Pharmazeutische Zeitung online
Arzneimittelauswahl

Die Gene mit berücksichtigen

21.07.2016  13:25 Uhr

Welches Arzneimittel ein Patient mit hohem kardiovaskulärem Risiko erhalten sollte, hängt auch von seinen Genen ab. Denn genetische Variationen entscheiden mit darüber, wie gut der Betroffene auf die Behandlung anspricht. Sie werden daher vermutlich künftig bei der Therapieauswahl eine wichtige Rolle spielen.

Professor Dr. Julie Johnson von der University of Florida zeigte das anhand des Thrombozytenaggregationshemmers Clopidogrel. Er ist ein Prodrug, das im Körper zunächst in zwei Metabolisierungsschritten in die Wirkform überführt werden muss. An beiden Reaktionen ist unter anderem das Enzym CYP2C19 beteiligt.

»Es gibt eine häufige Mutation, die zu einem Aktivitätsverlust von CYP2C19 führt«, informierte die Pharmakologin. Menschen, die zwei dieser Loss-of-Function-Allele tragen, können Clopidogrel nur sehr eingeschränkt bioaktivieren. Ist ein defektes und ein funktionierendes Allel vorhanden, geht die Aktivierung deutlich langsamer vonstatten als bei Trägern von zwei intakten Allelen. Laut Johnson ist CYP2C19 aus diesem Grund bei etwa 28 Prozent der hellhäutigen Bevölkerung, 36 Prozent der Dunkelhäutigen und 70 Prozent der Asiaten weniger aktiv. Clopidogrel kann bei diesen Menschen nicht richtig wirken.

 

Dieser Zusammenhang ist weidlich bekannt, doch wird er in der klinischen Praxis momentan noch weitgehend ignoriert. Das will das IGNITE-Netzwerk (Implementing Genomics in Practice) ändern, das die University of Florida unter der Federführung von Johnsons Institut ins Leben gerufen hat. Mit Erfolg, wie die Referentin zeigen konnte: In ihrer Klinik werden Ärzte von der Verschreibungssoftware darauf hingewiesen, wenn Clopidogrel bei einem Patienten erwartbar weniger wirksam sein wird. Der Verordner erhält Alternativvorschläge, zum Beispiel Prasugrel, dessen Bioaktivierung nicht von CYP2C19 abhängt. »Bei Patienten, bei denen die Ärzte Clopidogrel gegen einen anderen Arzneistoff ausgetauscht hatten, kam es zu signifikant weniger kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt oder Herz-Kreislauf-bedingtem Tod als in den Fällen, in denen Ärzte die Warnmeldung ignorierten«, sagte Johnson.

 

Diese Ergebnisse, die noch nicht publiziert sind, belegen, dass die Pharmakogenetik nicht nur von akademischem Interesse ist, sondern einen direkten Mehrwert für den Patienten hat. Die Analyse eines gesamten Genoms ist mittlerweile schon für 1000 US-Dollar zu haben, die der wichtigsten SNP (Single Nucleotide Polymorphism) für etwa 100. Angesichts weiter sinkender Kosten rechnet Johnson damit, dass die genetische Information bei der Arzneimittelauswahl künftig eine immer größere Rolle spielen wird.

 

Das könnte die Effektivität der anti­hypertensiven Pharmakotherapie verbessern, was dringend geboten ist. Denn diese findet momentan noch rein empirisch statt – mit bestenfalls durchwachsenen Ansprechraten. Nimmt man irgendeinen Arzneistoff aus einer der fünf Erstlinien-Wirkstoffgruppen Thiazid-Diu­retika, Betablocker, ACE-Hemmer, AT1-Rezeptor-Blocker und Calciumantagonisten, spricht lediglich die Hälfte der Patienten darauf an. Wiederum nur bei jedem zweiten Patienten gelingt es überhaupt, mittels medikamentöser Therapie den Blutdruck adäquat zu senken.

 

Johnson hat bereits gezeigt, dass sich unter Berücksichtigung genetischer Faktoren die Arzneistoffauswahl optimieren lässt. In einer 2013 im Fachjournal »Hypertension« publizierten Studie identifizierte sie mit ihrem Team in einer großen Patientenkohorte drei SNP, anhand derer sich unterscheiden ließ, ob ein Patient eher mit einem Calciumantagonisten oder mit einem Betablocker behandelt werden sollte (DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.111.00823). Bei Trägern von zwei bis drei dieser SNP kam es unter Calciumantagonisten häufiger zu kardiovaskulären Ereignissen, bei Trägern von null bis einem der fraglichen SNP war dagegen die Betablocker- Therapie überlegen. /

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa