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Arzneimittelmarkt

Wettbewerb um Qualität statt um Preise

29.09.2008  15:55 Uhr

Arzneimittelmarkt

<typohead type="3">Wettbewerb um Qualität statt um Preise

Von Uta Grossmann, Berlin

 

Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) hat ein Modell zur Bestimmung eines adäquaten Erstattungspreises für Generika vorgestellt. Es soll Preisbildungsinstrumente wie die Rabattverträge überflüssig und den Nutzen zum Maßstab machen.

 

Das Modell haben die Professoren Dr. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen und Dr. Stefan Greß von der Hochschule Fulda entwickelt. Ausgangspunkt für den Forschungsauftrag des BAH war der aggressive Preiswettbewerb im Generikamarkt, der durch die scharf gestellten Rabattverträge im April 2007 ausgelöst worden war. In der Folge gewannen zunächst kleine Hersteller Marktanteile, weil die Großen der Branche die erste Runde der Rabattverträge boykottiert hatten. Als sie einstiegen, wandelte sich das Bild.

 

Rabattverträge zulasten der Kleinen

 

Inzwischen haben die zehn Top-Firmen 90 Prozent der Anteile am Rabattmarkt für sich gewonnen, wie BAH-Vorsitzender Hans-Georg Hoffmann in der Jahreshauptversammlung des Verbandes am vergangenen Mittwoch in Berlin sagte. Die Umsätze der zehn größten Hersteller im Rabattmarkt sind nach Angaben Hoffmanns im zweiten Quartal dieses Jahres um 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen, während die Umsätze der übrigen Hersteller in spiegelbildlicher Entwicklung um 20 Prozent zurückgingen. Mittelfristig befürchtet der BAH, dass sich Oligopole bilden, die mit ihrer Marktmacht die Arzneimittelpreise wieder nach oben treiben. Kleine und mittlere Pharmafirmen würden vom Markt verdrängt.

 

Das Preisbildungsmodell des BAH soll einem »ruinösen Preiswettbewerb«, wie ihn die Hersteller derzeit beklagen, keinen Raum lassen. Statt des Preises steht die Qualität im MIttelpunkt. »Kellertreppeneffekte«, also eine wiederholte Anpassung der Arzneimittelpreise nach unten, soll das Modell verhindern. Einen solchen doppelten Kellertreppeneffekt befürchtet der BAH durch das von den Apothekern entwickelte Zielpreismodell. Hoffmann: »Durch Zielpreise wird als Konsequenz der Festbetrag nach unten gezogen und führt damit zu einer immer weiteren Absenkung des relevanten Zielpreiskorridors.«

 

Die ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände propagiert das Zielpreismodell als Alternative zu den umstrittenen Rabattverträgen zwischen Herstellern und Krankenkassen, gegen die sich auch der BAH wendet. Im Zielpreismodell sind die Apothekerverbände Vertragspartner der Krankenkassen. Es wird ein Zielpreis pro Wirkstoffpackung festgelegt, der von den Krankenkassen erstattet wird. Die Apothekensoftware zeigt an, welche Medikamente verschiedener Hersteller zum Zielpreis oder billiger verkauft werden. Innerhalb des Zielpreiskorridors können die Apotheker das geeignetste Arzneimittel auswählen. Sie können auch, wenn es aus pharmazeutischen Gründen geboten ist, ein teureres Präparat abgeben, bekämen dann allerdings nur den niedrigeren Zielpreis erstattet.

 

Andere Instrumente werden obsolet

 

Das BAH-Modell beansprucht für sich, alle gegenwärtigen Preisbildungsinstrumente obsolet zu machen. Der Erstattungspreis der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) soll dem Nutzen des jeweiligen Präparats entsprechen und er soll die Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit der Solidargemeinschaft widerspiegeln. Angestrebt wird ein »gerechter Preis«. Der Nutzen eines Arzneimittels wird durch alle therapeutisch und ökonomisch relevanten Eigenschaften der Präparate bestimmt. Das Nutzenverhältnis der Präparate im Vergleich zu anderen Arzneimitteln bestimmt seinen relativen Preis.

 

Um das Modell nach und nach realisieren zu können, schlägt der BAH ein zwei- bis dreistufiges Bewertungsverfahren vor. Zunächst sollen einzelne Indikationsgruppen des GKV-Arzneimittelmarktes evaluiert und priorisiert werden. Im zweiten Schritt wird der gesamte Arzneimittelmarkt indikationsübergreifend bewertet. Als dritter Schritt wäre es denkbar, sektorenübergreifend sämtliche Leistungsbereiche der GKV auf ihren Nutzen hin zu bewerten und die Sektoren so vergleichbar zu machen.

 

Als Bewertungsinstrument stellt sich der BAH die Kosten-Nutzen-Bewertung vor, die derzeit entwickelt wird. Im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ist für neue Arzneimittel eine Kosten-Nutzen-Bewertung vorgesehen. Damit sollen die Kosten für innovative, patentgeschützte Arzneimittel begrenzt werden, deren Preise die Hersteller frei festlegen können. Künftig sollen neue Arzneimittel nur noch dann von der GKV erstattet werden, wenn ihr Zusatznutzen im Vergleich zu vorhandenen Medikamenten den hohen Preis rechtfertigt. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat eine Methode zur Kosten-Nutzen-Bewertung vorgeschlagen, die momentan kontrovers diskutiert wird. Ein solches Instrument zur Abwägung des Nutzens und der Kosten ist umstritten. Kritiker befürchten, dass Teile der Bevölkerung von pharmazeutischen Innovationen ausgeschlossen werden könnten.

 

Vorhandenes Budget wird umverteilt

 

Das BAH-Modell zum adäquaten GKV-Erstattungspreis im Generikamarkt lässt die Debatte um die Methodik einer Kosten-Nutzen-Bewertung beiseite - darum soll sich das IQWiG kümmern. Überhaupt erscheint der Vorschlag noch einigermaßen unfertig. Das Modell der Arzneimittelhersteller soll kostenneutral sein, zumindest in der Einführungsphase, um seine politischen Chancen nicht von vornherein zu minimieren. Das vorhandene Arzneimittelbudget von derzeit 26 Milliarden Euro wird lediglich unter Nutzengesichtspunkten umverteilt. Die tatsächlichen Preise werden also durch das vorhandene Geld bestimmt. Herauskommen soll ein »gerechter« Preis, der die Wertigkeit der Präparate widerspiegelt. Das Konkurrenzstreben der Hersteller würde sich vom Preiswettbewerb auf einen Wettkampf um die höchste Qualität verlagern. BAH-Vorsitzender Hoffmann wollte jedoch nicht als »Totengräber der freien Preisbildung« gelten. Schließlich gebe es bereits jetzt keine freie Preisgestaltung für die Industrie, sagte er in der Hauptversammlung mit Blick auf Regulierungsinstrumente wie Festbeträge oder die Rabattverträge.

 

Skepsis überwog

 

Bei Wolfgang Kaesbach, Leiter der Abteilung Arznei- und Hilfsmittel beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen, überwog die Skepsis gegenüber dem BAH-Modell. Insbesondere eine indikationsübergreifende Kosten-Nutzen-Bewertung sei extrem anspruchsvoll und kaum realisierbar, sagte Kaesbach.

 

Dr. Hans-Jürgen Seitz, Hauptgeschäfstführer der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, verstand den BAH-Vorschlag als Ansatz, im stark regulierten Arzneimittelmarkt mit einem Befreiungsschlag etwas ganz Neues schaffen zu wollen. Er begrüßte grundsätzlich die Überlegungen, dem Arzneimittel einen entsprechenden Stellenwert zu geben und etwas gegen das »Verramschen« von Arzneimitteln tun zu wollen. Dem theoretischen Modell müsse aber möglichst bald eine Plausibilitätsprüfung folgen, um zu klären, wie realistisch die Ideen des BAH sind, forderte Seitz.

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