Rabattverträge an den Bedürfnissen der Versicherten orientieren |
02.10.2007 12:02 Uhr |
<typohead type="3">Rabattverträge an den Bedürfnissen der Versicherten orientieren
Die Expopharm brummte: 471 Aussteller belegten 22 600 Quadratmeter Fläche. Insgesamt kamen fast 26.000 Besucher zur Messe. Doch die Eröffnungsrede des DAV-Vorsitzenden Hermann S. Keller war weit von einer Jubelarie entfernt. Schuld daran hat die Politik, denn das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) belastet die Apotheker erheblich.
Zum einen hat die zum 1. April in Kraft getretene Gesundheitsreform die Apotheken wieder ein Stück weniger profitabel gemacht. Im Schnitt koste die Erhöhung des GKV-Rabattes rund 7500 Euro pro Apotheke und Jahr, sagte der Keller. Für die gesamte Branche sind es 160 Millionen Euro.
Zum anderen bereitet die Umsetzung der Rabattverträge den Apotheken Schwierigkeiten. Nach mittlerweile fünf Monaten seien die Lieferprobleme immer noch nicht behoben. Leidtragende, so Keller, seien in erster Linie die Patienten, die kaum noch angemessen mit den benötigten Arzneimitteln versorgt werden können. Für die Apotheken bedeutet dies gleichzeitig einen erhöhten Aufwand bei der Beschaffung der Arzneimittel und bei der Beratung der Patienten. Mit Blick auf die für Januar 2008 anstehende zweite Rabattrunde der Ortskrankenkassen forderte der DAV-Vorsitzende deshalb von den Kassen, »dass sich die Verträge in Zukunft weitaus stärker an den Bedürfnissen der Patienten und der Umsetzbarkeit der Verträge orientieren müssen«. Die Hersteller müssten vollständig lieferfähig sein und alle Beteiligten rechtzeitig informieren. Außerdem sollte es den Patienten ermöglicht werden, gegen Aufzahlung das gewohnte Arzneimittel zu erhalten.
Zudem müsste den Apothekern der Mehraufwand endlich vergütet werden, sagte Keller. Tatsächlich haben die Rabatt-arzneimittel mittlerweile einen erheblichen Marktanteil: Zum 1. September waren mehr als 20.000 Arzneimittel von Rabattverträgen erfasst, immerhin 18 Prozent des Gesamtmarktes. In der Apotheken-EDV macht dies mehr als 10 Millionen Datensätze aus. Die Kosten dafür sollen die Apotheker übernehmen. Für Keller ist dies indiskutabel: »Das ist nicht länger zumutbar. Hierüber muss mit den Kassen gesprochen werden.«
Ein weiterer Kritikpunkt der Apotheker an den Rabattverträgen ist die mangelnde Transparenz. Die Vereinbarungen zwischen Herstellern und Kassen sind geheim. Wieviel die Kassen tatsächlich sparen, ist deshalb unbekannt. Die tatsächlichen GKV-Arzneimittelausgaben können nicht mehr zuverlässig ermittelt werden.
Das relativiert natürlich auch die im ersten Halbjahr 2007 gestiegenen Arzneimittelausgaben. Das angebliche Plus von 5,2 Prozent liegt ohne die Mehrwertsteuererhöhung nur bei 2,6 Prozent. Davon müssten dann noch die Rabatte abgezogen werden. Darüber gibt es aber eben keine validen Zahlen. Keller: »Hält jetzt die Geheimdiplomatie Einzug in das Gesundheitswesen?«
Ein weiteres Ärgernis im Zusammenhang mit den Rabattverträgen ist die mangelnde Vertragstreue der Kassen. Diese ignorieren laut Keller die im Rahmenvertrag nach §129 SGBV bereits geregelte Abgabe von Rabattarzneimitteln und retaxieren Apotheker, die sich exakt an den Rahmenvertrag hielten. Keller: »Das ist nicht nur rechtlich eine Farce.«
Trotz aller Kritik ließ der DAV-Vorsitzende aber auch keinen Zweifel daran, dass die Apotheker grundsätzlich Rabattverträge für sinnvoll halten. Das belege auch das kooperative Verhalten der Apotheker, denen es die Kassen zu verdanken hätten, dass ihre Versicherten den Kassen treu geblieben seien.
Der DAV-Chef hat klare Botschaften an die Krankenkassen und die neuen Rabattverträge: »Wir fordern eine Abgabegebühr und Kostenersatz für EDV-Leistungen; eine Quotenregelung, wie bei Importen, zum Beispiel bei Akutarzneimitteln; pro Wirkstoff mindestens drei Arzneimittel von potenten Herstellern und indikationsgesicherte Auswahlmöglichkeiten.« Darüber hinaus sollten landesspezifische Zielpreisvereinbarungen als Alternative intensiv geprüft werden.
Neben dem GKV-WSG war die Diskussion um das Fremdbesitzverbot das zweite große Thema in Kellers Rede. Der DAV-Chef machte deutlich, dass es zur inhabergeführten Apotheke keine Alternative gebe. Überlasse man großen Konzernen die Arzneimittelversorgung, sei die Unabhängigkeit der Beratung ebenso gefährdet wie die Qualität der Versorgung.
Keller hält es keineswegs für ausgemacht, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) das deutsche Fremdbesitzverbot kippt. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten erlauben keinen Fremdbesitz, lediglich 10 Prozent der EU-Apotheken gehören Ketten und die Bundesrepublik hat sich in ihrer Stellungnahme an den EuGH klar zum deutschen Apothekensystem bekannt, die österreichische Regierung hat eine ebenso deutliche Meinung vor dem Luxemburger Gericht vertreten.
Neben dem Fremdbesitz ist aber auch der bereits erlaubte Versandhandel mit Arzneimitteln ein Problem für die Arzneimittelversorgung. Nicht wegen seiner Marktbedeutung - mit einem Marktanteil von rund einem Prozent bleibt der Versand eine vernachlässigbare Größe. Er fungiert allerdings als Türöffner. So hat der Versandhandel die auch von der Politik kritisierte Kooperation von Europa-Apotheek und dm-Drogeriemärkten. Auch Keller hält diese Art der Arzneimittelabgabe für gefährlich: »Bei dieser Entwicklung wird das hohe Gut Arzneimittel, das eben nicht nur heilen, sondern auch erheblich schaden kann, durch seine Verfügbarkeit im Einzelhandel zunehmend wie Äpfel oder Birnen behandelt.« Arzneimittelmehrverbrauch und Risiken bei unsachgemäßer Anwendung ohne vorhergehende Beratung seien mögliche Folgen.
Der DAV-Vorsitzende begrüßt deshalb die Initiative des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministers Karl-Josef Laumann (CDU). Der will sich im Bundesrat für ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln einsetzen. Bundesrat und Bundestag sollten Laumann folgen: »Will die Politik eine Beliebigkeit von Arzneimittelabgabestellen verhindern, muss der Gesetzgeber eingreifen (...). Wer Fehler gemacht hat, muss auch den Mut haben, sie zu korrigieren.«
Nur die unverbesserlichen Optimisten der AOK bezweifeln noch, dass die ersten Rabattverträge ein Flop waren. Die Versicherten konnten nicht mehr angemessen versorgt werden, die Apotheken mussten bis zur Belastungsgrenze nach noch lieferbaren Medikamenten recherchieren, die Patienten warteten dennoch häufig auf ihre Arzneimittel.
Natürlich sind bei neuen komplexen Verträgen Fehler immer möglich, manchmal sogar unvermeidbar. Für die Ortskrankenkassen gilt dies jedoch nicht. Die ersten fünf Monate waren die Chronik einer angekündigten Katastrophe. Schon vor dem 1. April warnten viele Experten vor massiven Lieferschwierigkeiten. Die AOK ignorierte dies und startete dennoch mit einer Allianz der Namenlosen ein hoffnungsloses Projekt.
Der Ärger der Apotheker ist deshalb gut nachvollziehbar. Die Chaos-Tage in der Apotheke wären vermeidbar gewesen. Das war der AOK jedoch weniger wichtig als der Einstieg in eine neue Vertragsform.
Daniel Rücker
Stellvertretender Chefredakteur