Text muss kürzer werden |
17.10.2006 11:31 Uhr |
<typohead type="3">Text muss kürzer werden
Von Jörg Fuchs und Harald Schweim
Die Packungsbeilagen der Fertigarzneimittel werden immer länger und komplizierter. Viele Patienten fühlen sich dadurch verunsichert und nehmen das Arzneimittel nicht ein. Apotheker, pharmazeutische Industrie, Behörden und Politiker müssen daran mitwirken, die Packungsbeilagen im Umfang patientenfreundlicher zu gestalten.
Bereits vor dem Arzneimittelgesetz (AMG) 1976 fügten verantwortungsbewusste pharmazeutische Unternehmer ihren Arzneimitteln eine Packungsbeilage bei. Mit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 1978 wurde dies generell verpflichtend (2). Um eine stärker patientenorientierte Gebrauchsinformation zu erhalten, wurde in der 2. Novelle des AMG 1986 die Fachinformation als Informationsquelle für die Fachkreise gesetzlich verankert (3).
Seit Inkrafttreten der europäischen Richtlinie 92/27/EWG ist jedem innerhalb der Europäischen Union vertriebenen Arzneimittel eine Packungsbeilage beizufügen (4). Mit dem Ziel, für alle Mitgliedsländer einheitliche inhaltliche und gestalterische Anforderungen zu schaffen, werden die Gebrauchsinformationen vorwiegend durch europäische Vorgaben geprägt und ständig angepasst.
Beispielsweise verabschiedete die Europäische Kommission 1998 umfangreiche Empfehlungen für gut lesbare und verständliche Packungsbeilagen (5), die 2002 in die deutschen Richtlinien integriert wurden (6). Die QRD-Group (Quality Review of Documents Group), eine Arbeitsgruppe der europäischen Zulassungsbehörde EMEA, veröffentlicht regelmäßig neue Vorgaben für Packungsbeilagen (7). Diese so genannten QRD-Templates sind Textvorlagen für Gebrauchsinformationen für rezeptpflichtige und rezeptfreie Arzneimittel. Deren Einhaltung ist zwar nicht zwingend verbindlich, jedoch sind die pharmazeutischen Unternehmen gehalten, diese Texte in ihren Packungsbeilagen umzusetzen.
Trotz aller europäischen und nationalen Bestrebungen wird die Länge der Packungsbeilagen immer wieder kritisiert. Patienten, medizinische und pharmazeutische Fachkräfte wünschen sich kürzere und inhaltlich auf das Wichtigste begrenzte Gebrauchsinformationen (8, 9, 10). Vor allem bei älteren Patienten ist diese Forderung stärker.
Eine Analyse von 68 Packungsbeilagen, die im Jahr 2000 in Deutschland im Handel waren, ergab, dass mehr als 20 Prozent der untersuchten Versionen mehr als 2000 Wörter enthielten (11). Unter Berücksichtigung der von der Europäischen Kommission geforderten Mindestschriftgröße von 8 pt (5) umfasst dies drei bis vier DIN-A4-Seiten. Zwischenauswertungen einer neueren Studie von deutschen Packungsbeilagen des Jahres 2005 zeigen, dass deren Wortanzahl weiter ansteigt. So gibt es extrem umfangreiche Versionen mit über 4000 Wörtern (12).
Blick in die USA
Nicht nur in Europa, auch in den USA werden die Arzneimittelinformationen immer länger und komplizierter. Jedoch sind die dortigen Packungsbeilagen bedeutend stärker auf das medizinische Fachpersonal ausgerichtet, also eher mit einer deutschen Fachinformation vergleichbar. Bei einer häufig kleineren Schriftgröße von minimal 6 pt haben sie nicht selten einen Umfang von bis zu sechs DIN-A4-Seiten (13, 14). Zusätzlich stellt die FDA den Verbrauchern Patienteninformationen (15) (»patient information sheet«) und weitere Broschüren zur Verfügung, in denen nur ausgewählte Sachverhalte zum Arzneimittel, aber nicht jede bekannte Neben- und Wechselwirkung aufgeführt sind. Diese Informationen gibt es auch zielgruppenorientiert und auf Spanisch.
Weil pro Jahr in den USA ungefähr 300.000 vermeidbare unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftreten, die angeblich häufig ein Ergebnis einer verwirrenden Arzneimittelinformation sind, hat die FDA im Januar Maßnahmen zur Optimierung der Packungsbeilagen verabschiedet (16). Neben einem Inhaltsverzeichnis zum leichteren Auffinden der Informationen werden in Zukunft am Anfang die wichtigsten Inhalte und alle kürzlich vorgenommenen Aktualisierungen aufgeführt. Dadurch erwartet die FDA innerhalb von zehn Jahren Einsparungen von 300 bis 400 Millionen US-Dollar gegenüber entstehenden Kosten von 90 bis 120 Millionen (17).
Zu ausführlich und wenig präzise
Doch warum werden die Packungsbeilagen immer länger? Dafür gibt es mehrere Gründe. Sehr bedeutend ist die ständige Zunahme des Wissens über Arzneimittel. Weil Patienten ein Recht auf umfassende Informationen haben (18, 19), darf man ihnen keine positiven oder negativen Erkenntnisse vorenthalten. Maßgeblich wird der Inhalt der Packungsbeilagen zudem von dem im AMG § 84 fixierten Haftungsrecht bei Arzneimittelschäden beeinflusst (19). Um den aus einem Schadensfall resultierenden Ansprüchen vorzubeugen, muss der pharmazeutische Unternehmer alle Erkenntnisse nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft aufführen. Daraus resultieren häufig zu umfangreiche und schwer verständliche Texte. Diese Dualität, Patienteninformation und Haftungsausschluss, ist mit Sicherheit eine der Ursachen, weshalb deutsche Packungsbeilagen als so schwer verständlich gelten und wenig gelesen werden.
Außerdem enthalten sie viele wenig interessante Details. Die Informationen zu Anwendungsgebieten, Dosierungsanleitung, Gegenanzeigen und Nebenwirkungen sind für Patienten sowie für medizinische und pharmazeutische Fachkräfte sehr wichtig (8, 9, 10). Als wenig wichtig bewerten diese Gruppen Angaben zum pharmazeutischen Unternehmer und Hersteller. Falls das pharmazeutische Unternehmen nicht gleichzeitig der Hersteller ist, sind jedoch aus rechtlichen Gründen beide Adressen in den Packungsbeilagen aufzuführen, was gleichwohl nicht viel Platz beansprucht. Jedoch wird in den durch das zentrale europäische Zulassungsverfahren genehmigten Gebrauchsinformationen für jedes Mitgliedsland der Europäischen Union die entsprechende Adresse des Unternehmens angegeben. So entfallen auf diese Daten bis zu 25 Prozent des Textumfangs (21). Da immer mehr Staaten in die EU aufgenommen werden, wird dieser Textteil noch bedeutend zunehmen.
Der Gesetzgeber trägt also auch zur Aufblähung, vor allem wenig wichtiger Texte, bei. Ein weiteres Beispiel liefert die europäische Direktive 2004/27/EC. So müssen in Zukunft die Packungsbeilagen von Arzneimitteln, die in der EU unter verschiedenen Namen vertrieben werden, ein Verzeichnis der einzelnen Mitgliedsstaaten mit allen genehmigten Handelsnamen enthalten (7, 22). Diese Information ist sicher nur selten, zum Beispiel bei Käufen im Ausland, relevant. Bei Bedarf könnte jede Apotheke diese Information recherchieren.
In vielen Beipackzetteln findet der Patient Erläuterungen, die nicht für ihn bestimmt sind. Dabei sollten Hinweise, die nur für die Fachkreise relevant sind, nicht in Packungsbeilagen aufgenommen werden (6), was leider nur inkonsequent eingehalten wird. Beispielsweise wird in einigen Packungsbeilagen von ACE-Hemmern die Notfallbehandlung bei Gewebeschwellungen in Form einer subkutanen Injektion von Epinephrin unter EKG- und Blutdrucküberwachung beschrieben (12). Auch über Abbildungen von Dünnschicht-Chromatogrammen wurde berichtet (21).
Einen stärkeren Einfluss auf den Textumfang haben die häufigen inhaltlichen Wiederholungen. Die Analyse von 68 Packungsbeilagen des Jahres 2000 ermittelte Extremfälle von 18 textlichen Redundanzen pro Gebrauchsinformation (11). Eine neue Untersuchung von Packungsbeilagen aus dem Jahr 2005 ergab keine wesentliche Verbesserung (12), obwohl die nationalen Empfehlungen von 2002 fordern, Wiederholungen zu vermeiden (6). Dass sogar die QRD-Templates inhaltliche Redundanzen vorgeben, zum Beispiel zu Maßnahmen bei Nebenwirkungen und bei Angaben zur Zusammensetzung, ist nicht akzeptabel. Dadurch werden die pharmazeutischen Unternehmen zur Steigerung des Textumfangs durch die vorgegebenen Doppelungen angehalten.
Zudem sind die Inhalte der Packungsbeilagen häufig in umfangreichen Texten und sehr langen Sätzen »verpackt« (11, 12). Die Vorgaben der QRD-Templates fördern dies noch. Empfehlungen der europäischen Readability-Guideline von 1998, zum Beispiel pro Satz maximal 20 Wörter zu verwenden, werden in den Templates nicht konsequent berücksichtigt (5, 7).
Lesbarkeit im Test
Mithilfe der seit 2005 geforderten Lesbarkeitstests für Packungsbeilagen sollen diese besser lesbar und verständlicher werden (22). Ein wichtiges Kriterium ist, dass jede der im Test schriftlich oder mündlich erfragten Informationen von mindestens 80 Prozent der Teilnehmer gefunden und richtig verstanden wird. Auch wenn diese Forderung in Zukunft zu patientengerechteren Gebrauchsinformationen führt, wird dies nur bedingt den Textumfang verringern.
Durch eine stark komprimierte Schreibweise in Form von Stichpunkten ist es jedoch möglich, bedeutend kürzere Packungsbeilagen zu erstellen, ohne wichtige Informationen zu vernachlässigen. Dies wurde anhand der im Vorfeld der Paint-Studie (package insert test) entwickelten Musterpackungsbeilagen von Arzneimitteln verschiedener Indikationen und Darreichungsformen belegt. Die Basis bildeten die Inhalte von Gebrauchsinformationen, die zum Zeitpunkt der Studie im deutschen Arzneimittelverkehr waren. Zur Erstellung der Muster wurden die von Fuchs entwickelten 104 Qualitätskriterien unter Berücksichtigung der damals gültigen gesetzlichen Vorgaben umgesetzt (21).
Lange Texte belasten Compliance
Sehr umfangreiche Packungsbeilagen führen nach den Ergebnissen der Paint-Studie nicht generell zu einer schlechteren Verständlichkeit. In dieser Vergleichsstudie wurden die Musterpackungsbeilagen mit im Arzneimittelverkehr befindlichen Originalversionen entsprechend des schriftlichen Lesbarkeitstests nach Fuchs untersucht (siehe Kasten). Im Cross-over-Prinzip erhielt jeder der 1105 Teilnehmer im Abstand von mindestens vier Wochen ein Muster und das dazugehörige Original (21).
Inhalt und Gestaltung von Packungsbeilagen (»Beipackzettel«) haben einen großen Einfluss auf die Compliance der Patienten und den Therapieerfolg, aber auch auf die Arzneimittelsicherheit. Daher wurden in der Paint-Studie (package insert test) diese wichtigen Medien der Patienteninformation hinsichtlich der Auffindbarkeit der Inhalte und deren Verständlichkeit geprüft.
Dies erfolgte mit fünf Packungsbeilagen (Originale) von verschiedenen Herstellern und handelsüblichen Arzneimitteln sowie unterschiedlichen Indikationen. Auf deren Basis entwickelte Fuchs mithilfe seines im Vorfeld aufgestellten Katalogs von 104 Qualitätskriterien zu jeder der fünf Originalversionen eine Musterpackungsbeilage (21). Bei gleichem Informationsgehalt wurden die Inhalte der Muster auf ein beidseitig beschriebenes DIN-A4-Blatt komprimiert und eine farbige Gestaltung gewählt. Die Auffindbarkeit einzelner Informationen und die Verständlichkeit der Packungsbeilagen wurden mit dem von Fuchs entwickelten schriftlichen Lesbarkeitstest beurteilt. Neben der Erhebung von Meinungen mussten die Teilnehmer im Fragebogen 15 Fragen zum Inhalt der Gebrauchsinformationen beantworten. Im Cross-over-Prinzip erhielt jeder Befragte eine Originalpackungsbeilage und das entsprechende Muster in einem Abstand von mindestens vier Wochen.
Von den 1150 vorwiegend in Jena und Umgebung angesprochenen Personen beteiligten sich im ersten Durchgang 1105 und im zweiten immerhin noch 1051 (Rücklaufquote 95,8 und 91,2 Prozent; 65,4 Prozent Frauen). Zum Zeitpunkt der Studie (September 2002 bis April 2003) waren die Befragten 10 bis 92 Jahre alt (durchschnittlich 38 Jahre). Sie hatten unterschiedliche Bildungsniveaus; mehr als die Hälfte verwendete mindestens ein Arzneimittel täglich.
Bei den Musterpackungsbeilagen beantworteten die Teilnehmer 92,6 bis 94,4 Prozent der 15 Fragen richtig; 2,2 bis 2,5 Prozent der Informationen wurden nicht gefunden. Für diese Aufgabe benötigten sie 10,9 bis 13,8 Minuten. Dies war in jedem Fall signifikant schneller als bei den Originalpackungsbeilagen (14,3 bis 19,6 Minuten). Hier konnten die Teilnehmer nur 74,7 bis 85,8 Prozent der Fragen richtig beantworten. Auch bei der Häufigkeit der nicht gefundenen Antworten schnitten die Originale immer signifikant schlechter ab (3,8 bis 6,9 Prozent). Immerhin drei der fünf Originalpackungsbeilagen konnten die Anforderungen einer guten Verständlichkeit (mindestens 80 Prozent richtige Antworten [5]) im Gesamtergebnis nicht erfüllen.
Am häufigsten hatten die Teilnehmer bei den Originalen Probleme, Informationen zur Dosierung und zu möglichen Nebenwirkungen zu verstehen. Auf die Frage »Was ist die maximale Tagesdosis?« konnten nur 9,9 (!) bis 90,2 Prozent die richtige Menge angeben. Bis auf einen Fall war bei jedem Muster dieser Anteil mit 83,6 bis 94,0 Prozent signifikant höher. Dosierungsangaben in Form von Milligramm des wirksamen Bestandteils anstatt Anzahl der Tabletten oder Volumen des gebrauchsfertigen Arzneimittels wurden am häufigsten falsch verstanden. Zusätzlich traten Probleme auf, wenn die Dosierung in Spannen wie
»1- bis 3-mal täglich 2 bis 4 Tabletten« erfolgte. Die Relevanz der in den Originalbeilagen aufgeführten Nebenwirkungen wurde häufig überschätzt.
Auf die Frage, welche der Packungsbeilagen sich die Teilnehmer in Zukunft wünschen, votierten 84,1 bis 97,1 Prozent für die Muster, jedoch nur 1,0 bis 10,6 Prozent für die Originale. Schlussfolgernd sollte für Dosierungsangaben gelten (21):
nur in Volumeneinheiten oder in Stück,
in einer übersichtlichen Tabelle,
nur die wichtigsten Informationen,
nicht in Spannen »von ... bis ...« ohne Erklärung,
ohne Fremdwörter.
Bei der Beantwortung der 15 Fragen zum Inhalt der Packungsbeilagen stieg die benötigte Zeit signifikant mit dem Textumfang der Packungsbeilage. Zudem bestätigte sich, dass die Teilnehmer in umfangreichen Gebrauchsinformationen signifikant schlechter benötigte Inhalte fanden als in kürzeren Versionen.
Zu umfangreiche Texte erschweren nicht nur das Auffinden von Informationen, sondern können zu Angst und sogar zur Non-Compliance führen (23). In der Jenaer Patientenbefragung 2001 gaben 11,2 Prozent von 197 Teilnehmern an, dass sie durch die Packungsbeilagen verunsichert werden (9). Auch medizinische und pharmazeutische Fachkräfte erleben immer wieder, dass Patienten nach der umfangreichen Lektüre, die überwiegend »negative« Informationen enthält, verunsichert und non-compliant werden (10). Dies bestätigt die im Januar 2003 durch das GfK-Marktforschungsinstitut durchgeführte Befragung von 2054 Personen: Knapp jeder Zweite hatte nach Lesen der beschriebenen Risiken schon einmal ein Medikament nicht mehr eingenommen oder sich durch die Inhalte der Packungsbeilagen verunsichert und verängstigt gefühlt (24).
In der Paint-Studie gaben die Befragten an, durch kürzere Packungsbeilagen signifikant besser informiert zu werden im Vergleich zu längeren Versionen. Gleichzeitig waren sie nicht der Meinung, dass ihnen dabei Informationen vorenthalten wurden. Generell fühlten sich die Befragten durch kürzere Texte signifikant stärker motiviert, die Gebrauchsinformation zu lesen. Dies wird auch durch deren Gestaltung beeinflusst. So animierten die übersichtlicheren farbigen Mustertexte von Paracetamol und Repaglinid die Teilnehmer signifikant stärker, diese Versionen zu lesen, auch wenn beide Originaltexte annähernd gleich lang wie die Muster waren.
Noch mehr Text nach FDA
Alle bisherigen Tests zeigen, dass eine weitere Steigerung des Umfangs von Packungsbeilagen unbedingt vermieden werden sollte. Dem widerspricht die FDA-Maßnahme, eine Zusammenfassung der wichtigsten Informationen am Anfang der Gebrauchsinformationen einzufügen. Da dies eine Ausweitung der Texte, verbunden mit einer geringeren Bereitschaft der Patienten zum Lesen der Packungsbeilagen, bedeutet, kann der FDA-Weg nicht befürwortet werden. Außerdem enthalten die inhaltlichen Wiederholungen verstärkt negative Informationen, was die Patienten vermehrt ängstigen und somit die Non-Compliance fördern könnte.
In der Paint-Studie waren die Teilnehmer durch umfangreichere Gebrauchsinformationen immer signifikant stärker verängstigt, die beschriebenen Arzneimittel anzuwenden. Natürlich gibt es neben dem Umfang noch weitere Einflussfaktoren. So kann das Vertrauen zum Arzneimittel durch eine ansprechende Gestaltung der Packungsbeilage positiv beeinflusst werden (21).
Kürzer, präziser, ansprechender
Um patientengerechte Packungsbeilagen zu erhalten, sollte der Textumfang maximal 1500 Wörter betragen, besser sogar weniger als 1000 Wörter. Hierzu könnten analog den Mustern der Paint-Studie kurze Stichpunkte anstatt langer Sätze eingesetzt und Wiederholungen eliminiert werden. Zum Hervorheben sehr wichtiger Informationen sind Fettdruck, aber auch eine andere Schriftfarbe bedeutend besser geeignet als ein »Highlight-Kapitel« oder Wiederholungen.
Wenig wichtige Informationen sollten auf das unbedingt notwendige Maß reduziert werden. Nur eine Adresse des pharmazeutischen Unternehmens ist vollkommen ausreichend. Um dem Patienten zusätzlich leicht erreichbare Informationsquellen zu vermitteln, sollte immer eine Telefon- und Faxnummer, aber auch eine E-Mail-Adresse des Unternehmens aufgeführt sein, so wie es das QRD-Template (7) empfiehlt.
Es ist sicher sinnvoll, den Patienten den Zugang zu weiteren schriftlichen Informationsquellen zu erleichtern. Dazu sollten in erster Linie die bestehenden Medien verbessert und leichter zugänglich gemacht werden. Daher ist der kürzlich verabschiedete Vorschlag, die Fachinformationen auch Patienten zur Verfügung zu stellen, unbedingt zu unterstützen (25). Jedoch müssen diese Arzneimittelinformationen dann gleichfalls die schwer zu lösende Aufgabe erfüllen, gut lesbar und leicht verständlich zu sein. Gemäß Sander ist die Abgabe an Patienten zulässig und verstößt nicht gegen das Heilmittelwerbegesetz (26). Man sollte darüber nachdenken, zum Beispiel den Fachinfoservice der Rote-Liste-Service-GmbH im Internet frei zugänglich zu machen. Als weitere Verteilerquellen sind Apotheken und Arztpraxen denkbar, die ihre Patienten unterstützen, sich ausreichend zu informieren.
Aus juristischer Sicht ist die Politik gefordert, Rechtsklarheit zu schaffen, damit die stete Steigerung der Textumfänge aufgrund der für die Unternehmen notwendigen haftungsrechtlichen Absicherung eingedämmt werden kann. Sie sollte die gesetzliche Basis einer Begrenzung auf die relevanten Informationen schaffen. Um jedoch der Öffentlichkeit keine Informationen vorzuenthalten, müssen die aus den Gebrauchsinformationen gestrichenen Inhalte in den Fachinformationen verfügbar sein.
Bis kürzere Packungsbeilagen zu jedem Arzneimittel vorhanden sind, sollten diese Texte von amtlicher Seite über das Internet frei zur Verfügung gestellt werden. Zu empfehlen ist, die verständlicheren deutschen Gebrauchsinformationen zusätzlich in anderen häufig in Deutschland verwendeten Sprachen, zum Beispiel in Türkisch, über das gleiche Verteilermedium zu veröffentlichen.
Hinsichtlich patientenorientierter Packungsbeilagen sollten folgende Punkte umgesetzt werden:
Informationen im Umfang bedeutend komprimieren;
sehr wichtige Inhalte hervorheben;
wenig wichtige Informationen auf ein Minimum reduzieren;
Textvorgaben der QRD-Templates optimieren;
Patienten einen einfachen Zugang zu weiteren Informationsquellen ermöglichen, zum Beispiel leicht verständliche Fachinformationen;
aus rechtlichen Gründen aufgenommene Inhalte nur in den Fachinformationen aufführen (Gesetzesänderung notwendig!).
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Jörg Fuchs schloss sein Pharmaziestudium in Greifswald 1996 mit dem Diplom ab. Anschließend arbeitete er in einer öffentlichen Apotheke in Jena und an einer Promotion an der Humboldt-Universität Berlin. 2005 wurde er mit seiner Arbeit über Packungsbeilagen als Mittel zur gezielten Information und Handlungsanleitung für Patienten promoviert. Seitdem ist Dr. Fuchs als Gastwissenschaftler bei Professor Dr. Schweim in Bonn tätig und leitet ein Beratungsunternehmen in Jena.
Harald G. Schweim studierte Lebensmittelchemie und Pharmazie in Hamburg und wurde 1981 promoviert. 1989 folgte die Habilitation in Pharmazeutischer Chemie. Zudem erwarb er Qualifikationen als Medizininformatiker, Fachapotheker für Arzneimittelinformation und Öffentliches Gesundheitswesen. Nach leitender Tätigkeit im Institut für Arzneimittel des Bundesgesundheitsamts, Berlin, war er als Direktor des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln tätig. Bis 2004 stand Professor Schweim dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Bonn, als Präsident vor. Seit Dezember 2004 ist er Universitätsprofessor für Drug Regulatory Affairs in Bonn. Er ist deutscher Projektleiter für Twinning-Projekte mit Polen und Lettland und im EU-Programm mit Mittelmeer-Anrainerstaaten wie Jordanien und Syrien.
Für die Verfasser:
Dr. Jörg Fuchs
Paint-Consult und Lehrstuhl für Drug Regulatory Affairs
Universität Bonn
Magnus-Poser-Straße 6
07749 Jena
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