Pharmazeutische Zeitung online
Arbeitskreis 1

Herausforderung und Chance

16.10.2012  18:10 Uhr

Der erste Arbeitskreis des Apothekertages drehte sich rund um die neue Apothekenbetriebsordnung. Die Diskussionsteilnehmer befassten sich damit, welche Erwartungen zu einzelnen Fragen bestehen, und kamen zu dem Schluss, dass im Dialog miteinander praktikable Lösungen zu erarbeiten sind, wobei die Verordnung selbstverständlich die Grenze ist.

Vor vier Monaten trat die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) in Kraft und ihre Umsetzung in den Apotheken ist angelaufen. »Ich möchte hier keine falschen Fronten eröffnen, das Werk wurde uns beschert«, machte Lutz Tisch, ABDA-Geschäftsführer Recht, zu Beginn seines Impulsreferats klar und spielte darauf an, dass die Novellierung vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erlassen wurde. Doch hätten Vertreter der Standesorganisationen mit zahlreichen Stellungnahmen, unzähligen Gesprächen auf Fachebene in Bund und Ländern, politischen Gesprächen und der Positionierung in der Anhörung im BMG aktiv am Prozess mitgewirkt. Als Beleg führte Tisch an, dass zum Beispiel bereits im Referentenentwurf die ursprünglich geplanten Dispensieranstalten abgewendet werden konnten und auch das absurde Thema der Wiederverwendung von Arzneimitteln verhindert werden konnte.

Weitere Erfolge konnten im Regierungsentwurf verbucht werden. So sei es zum Beispiel Verdienst der Bundesapothekerkammer (BAK), dass es keine Gleichstellung von Filial- und Zweigapotheken gebe, dass QMS für alle pharmazeutischen Tätigkeiten verpflichtend ist und die Herstellung und Prüfung weiterhin ausschließlich pharmazeutischem Personal vorbehalten ist. Auch auf Bundesrat-Ebene fruchteten die intensiven Gespräche mit der Politik. So konnte erstmalig der Begriff Medikationsmanagement gesetzlich verankert, keine Privilegierung von Filialapotheken erwirkt und der Botendienst weiterhin nur als Einzelfall und nicht als Regelversorgungsform implementiert werden.

»Nun gilt es, bei der Umsetzung den Blick nach vorne zu wenden«, appellierte Tisch. Man befinde sich in einem Dreieck aus Aufsichtsbehörden der Länder, Apotheken und Standesorganisationen. Wenn alle Beteiligten die Chancen der neuen ApBetrO für die Qualität der Arzneimittelversorgung, den Nutzen für den Patienten und die Potenziale zur Weiterentwicklung der Apothekenbetriebe in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen, führe dies in die richtige Richtung, so Tisch.

 

Die verpflichtende Einführung eines Qualitätsmanagements gehört zu den wichtigsten Neuerung der neuen ApBetrO. Die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Erika Fink, zeigte sich überzeugt, dass der Gesetzgeber diese Neuerung nicht »aus Rache an schlecht arbeitenden Apotheken« eingeführt hat. Es sei eher so, dass momentan in allen Bereichen QMS gefordert wird. Nichts liege näher, als es auch in Apotheken einzuführen, da dort mit einem besonders sensiblen Gut umgegangen wird. Die Tatsache, dass eine Zertifizierung nicht eingeführt wurde, sieht Fink als Vertrauensbeweis des Gesetzgebers, dass Apotheker die Anforderungen gut umsetzen werden.

»QM bedeutet zielorientiertes Handeln nach festgelegtem Standard«, sagte Melanie Wiegand, QM-Auditorin der Apothekerkammer Hamburg. Der Aufwand für die Implementierung und Fortschreiben des QMS sei individuell sehr unterschiedlich. Wiegand warb für QM-Handbücher der Kammern, die Apotheken als Grundlage nehmen können, aber selbstverständlich noch an ihre Apotheke anpassen müssen. Die Apothekerin warnte davor, sich zu »überreglementieren«. Sie riet, auf die pharmazeutischen Kernprozesse zu schauen. Mittelfristig gesehen kann Wiegand zufolge ein QMS sogar betriebswirtschaftliche Vorteile bringen. Die Apothekerin gab dafür einige Beispiele. So sei eine Zeitersparnis möglich, wenn Verantwortlichkeiten klar geregelt sind. Die Dokumentation von Kundenbeschwerden und -lob zeige zum Beispiel, was die Kundenzufriedenheit erhöht. Wiegand machte deutlich, dass aber nur ein funktionierendes und gelebtes QMS der Apotheke etwas bringt.

Dr. Ute Stapel, Amtsapothekerin der Stadt Hamm, konnte dies bestätigen. Sie verwies darauf, dass ein gelebtes QMS auch die Inspektionstätigkeit erleichtert. Sie versprach, dass die Behörden die Apotheken bei der Einführung des QMS »ermunternd begleiten« werden. Zudem verwies sie darauf, dass die Kammern zu diesem Thema auch Fortbildungsveranstaltungen durchführen.

 

Fink zeigte sich überzeugt, dass nach der Übergangsfrist von zwei Jahren alle Apotheken ein QMS eingeführt haben werden.

 

Auch bei der Beratung hat sich durch die neue ApBetrO Entscheidendes geändert. Im Paragraf 20 heißt es: »Die Verpflichtung zur Information und Beratung über Arzneimittel muss durch Apotheker der Apotheke ausgeübt werden, sie kann durch andere Angehörige des pharmazeutischen Personals der Apotheke übernommen werden, wenn der Apothekenleiter dies zuvor schriftlich festgelegt hat. Dabei hat er auch zu definieren, in welchen Fällen ein Apotheker der Apotheke grundsätzlich hinzuzuziehen ist.« Stapel: »Es ist wichtig und richtig, das Personal entsprechend der Kenntnisse und Fähigkeiten einzusetzen.« Die schriftliche Dokumentation trage zur größeren Arzneimittelsicherheit bei.

Dr. Klaus Kreuschner aus dem Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt brachte noch einen anderen wichtigen Aspekt ins Spiel. Es müsse dokumentiert werden, wer zu was befähigt ist. Dies diene auch dazu, das deutsche Apothekensystem gegen Europa zu verteidigen. Und: Derjenige, der in der Beratung tätig ist, muss stets im Auge haben, ob er diese Leistungen erbringen kann oder Fortbildungsbedarf hat.

 

Neu ist auch die geforderte Barrierefreiheit. »Allerdings handelt es sich hier um eine Soll-Vorschrift«, relativierte Stapel. Dies bedeute, dass die Vorschrift die Freiheit zur Einzelfallentscheidung lasse. In der Praxis würde bei einer bereits bestehenden Apotheke von Fall zu Fall entschieden, ob ein barrierefreier Zugang ermöglicht werden müsse. Bei einer Neueröffnung sei Barrierefreiheit allerdings Pflicht.

 

Die Apotheker sehen in zwei Punkten dringenden Nachbesserungsbedarf der neuen ApBetrO. Zum einen muss klargestellt werden, dass Pharmazieingenieure und Apothekerassistenten vertretungsbefugt sind. Die Tatsache, dass sie in der derzeitigen Version der ApBetrO (§ 7 Absatz 1b) nicht genannt sind, wenn es um die Beurteilung einer Rezeptur, also die eigentliche Durchführung der Plausibilitätsprüfung geht, ändert daran nichts. Darin waren sich die Diskutanten des Arbeitskreises einig. Dies könne nicht so gewollt sein, bekräftigte Tisch. Bei strikter Auslegung wäre sonst nämlich die Konsequenz, dass bei Vertretung durch Pharmazieingenieur und Apothekerassistent keine Rezepturherstellung möglich wäre. Unterstützung kam von Kreuschner. Er betonte, dass es bei der Auslegung dieses Sachverhalts bereits heute Möglichkeiten im Rahmen der Gestaltung gebe.

Zum anderen sollten Apotheken nicht nur Zytostatika, sondern jegliche Parenteralia von anderen qualifizierten öffentlichen oder Krankenhausapotheken herstellen lassen können. Bislang liest sich die Regelung so, dass Parenteralia, die keine Zytostatika sind, nur von Betrieben mit einer industriellen Herstellungserlaubnis angefertigt werden dürfen. Die Apotheker sehen hier die flächendeckende Versorgung, zum Beispiel von Palliativpatienten mit parenteralen Analgetika, gefährdet. Tisch zeigte sich optimistisch, dass diese beiden Ungereimtheiten schnellstmöglich zu korrigieren sind. Keine gesetzgeberischen Änderungen wird es voraussichtlich bei den neuen Auflagen für QM, Rezeptur und Defektur geben. Hier werden bald die Pharmazieräte der verschiedenen Bundesländer beraten, wie die ApBetrO sinn- und maßvoll auszulegen ist, kündigte Stapel an. Zum Beispiel bei der Prüfung von Defekturen müsse man praxisgerechte Lösungen finden, die sich am Gefährdungspotenzial der Herstellung ausrichtet. So sei eine Prüfung mit großem Aufwand bei einer einfachen Teemischung beispielsweise nicht angemessen. Alle Diskutanten waren sich einig, dass es im Interesse des Patienten ist, wenn die Defektur erhalten bleibt. /

Kommentar

Klarheit, bitte!

Die neue Apothekenbetriebsordnung ist nun schon seit vier Monaten in Kraft, doch nach wie vor herrscht bei der Umsetzung Unklarheit in einigen Punkten. Wie ist es nun eigentlich mit der Vertretungsbefugnis der Pharmazieingenieure und Apothekerassistenten? Was ist mit der Barrierefreiheit? Wo bleiben die praxisgerechten Lösungen für die Prüfung von Defekturen? Wer von den Apotheken klare Regelungen für ihre Arbeitsvorgänge verlangt, muss selbst klare Ansagen machen. Und hier hapert es eben noch. Bleibt zu hoffen, dass sich die Aufsichtsbehörden auf regionaler und bundesweiter Ebene so schnell wie möglich einigen, wie sie schwammig formulierte Aussagen in der Praxis umgesetzt sehen wollen – und zwar bundesweit einheitlich, um nicht noch mehr Verwirrung zu stiften.

 

Daniela Biermann

Redakteurin Pharmazie

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