358 Kandidaten für die Zulassung |
01.10.2007 17:18 Uhr |
<typohead type="3">358 Kandidaten für die Zulassung
Von Bettina Sauer, Berlin
Bis Ende des Jahres 2011 könnten 358 neue Medikamente die Zulassung erhalten. Zu diesem Ergebnis kam eine Umfrage des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) unter seinen 45 Mitgliedsfirmen.
Der VFA-Vorsitzende Dr. Dr. Andreas Barner gab am Montag in Berlin seine aktuelle Prognose ab. Er stützte sich dabei auf die Umfrage »Perspektive 2011«, die der VFA im August bei seinen 45 Mitgliedsfirmen durchgeführt hat.
Den Ergebnissen zufolge „können die forschenden Pharmaunternehmen bis Ende 2011 die Zulassung für 358 neue Medikamente oder Arzneimittel in neuen Anwendungsgebieten erhalten«, sagte Barner. Fast alle hätten sich Ende August in klinischen Studien der Phase zwei und drei oder sogar bereits in der Begutachtung für eine europäische Zulassung befunden.
Zögerlicher Arzneimittelfortschritt
Insgesamt könnten damit schon bald für mehr als 100 Erkrankungen neue therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung stehen - was aber nicht bedeutet, dass sie auch wirklich ausgeschöpft werden. »Der Arzneimittelfortschritt wird in Deutschland eher zögerlich weitergegeben«, sagte die Hauptgeschäftsführerin des VFA, Cornelia Yzer. So machten Medikamente, die in den fünf Jahren zuvor eingeführt wurden, 2005 in Deutschland einen Marktanteil von 6,3 Prozent aus. Das belegen Daten des VFA und der Vertretung pharmazeutischer Unternehmen in Europa, der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations. In Großbritannien betrug der Marktanteil neu zugelassener Medikamente dagegen 14,6 Prozent, in Frankreich 14,9, beim Listenführer Schweden gar 20,9 Prozent. »In Deutschland wird also fast jede Behandlung mit älteren Präparaten durchgeführt«, sagte Yzer.
Sie begründete dies zum einen mit der Vielzahl gesetzlicher Reglementierungen, die den Arzt in seiner Therapiefreiheit einschränkten. Zum anderen beobachte sie im deutschen Gesundheitswesen ein Klima, das »weniger von Innovationsfreundlichkeit geprägt ist als vielmehr von Risikodebatten«. Dennoch ähneln die Angaben über das Ausmaß der Investitionen der VFA-Mitgliedsunternehmen in Forschung und Entwicklung jenen der Umfrage von 2005. »Gegenüber damals haben die Krebstherapien sieben Prozentpunkte dazu gewonnen«, sagte Barner. »Mit einem Anteil von 26 Prozent bilden sie eindeutig das dominierende Feld.«
Auch die meisten anderen Segmente erfassten schwere und lebensbedrohliche Erkrankungen. Der Anteil von Forschungsprojekten zu Herz-Kreislauf-Krankheiten (18 Prozent), Infektionen (15 Prozent), entzündlichen Erkrankungen (8 Prozent) und Diabetes Typ 2 sei gegenüber 2005 auf hohem Niveau nahezu unverändert geblieben. Auch bei den »Orphan Drugs« setze sich der Trend der vorangegangenen Erhebung fort. Bis 2011 könnten 40 Medikamente gegen seltene Erkrankungen, die weniger als fünf von 10.000 EU-Bürgern betreffen, zugelassen werden. Zehn weitere Kandidaten, überwiegend Impfstoffe, richten sich gegen Krankheiten, die besonders in Entwicklungsländern auftreten.
Bald Impfungen gegen Krebs?
Barner zufolge beträgt der Anteil chemisch vollkommen neuartiger Wirkstoffe 77 Prozent (gegenüber 70 Prozent bei der Umfrage 2005). Neue Darreichungsformen machen 17 Prozent aus (gegenüber 14 Prozent 2005). In den nächsten Jahren sei sogar mit der Einführung eines neuartigen Wirkprinzips zu rechnen: therapeutische Impfungen gegen Krebs. »Dabei wird das Immunsystem des Patienten durch einen Impfstoff gewissermaßen auf verräterische Merkmale der Krebszellen hingewiesen und so in die Tumorabwehr einbezogen«, erläuterte Barner. Diese Therapieform könne zuerst bei Lungenkrebs, Gebärmutterhalskrebs und schwarzem Hautkrebs zum Einsatz kommen.
Außerdem habe die Umfrage die enorme Bedeutung des Forschungsstandorts Deutschland herausgestellt. »Es wird zwar immer schwieriger, den deutschen Anteil bei der Entwicklung neuer Arzneimittel zu quantifizieren. Denn oft wirken Labors in mehreren Ländern an einem Präparat mit. Ich kann aber berichten, dass 18 unserer Mitgliedsunternehmen hierzulande Labors für die Arzneiforschung betreiben.« Und bei der klinischen Entwicklung der neuen Präparate spiele Deutschland sogar eine zentrale Rolle.
Die Umfrage hat ergeben, dass bei 86 Prozent aller enthaltenen Forschungsprojekte deutsche Kliniken und Arztpraxen beteiligt sind. »Das ist nicht selbstverständlich«, sagte Barner. In anderen Ländern Europas würden immer weniger klinische Studien durchgeführt. »Die deutschen Kliniken und Entwicklungsabteilungen haben sich den Ruf erarbeitet, dass ihre Daten besonders zuverlässig sind.«