circa 70 Prozent gehen online, berichtete Dr. Constanze Rossmann vom Institut für Kommunikationswissenschaften und Medienforschung der LMU München, im Einführungsvortrag. Die Menschen nutzen das Netz vor allem zur Kommunikation, zum Googlen und zum »Herumstöbern«. Auch das Interesse an Gesundheitsinformationen steigt stetig an.
Diskussionsrunde im Arbeitskreis (von links): Gregor Bornes, Dr. Christiane Eckert-Lill, Moderator Dr. Peter Stuckhard, Jutta Doebel, Friedemann Schmidt und Dr. Constanze Rossmann
Typische Nutzer sind jung, gebildet, einkommensstark und eher gesundheitsbewusst. Sie suchen umfassende verständliche Informationen, wollen eine zweite Meinung einholen und bequem recherchieren. Als Potenziale des Internets, so die Referentin, schätzen Nutzer die zunehmende Reichweite und Erreichbarkeit sowie die Möglichkeit der Wissenserweiterung, aber auch die Steigerung der Selbstwirksamkeit. Das Netz bietet viele Vorteile für die Gesundheitskommunikation, gerade für Themen der Prävention, erklärte Rossmann und nannte interaktive Angebote, maßgeschneiderte Informationen und eine interpersonale Ansprache. Jedoch werden Personen, die durch andere Angebote schlecht angesprochen werden, auch vom Netz kaum erreicht: ältere Personen und Menschen mit niedrigerer Bildung. Mangelnde Qualität und Quellentransparenz, Falschinformationen und unangemessene Selbstmedikation bergen Risiken.
Jutta Doebel
Sehr zu begrüßen seien daher Qualitätssiegel wie der HON-Code oder MedCertain, die die Gesundheitsangaben im Internet auf Sachverständigkeit, Datenschutz oder auch Angaben von Finanzierungsquellen überprüfen, sagte die Kommunikationsexpertin. »Das Internet darf man nicht verteufeln, sondern muss adäquat damit umgehen.« Mobile Medien, zum Beispiel Gesundheits-Apps, würden neue Wege eröffnen. Medien- und Gesundheitskompetenz müssten schon früh, am besten ab dem Kindesalter, geschult und gefördert werden.
Die Informationsangebote im Netz bezeichnete Apothekerin Jutta Doebel, Erftstadt, in der Diskussion als riesige Chance für die Apotheker. Denn es gebe viele Kunden, die von den Informationen im Netz schier erschlagen werden, aber auch solche, die sich zwar gut informiert fühlen, aber doch fehl- oder halbinformiert sind. »In der Apotheke zählen Vertrauen und valide Empfehlungen«, sagte Doebel. Die Pflege des Apotheker-Patienten-Verhältnisses sei von großer Bedeutung. Niemals gehe ein Kunde ohne konkrete Hilfe aus ihrer Apotheke. Sie berate nicht produkt-, sondern symptomorientiert und setze auf langfristige Kundenbeziehungen statt auf schnellen Präparateverkauf. Auch informiere sie nicht nur über das Arzneimittel, sondern über die Krankheit, unter der der Patient leidet. »In den Apotheken, die ich kenne, wird auch abgeraten. Ich hoffe, dass die Honorierung das auch in Zukunft erlaubt.«
Constanze Rossmann
Zweifel an der Neutralität der Apothekenberatung hatte zuvor Gregor Bornes, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen und -Initiativen, geäußert. Beratungsstellen würden keine Entscheidung für den ratsuchenden Bürger treffen, sondern ihm bei der Entscheidung helfen, indem sie neutrale Informationen anbieten.
Nicht als reine Informanten, sondern als Problemlöser verstünden sich die Apotheker, entgegnete ABDA-Vizepräsident Friedemann Schmidt. Vertrauen und Seriosität seien die Basis von Gesprächen in der Apotheke. »Es gibt kein Feld, in dem Unabhängigkeit so wichtig ist, wie im Gesundheitsbereich.« Die Apotheker könnten beraten, aber oft seien sie mit »bürokratischem Quatsch« beschäftigt. »Das Fundament in der Beratung muss Wissenschaft sein«. Und: »Mein Ziel ist die Lösung des Problems des Patienten innerhalb meines Wertegerüstes«.
Friedemann Schmidt
Trotz Zeitmangels: »Ein Satz in der Beratung muss immer gehen«, sagte ABDA-Geschäftsführerin Dr. Christiane Eckert-Lill. Sie verwies auf das geänderte Heilmittelwerbegesetz. Künftig dürften Hersteller zum Beispiel auch die Fachinformationen veröffentlichen. Dann werde es für die Laien noch schwieriger, die Fülle der Informationen zu verstehen.
Schmidt verwies auf die Instrumente der Apotheker, um die Probleme des Patienten zu lösen, in der Regel Arzneimittel, aber auch guten Rat. Für den individuellen Kunden müsse er etwas finden, was »dem Menschen hilft und ihn glücklich macht.«
»Interpersonale, nicht mediale Kommunikation in der Beratung ist der Königsweg.« Einig waren sich die Apotheker auf dem Podium, dass Apotheker gute Kommunikationsstrategien im Umgang mit Kunden und Patienten brauchen. Sie fordern die Vermittlung von effektiven Kommunikationsinstrumenten bereits im Studium. Dieses Anliegen unterstützte die Hauptversammlung mit einem Antrag. /
Wenig Neues
Welchen Erkenntnisgewinn ziehen Apotheker aus dem Arbeitskreis 2? Dass Gesundheitsinformationen im Internet boomen, ist nicht neu. Dass das Medium viele Potenziale, aber auch Risiken wie Falsch- und Fehlinformationen birgt, weiß heute jeder Apotheker. Und jeder hat schon Kunden erlebt, die vermeintlich alles – und vor allem besser als der Apotheker – wussten über ihre Erkrankung und Therapie. Auch die ständige Diskussion, ob Apotheker wirklich ehrlich beraten, ist nicht neu und zudem überflüssig und unnötig provokativ.
Es war wohltuend, dass Friedemann Schmidt nachdrücklich auf die Eigenschaften hinwies, die den Apotheker auszeichnen: Problemlösungskompetenz, Empathie für den Kunden und Verschwiegenheit. Wie Apotheker gerade letzteres mit neuen Medien verbinden können, ohne an Vertrauen einzubüßen, blieb auch nach zweistündiger Diskussion offen.
Brigitte M. Gensthaler
Redakteurin Titelbeiträge