Auf den gefühlten Preis kommt es an |
18.10.2006 10:00 Uhr |
<typohead type="3">Auf den gefühlten Preis kommt es an
Von Daniel Rücker
Beim Kampf um Kunden setzen immer mehr Apotheken auf Sonderangebote für OTC-Arzneimittel. Die meisten Experten halten diese Strategie für falsch. Dumpingpreise könnten den Apothekenleiter teuer zu stehen kommen.
Seit knapp drei Jahren dürfen Apotheken ihre Preise für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel selbst kalkulieren. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz war zum 1. Januar 2004 die Arzneimittelpreisverordnung für OTC-Arzneimittel gefallen. Der von vielen Politikern erhoffte Preisverfall blieb allerdings aus. Die Margen der Apotheker ließen dies nicht zu.
Seit einigen Wochen ist jedoch Bewegung im Markt. Vor allem in Norddeutschland, aber auch in anderen Städten bieten Apotheken Selbstmedikationspräparate deutlich unter den Preisempfehlungen der Hersteller an. Besonders aktiv sind 35 Parmapharm-Apotheken in Hamburg (siehe PZ 41, Seite 50).
Clevere Strategie
Angestoßen wurden die Preisaktionen der Apotheken von Discount- und Versand-Apotheken wie easy oder DocMorris. Sie konnten sich dank einer klugen Preisstrategie im Markt erfolgreich als preiswert positionieren. Um ihre Kundenfrequenz zu sichern, opfern nun auch immer mehr »normale« Apotheken einen Teil ihrer Marge und lassen sich auf einen Preiskampf mit ungleichen Mitteln ein.
Discounter aller Branchen verstehen sich darauf, preiswert zu wirken, ohne es zu sein. Apotheker, die die hohe Kunst der Simulation nicht beherrschen, erreichen oft das Gegenteil: Sie sind preiswert, ohne so zu wirken.
Experten halten die Preisaktionen über einen weiten Teil des Sortiments für unsinnig bis ruinös. Michael Eisele, Marktingleiter von Vivesco, fürchtet, dass viele Apotheker gar nicht erkennen, wie viel sie ihre Sonderangebote kosten: »10 Prozent auf alle OTC-Arzneimittel ist Wahnsinn«, sagte er auf einer Veranstaltung von Management-Forum in Bad Soden. Eine Apotheke mit 2 Millionen Euro Umsatz und einem OTC-Anteil von rund einem Drittel verzichte so auf fast 70.000 Euro Rohertrag. Wer denselben Betrag ins Marketing für seine Apotheke stecke, habe mehr davon.
Tatsächlich bleibt den von Reformen im Jahrestakt betroffenen Apothekern wenig Spielraum für Preissenkungen. Vor allem aus diesem Grund bewegten sich die OTC-Preise in den vergangenen zweieinhalb Jahren kaum. Was Politiker und Verbraucherschützer als Ausnutzung einer Monopolstellung interpretierten, war in Wirklichkeit Ausdruck einer immer knapper werdenden Marge. Preissenkungen sind deshalb ein sehr riskantes Unterfangen. Mit Blick auf die zu erwartenden weiteren Verluste durch die nächste Gesundheitsreform ist die Finanzdecke vieler Apotheken für solche Spiele zu dünn.
Diejenigen, die diesen Preiskampf angestoßen haben, würden ihren Ertrag niemals leichtfertig aufs Spiel setzen. Oliver Blume, Geschäftsführer der easy-Apotheke Kooperationsgesellschaft, setzt vielmehr auf das Konzept der großen Elektromärkte: Einzelne Produkte werden extrem preiswert angeboten, die übrigen kosten genauso viel oder nur unwesentlich weniger als in den anderen Apotheken.
Der tatsächliche Preis eines Produkts sei weniger wichtig. Entscheidend für den Erfolg sei, dass der Kunde das Gefühl habe, preiswert einzukaufen. Deshalb setzt die Discount-Kooperation easy-Apotheken alles daran, preiswert zu wirken. Das hat viel mit der Art der Warenpräsentation und der Apothekeneinrichtung zu tun, aber nur wenig mit Arzneimittelpreisen. Die kennen die Patienten in der Apotheke oft ohnehin nicht. Entscheidend ist der gefühlte Preis.
Bei der Werbung für die Discountapotheken ist Blume wenig zimperlich. Er spielt vor allem mit den Vorurteilen gegenüber Apotheken. »Erste Hilfe gegen Apothekenpreise« ist einer seiner Slogans, mit denen er seine Kooperation auf Kosten seiner Kollegen profilieren will.
Versender nicht billiger
Auch die großen niederländischen Versandapotheken sind nicht wirklich billiger als deutsche Apotheken. In den Medien gilt DocMorris als 30 Prozent preiswerter im Vergleich zu deutschen Apotheken. Davon ist der Versender jedoch weit entfernt. DocMorris-Chef Ralf Däinghaus sagte in Bad Soden: »Wir sind im Durchschnitt 3 bis 5 Prozent preiswerter.« Preissenkungen um 10 Prozent lehnt er ab. »Wir verschenken unseren Gewinn nicht.« Die vermeintlichen Preisbrecher haben sich ihr Image erfolgreich mit einzelnen, wenigen Sonderangeboten aufgebaut.
Ähnlich sieht es Klaus Gritschneder, Mitgründer der Venloer Europa Apotheek: »Wir machen den Preiskampf nicht mit.« Wie die anderen Discount-Apotheken unterbietet auch die Europa-Apotheek die Preisempfehlungen der Hersteller nur geringfügig.
Der sich entwickelnde Preiskampf in den Apotheken ist nicht nur ruinös, er widerspricht auch dem Selbstverständnis der meisten Apotheker. Wenn der Ertrag weiter sinkt, bedeutet dies weniger Personal, weniger Beratung und damit eine schlechtere Versorgung der Patienten. Auf der Strecke bleibt die Arzneimittelsicherheit.
Töbing kritisiert Schnäppchenjagd
Der Präsident der Apothekerkammer Hamburg, Rainer Töbing, übt deshalb auch scharfe Kritik an der Debatte über Arzneimittel-Schnäppchen. »Die Schnäppchenjagd bei Medikamenten widerspricht dem Wunsch der Patienten nach einer sicheren und zuverlässigen Arzneimittelversorgung«, sagt Töbing. Arzneimittel seien keine Waren des täglichen Bedarfs und dürften auch nicht so angeboten werden.
Schon jetzt ist klar, dass die Einzelapotheke einen Preiswettbewerb mit anderen Anbietern nur verlieren kann. Ihr fehlt das Geld und das Wissen, um sich gegen die ausgefeilten Strategien von Discountern zu behaupten. Ohnehin ist es ein Fehler, sich die Kernkompetenz des Wettbewerbers als Schlachtfeld zu suchen. Apotheker sind Heilberufler, sie verstehen von Marketing und Preisstrategien weniger als Betriebswirte. Ihre Stärke ist die Pharmazie. Deshalb müssen sie auf diesem Gebiet angreifen. Hier haben sie ihre Stärken.