Sich den Herausforderungen stellen |
02.10.2007 12:02 Uhr |
<typohead type="3">Sich den Herausforderungen stellen
Auch der Schwerpunkt im Bericht des Hauptgeschäftsführers der ABDA, Dr. Hans-Jürgen Seitz, lag bei den Rabattverträgen. Aber auch Versandhandel, Fremd- und Mehrbesitz ließ er nicht aus. Insgesamt wertete Seitz den Berichtszeitraum als einen der Höhepunkte einer an Turbulenzen nicht armen Geschichte der Apotheker und der ABDA.
Das deutsche Gesundheitswesen sei nach Überzeugung von Seitz noch immer eines der besten der Welt. Die Frage sei nur: Wie lange noch? Jahrelange Kostendämpfungspolitik habe bei der Patientenzufriedenheit Spuren hinterlassen. Trotz der Forderung des Sachverständigenrates nach stärkeren Orientierung an Gesundheitszielen, gehe die Serie hochfrequenter, kostendämpfender Gesundheitsreformen unbeeindruckt weiter. Für die ABDA bedeutet diese Tatsache intensivste Arbeit an nahezu allen Fronten. Man habe die Gesetzesvorhaben intensiv und hörbar begleitet, insbesondere das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG). Als Höhepunkt nannte Seitz die vier regionalen Demonstrationen mit über 40.000 Teilnehmern in Leipzig, München, Düsseldorf und Hamburg. Sie seien ein unüberhörbares Signal an die Politik gewesen. Man habe nicht alles aufhalten können, aber man habe einiges erreicht, wie den Erhalt der einheitlichen Apothekenvergütung für rezeptpflichtige Arzneimittel sowie die Verhinderung der Haftung für Einsparungen in Höhe von 500 Millionen Euro. Außerdem habe sich die Politik zur inhabergeführten, heilberuflich ausgerichteten Apotheke bekannt.
Trotz der Reformgesetze bleibe »Einnahmeerosion statt Kostenexplosion« das Hauptproblem der gesetzlichen Krankenkassen. Politisch sei allerdings die Finanzierungsfrage in die nächste Legislaturperiode verschoben worden. Mit der Mehrwertsteuererhöhung und dem GKV-WSG habe man das Finanzproblem sogar verschärft. Rund die Hälfte der Ausgabensteigerung im Arzneimittelsektor von 5,2 Prozent im ersten Halbjahr 2007 sei auf die Mehrwertsteuererhöhung zurückzuführen. Das Apotheken-Entgelt sei dagegen in den letzten vier Jahren um fast 5 Prozent zurückgegangen. Die Apotheken haben also, so Seitz, keinen Anteil an den Ausgabensteigerungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit der Erhöhung des Apothekenzwangsrabattes von 2,00 auf 2,30 Euro wurden sie vielmehr zusätzlich mit rund 160 Millionen Euro pro Jahr belastet.
Inzwischen haben die Apotheken einen Anteil von nur 2,7 Prozent an den GKV-Leistungsausgaben. Das sei weniger als die Hälfte der Verwaltungsausgaben der GKV.
Wie bereits der ABDA-Präsident in seinem Lagebericht beklagte auch Seitz, dass die Hauptlast der Umsetzung der Rabattverträge von den Apotheken übernommen werden musste. Lieferdefekt, höherer Bürokratieaufwand sowie Mehrkosten infolge aufwändigerer Lagerhaltung und komplexerer Datenaufbereitung, sowie Ärger mit den Patienten seien die Folgen gewesen. Das Wettrennen um »centoptimierte Niedrigstpreise« mit dauerndem Präparatewechsel könne nicht im Interesse der Patienten sein. Für die nächsten Rabattverträge mahnte der Hauptgeschäftsführer eine flexiblere Lösung an, zum Beispiel durch eine Quotenregelung oder Zielpreisvereinbarungen. Retaxationsandrohungen seien fehl am Platz. Eigentlich müssten nach Seitz die Kassen Aufwandsentschädigungen an die Apotheken zahlen.
Versandhandel
Fast vier Jahre nach Zulassung habe der Versandhandel in der GKV-Versorgung einen Marktanteil von weniger als einem Prozent. Er sei damit klar entzaubert worden, trotz einer massiven medialen Unterstützung. Er sei ein Nischenversorgungsmodell mit Fokus auf »Rosinenpickerei«. Das hätten offensichtlich auch die Versandhändler erkannt. Mit neuen Strategien, wie Bestell- und Abholstationen in Drogeriemärkten oder Franchise-Modellen versuchen sie nun, ihren Marktanteil zu steigern. Inzwischen habe der Europarat eine Resolution über Kriterien für einen sicheren Versandhandel beschlossen und will damit seinen Kampf gegen illegale Arzneimitteldistribution verschärfen. Seitz forderte die Politik auf, verschreibungspflichtige Arzneimittel vom Versandhandel wieder auszuschließen.
Fremd- und Mehrbesitz
Natürlich wurde von Seitz auch die nach deutschem Recht illegale Betriebserlaubnis für eine Filiale einer holländischen Versandhändlers in Saarbrücken angesprochen, die auf richterlichem Spruch vorläufig geschlossen und dann vorläufig wieder geöffnet wurde, bis im Hauptsacheverfahren eine Entscheidung gefallen ist.
Mit dem GMG, AVWG und auch mit dem GKV-WSG habe sich der deutsche Gesetzgeber eindrucksvoll für die inhabergeführte, heilberuflich ausgerichtete Apotheke bekannt. Experten würden den Apotheken im anstehenden EuGH-Entscheid eher gute Karten prognostizieren. Abgesehen davon würde sich die Versorgungssituation in Deutschland durch die Einführung von Mehr- und Fremdbesitz sicher nicht verbessern. Die ABDA werde sich deshalb weiterhin für den Erhalt des jetzigen Systems vehement einsetzen. Die Bundesregierung sei auf der Seite der Apotheker, was sich auch in den Gegenpositionen zum Hauptgutachten der deutschen Monopolkommission widerspiegele.
Als Erfolg könne auch verbucht werden, dass die EU-Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt nicht auf die Gesundheitsdienstleistungen ausgedehnt wurde. Damit sei eine zentrale Forderung der Apothekerschaft berücksichtigt worden.
Ausblick
Seitz geht davon aus, dass auch weiterhin große Herausforderungen auf die niedergelassenen Apotheken zukommen werden. Diesen müsse man sich stellen. In der anstehenden Novellierung der Apothekenbetriebsordnung sei die Chance gegeben, den Apothekerberuf weiter heilberuflich zu prägen. Beratungsleistung und -qualität müssen dabei Kernleistung und Kernkompetenz einer Apotheke bleiben.