Impfung für Afrika |
01.10.2007 17:18 Uhr |
<typohead type="3">Impfung für Afrika
Von Gudrun Heyn, Berlin
Für Menschen in Entwicklungsländern ist Malaria nach wie vor eine tödliche Erkrankung. Allein in Afrika sterben jedes Jahr 1,5 bsi 3 Millionen Patienten, vor allem Kinder, an den Folgen. Bald soll es jedoch für Kinder in Risikogebieten eine Impfung geben.
Dass einmal ein Impfstoff gegen Malaria entwickelt werden könnte, der die Marktreife erreicht, hielten viele Experten lange Jahre für unmöglich. Nun scheint dieses Ziel greifbar nahe. Durch die großzügige finanzielle Unterstützung der Bill-&-Melinda-Gates-Foundation werden derzeit allein im Rahmen der PATH Malaria Vaccine Initiative (MVI) weltweit zehn Studien zu Malaria-Impfstoffen durchgeführt. Außerdem gibt es Geld für die Herstellung und für die Entwicklung von Vertriebsstrategien. Teils die gleichen und ähnliche Projekte unterstützt die Europäische Kommission mit der European Malaria Vaccine Initiative (EMVI).
Schon die Vielfalt der bisher ermittelten Angriffspunkte für eine mögliche Vakzine zeigt, wie kompliziert die Entwicklung eines Malaria-Impfstoffs ist. So wurden allein in den EMVI-Projekten 16 verschiedene Malaria-Antigene entdeckt. Daraus sind 13 verschiedene Formulierungen für Malaria-Impfstoffe entstanden, die derzeit pharmakologisch oder bereits in Studien getestet werden.
Bei der Impfstoffentwicklung mussten sich die Forscher zunächst mit dem komplexen Lebenszyklus des Malaria-Erregers auseinandersetzen. Die Protozoen der Gattung Plasmodium werden durch die Anopheles-Mücke übertragen. Gefährlich für den Menschen sind nur wenige Erreger-Arten. So verursacht Plasmodium falciparum die Malaria tropica, Plasmodium vivax und ovale die Malaria tertiana und Plasmodium malariae die Malaria quartana. Für sie ist der Mensch, neben der Stechmücke, der einzige Wirt.
Komplizierter Lebenszyklus
Um zu überleben, nehmen die einzelligen Parasiten im Lauf ihres Lebens zahlreiche Gestalten an, wobei sie je nach Entwicklungsstadium unterschiedliche Oberflächenantigene präsentieren und verschiedene Tarnmechanismen einsetzen. Mit dem Speichel infizierter Mücken gelangen die Plasmodien in Form sogenannter Sporozoiten in den menschlichen Blutstrom. Innerhalb weniger Minuten erreichen sie die Leber, in deren Parenchymzellen sie ihren ersten vegetativen Vermehrungszyklus durchlaufen. Dabei reifen die Sporozoiten in maximal 15 Tagen zum nächsten Parasitenstadium, den Leber-Schizonten heran, die dann in viele tausend sogenannter Merozoiten zerfallen.
Bei Malaria-tertiana-Erregern kann es aber auch vorkommen, dass die Plasmodien in den Leberzellen als einkernige Hypnozoiten in ein Ruhestadium eintreten. Mehr als zwei Jahre können vergehen, bis sie ebenfalls zu Schizonten heranreifen und Merozoiten freisetzen. So kommt es zu den typischen Spätrezidiven.
Die freigesetzten Merozoiten befallen dann die roten Blutzellen. Mithilfe ihrer Spezialwerkzeuge dringen sie sekundenschnell durch die Erythrozytenmembran und beginnen dort wieder zu wachsen und sich zu vermehren. In jedem Erythrozyten entsteht so über das Zwischenstadium der sogenannten Ringform (Trophozoit) ein neuer Schizont, der sich wiederum in viele Merozoiten teilt, bis die Blutzelle platzt. Die freigesetzten Merozoiten können nun ihrerseits wieder andere rote Blutkörperchen befallen. Außerdem lösen sie bei den Betroffenen die Zytokin-vermittelten charakteristischen Fieberschübe aus. Dabei ist bei manchen Malariaarten ein charakteristischer Rhythmus der Fieberanfälle zu beobachten, was auf der unterschiedlich langen Vermehrungsdauer der einzelnen Plasmodienarten beruht.
Ein Teil der Merozoiten in den roten Blutzellen wächst nicht zu Schizonten heran, sondern differenziert zu geschlechtlichen Zellen, den männlichen Mikrogametozyten und den weiblichen Makrogametozyten. Bei der nächsten Blutmahlzeit einer Anopheles-Mücke gelangen diese in deren Magen, wandeln sich in Gameten und vereinigen sich dort zu beweglichen Zygoten. Über mehrere Zwischenschritte entstehen daraus im Darmepithel der Mücke wieder neue Sporozoiten und der Kreislauf beginnt aufs Neue.
Immer noch erkranken jedes Jahr mehr als 500 Millionen Menschen an Malaria. Besonders betroffen ist die Zone südlich der Sahara in Afrika. Dort treten bis zu 90 Prozent der weltweiten Malariafälle auf, denn im Gegensatz zu Südamerika und Asien hatten die großflächigen Insektenvernichtungsmaßnahmen in den 1960er-Jahren dort kaum Erfolg. Am anfälligsten sind Schwangere während der ersten Schwangerschaft und Kinder unter fünf Jahren. Auf dem Kontinent stirbt daher alle zwanzig Sekunden ein Kind an Malaria.
Viele Ziele
Bei der Entwicklung eines Malaria-Impfstoffs steht Plasmodium falciparum, der gefährlichste der vier Malaria-Erreger, im Vordergrund. Derzeit werden drei Angriffsziele verfolgt. Die Leberstadium-Vakzinen (pre-erythrocytic vaccines) zielen darauf ab, vor allem die T-Zell-Antwort gegen die frisch eingedrungenen Sporozoiten vor und während der vegetativen Vermehrung in der Leber zu verstärken. Die Blutstadium-Impfstoffe (erythrocytic vaccines) sollen eine Immunantwort stimulieren, die verhindert, dass sich die Merozoiten in den roten Blutzellen vermehren. Und die Übertragungsweg-blockierenden Impfstoffe (transmission blocking vaccines) richten sich gegen die Vermehrung der Parasiten in der Mücke durch Impfung von Menschen. Die geimpfte Person erhält dabei keinen Schutz, sondern dient vielmehr dazu, mit ihrer Immunantwort die Bildung infektiöser Sporozoiten zu verhindern und so die Übertragungskette zu durchbrechen.
Der bisher am weitesten fortgeschrittene Impfstoff-Kandidat trägt den Namen RTS,S/AS02A. Dabei handelt es sich um ein rekombinantes Oberflächenprotein der Sporozoiten (Circumsporozoitprotein), verbunden mit einem Hepatitis-B-Antigen. Das Adjuvans-System AS02A dient dazu, die Immunantwort zu verbessern. Ziel der Vakzine ist das prä-erythrozytäre Stadium der Erreger, bevor in der Leber Merozoiten entstehen können. »In einem Joint Venture mit MVI konnte inzwischen die größte Malaria-Impfstudie erfolgreich abgeschlossen werden, die je in Afrika durchgeführt wurde«, sagte Dr. Jens Vollmar von GlaxoSmithKline gegenüber der PZ.
An der Phase-2-Studie in Mosambik waren mehr als 2000 Kinder zwischen einem und vier Jahren beteiligt. In der Ve-rumgruppe traten 30 Prozent weniger Malaria-Erkrankungen auf und bei 58 Prozent der Kinder konnte eine schwere Malaria verhindert werden. Auch nach einem Follow-up-Zeitraum von 18 Monaten war die Impfung noch wirksam. Die Prävalenz einer klinischen Malaria war 35 Prozent geringer als in der Kontrollgruppe, die für schwere Malaria lag 49 Prozent niedriger. »Für Afrika sind dies sehr gute Ergebnisse«, sagte Vollmar, denn bei Kindern mit einer Erstinfektion treten die meisten schweren Verläufe mit tödlichem Ausgang auf. Zudem erwies sich die Vakzine als sicher und gut verträglich. Derzeit wird die Phase-3-Studie mit mehr als 15.000 Teilnehmern vorbereitet. Wenn dies gut geht, könnte in einigen Jahren der erste Malaria-Impfstoff auf den Markt kommen.
»Im Gegensatz dazu konzentriert sich der größte Teil aller derzeit durchgeführten Studien auf die Herstellung und Testung von Blutstadium-Antigenen, um in den Erythrozyten die Vermehrung von Merozoiten zu verhindern«, sagte Professor Dr. Jürgen Knobloch vom Institut für Tropenmedizin der Universität Tübingen auf der 100. Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit in Berlin. Dabei fokussiert man auf Epitope, also den antigenen Orten auf einer Moleküloberfläche, die in der Lage sind die Expression von spezifischem Interferon-Gamma, Tumornekrosefaktoren und Zytokinen heraufzuregulieren. So auch am Tropeninstitut in Tübingen, wo gerade die Phase 1a einer Studie mit der Epitopkombination GLURP (glutamine rich protein) und MSP-3 (merozoite surface protein-3) erfolgreich abgeschlossen werden konnte. In Gabun zeigten sich in einer Phase-1b-Studie mit der gleichen Kombination bei den geimpften Kindern keine wesentlichen unerwünschten Wirkungen, sodass gute Chancen bestehen, dass die Phase 2 erreicht wird.
Demgegenüber wird der Übertragungsweg-blockierende Ansatz bisher nur in einer Studie verfolgt. Außerdem gibt es Bestrebungen, das klassische Modell der Impfung mit bestrahlten Sporozoiten marktfähig zu machen. Dass die abgeschwächten Sporozoiten einen wirksamen Impfschutz vermitteln können, wurde bereits 1941 bei der Vogelmalaria und 1973 am Menschen gezeigt. Bei der Herstellung der Vakzine gibt es jedoch noch wesentliche technische Probleme zu lösen, so etwa die Schwierigkeit, wie die gleich bleibende Qualität des Impfstoffs garantiert werden kann.