Verbände fordern Änderungen |
05.10.2010 14:27 Uhr |
Von Bettina Sauer, Berlin / Die geplante Umstellung der Großhandelsvergütung sorgt weiter für Konflikte. Trotz intensiver Verhandlungen, zu denen das Bundesgesundheitsministerium vergangene Woche geladen hatte, erzielten die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und der Verband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) bislang keine Einigung.
»Es gibt kein gemeinsames Konzept«, betonte ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf vergangene Woche bei der öffentlichen Anhörung zum Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG). Schließlich habe der Großhandel bereits öffentlich angekündigt, die vorgesehenen Einsparungen von 500 Millionen Euro komplett an die Apotheken weiterzugeben. »Eins ist klar: Das wird massive Folgen für die Apotheken haben. Nämlich eine Kürzung des Ertrags um etwa 23 000 Euro, beziehungsweise ein Drittel. Das kann politisch nicht gewollt sein.«
Einsparziel übertroffen
Auch sein Kontrahent, Phagro-Chef Dr. Thomas Trümper, der bei der Anhörung ebenfalls zu Wort kam, appellierte an den Gesetzgeber, die Regelung zu ändern. Sowohl der angestrebte Fixzuschlag als auch die prozentuale Marge der Großhändler müssten deutlich »aufgepolstert« werden – nach der bisherigen Kalkulation würde das »Einsparziel um 200 bis 250 Millionen Euro übertroffen. Hier ist aber nicht der richtige Ort, um über exakte Zahlen zu sprechen«, so Trümper.
Bei der öffentlichen Anhörung hatten sich Sachverständige und Vertreter der Verbände in Berlin vor dem Bundestags-Gesundheitsausschuss versammelt, um zum Gesetzentwurf und den zugehörigen Änderungsanträgen der Bundestagsfraktionen Stellung zu beziehen. Den meisten Raum nahmen dabei die Sparpläne bei den neu zugelassenen, patentgeschützten Arzneimitteln ein, die aber nach dem derzeitigen Stand nur für den vertragsärztlichen Bereich vorgesehen sind. »Eine solche Preisdeckelung ist auch in den Kliniken dringend erforderlich«, betonte Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft. »Schließlich kaufen auch sie im großen Maßstab Medikamente ein, sind dabei aber schon seit Jahren mit ungebremsten Preissteigerungen konfrontiert.«
Diese Einschätzung teilt auch der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA). In seiner Stellungnahme zum AMNOG-Entwurf empfiehlt er die Einfügung einer Regelung, wonach Pharmaunternehmen von Kliniken maximal so viel berechnen dürfen, wie sie im vertragsärztlichen Bereich nach Abzug aller Rabatte erzielen.
Zustimmung zu Arznei-Bewertung
Generell dürfen die Hersteller den Preis für ein neues, patentgeschütztes Medikament nicht mehr selbst bestimmen, heißt es im AMNOG-Entwurf. Demnach müssen sie stattdessen pünktlich zur Markteinführung ein studiengestütztes Dossier über Kosten und Nutzen des Präparates einreichen. Auf dieser Basis soll der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die Bedeutung des Medikaments bewerten. Präparate ohne Zusatznutzen fallen direkt unter die Festbetragsregelung. Über alle anderen müssen die pharmazeutischen Hersteller mit den Kassen Preisverhandlungen führen. Gelingt das nicht, legt eine Schiedsstelle den Erstattungspreis fest.
Die Vertreter vom GBA sowie von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, der AOK und dem Verband der Ersatzkassen (VDEK) halten das Konzept für geeignet, um Arzneimittelkosten zu dämpfen. Allerdings äußerten sie bei der Anhörung fast alle Kritik an der über ein Jahr langen Frist, bis der Preis endgültig steht. »Vorher haben die Hersteller weiterhin freie Hand – und könnten zur Kompensation späterer Einbußen eine noch offensivere Preisgestaltung vornehmen als bisher«, sagte VDEK-Chef Thomas Ballast. »Zudem entsteht derzeit der Eindruck, dass der Gesetzesentwurf gerade im Sinne der Pharmaindustrie nachgebessert wird.«
Dabei bezog er sich auf den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zum AMNOG, der den Einfluss des GBA beschneidet. Denn demnach soll nicht, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, der GBA geeignete Methoden zur Nutzenbewertung entwickeln, sondern das Bundesgesundheitsministerium per Rechtsverordnung. Zudem soll der Bundesausschuss Medikamente nur dann von der Verordnungsfähigkeit ausschließen können, wenn er deren »Unzweckmäßigkeit« bewiesen hat. Bislang stützt er sich dabei auf Nutzenbewertungen.
Der GBA-Vorsitzende, Dr. Rainer Hess, kritisierte die Verschiebung als unwissenschaftlich und nicht leistbar und betonte: »Wir müssen am Prinzip der Nutzenbewertung festhalten, und zwar über die gesamte Patentlaufzeit hinweg.« Die im AMNOG-Entwurf vorgesehene Schnellbewertung sei nur eine »Nutzenprognose«, die regelmäßig unter Einbezug neuer Erkenntnisse aus Patientendaten überprüft werden müsse. »Wir dürfen doch den Präparaten nicht über die gesamte Patentlaufzeit hinweg einen Freibrief ausstellen.«
Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, wollte die Vorwürfe nicht gelten lassen. Er lieferte sich einen heftigen Schlagabtausch mit Hess und verließ letztlich sogar den Saal. Das dürfte bis zur endgültigen Verabschiedung des AMNOG im Dezember nicht die letzte hitzige Debatte gewesen sein. /