Unter die Haut statt in die Vene |
24.09.2013 17:08 Uhr |
Von Christiane Berg, Hamburg / Seit Ende August ist der Antikörper Trastuzumab (Herceptin®) zur Behandlung des HER2-positiven Mammakarzinoms auch in subkutaner Formulierung zugelassen. Von der einfacheren Applikation profitieren nicht nur die Patientinnen, sondern auch Ärzte und Pflegekräfte.
»Die Weiterentwicklung macht die Therapie menschlicher und ist somit ein großer Gewinn für betroffene Frauen«, sagte Professor Dr. Christian Jackisch, Chefarzt an der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe vom Klinikum Offenbach, auf einem Pressegespräch von Roche. Der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe betonte, dass die Erschwernisse der zumeist 90-minütigen intravenösen Applikation wie die Notwendigkeit eines Ports mit Gefahr der Infektion und Verstopfung sowie regelmäßigen Traumen durch die Venenpunktion, gemindert werden.
Die neue Applikationsform, in der 600 mg Trastuzumab in 5 ml Trägerlösung vorliegen, steht als gebrauchsfertiges Einweggerät zur Injektion in Bauch- oder Oberschenkelgewebe zur Verfügung. Ermöglicht wird dies durch die Verwendung rekombinanter humaner Hyaluronidase (rHuPH20) als Trägerstoff und Enzym, das temporär und lokal Hyaluronsäure als strukturgebenden Baustein des subkutanen Hautgewebes abbaut. »Bei Injektion öffnet sich kurz das Gewebe und schließt sich danach wieder«, so der Referent. In weniger als fünf Minuten könnten die notwendigen Trastuzumab-Volumina verabreicht werden. Das Unterhautgewebe regeneriere sich innerhalb von 24 Stunden.
Wirksamkeit und Sicherheit vergleichbar
Jackisch verwies auf die randomisierte, offene Phase-III-Zulassungsstudie HannaH, die die Äqui-Effizienz der subkutanen Verabreichung von (neo-)adjuvantem Trastuzumab bei Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom im Frühstadium belegt. Eingeschlossen waren 596 Patientinnen mit operablem oder lokal fortgeschrittenem Tumor. Sie erhielten über zwölf Monate alle drei Wochen (18 Zyklen) in der neoadjuvanten Therapiegruppe in Kombination mit Zytostatika (Docetaxel, Fluorouracil, Epirubicin, Cyclophosphamid; acht Zyklen) und postoperativ in Monotherapie (zehn Zyklen) zum einen Trastuzumab subkutan in einer vom Körpergewicht unabhängigen Fixdosis (600 mg), zum anderen Trastuzumab intravenös in der Standarddosierung 8 mg/kg initial gefolgt von 6 mg/kg Erhaltungsdosis. Primäre Studienendpunkte waren unter anderem die Pharmakokinetik gemäß Wirkstoffkonzentration im Blut vor der Operation sowie die Komplettremissionsrate zum Zeitpunkt der Operation nach dem achten Zyklus. Sekundäre Endpunkte erfassten die generelle Ansprechrate sowie das Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil im Vergleich zur intravenösen Gabe.
Unter Trastuzumab subkutan, so Jackisch, war die präoperativ gemessene Wirkstoffkonzentration im Blut so hoch wie unter der intravenösen Standardtherapie (69,0 µg/ml versus 51,8 µg/ml). Die Komplettremissionsrate zum Zeitpunkt der Operation habe unter subkutaner Applikation bei 45,4, im Kontrollarm bei 40,7 Prozent gelegen. Eine Subgruppen-Analyse habe eine vergleichbare Wirksamkeit unabhängig vom Körpergewicht gezeigt. Die Gesamtansprechrate sei unter beiden Formulierungen auf gleichem Niveau (subkutan: 87,2 Prozent, intravenös: 88,8 Prozent) gewesen. Auch die Rate an unerwünschten Ereignissen wie (febrile) Neutropenie, Leukopenie und Diarrhö sei in beiden Therapiearmen nahezu identisch gewesen (subkutan 51,9 Prozent versus intravenös 52 Prozent).
»Der positive HER2-Status galt lange Zeit als äußerst negativer prognostischer Faktor. Die Zulassung von Trastuzumab zur Behandlung des HER2-positiven metastasierten Brustkrebs (MBC) vor einem Jahrzehnt, also 1998 in den USA und 2000 in der Europäischen Union, hat eine neue Ära in der Therapie eingeleitet«, unterstrich Jackisch. So habe Trastuzumab als erstes Therapeutikum, das gezielt in die Biologie des Tumorgewebes eingreift, auch 2001 den PZ-Innovationspreis erhalten. Seit 2006 EU- und US-weit zudem zur Therapie von HER2-positivem »early breast cancer« (EBC) erhältlich, sei der monoklonale Antikörper zum Hoffnungsträger auch für Frauen mit Brustkrebs im Frühstadium geworden.
Selbstverabreichung in Sicht
Dr. Beyhan Ataseven, Essen, hob die Bedeutung der subkutanen Darreichungsform für die Lebensqualität betroffener Patientinnen hervor. Zeitersparnis, mehr Freiraum, weniger Schmerz, geringere psychische Belastung: Die im März 2013 auf der Internationalen Brustkrebs-Konferenz St. Gallen präsentierte randomisierte Crossover-Studie PrefHer mit 488 Brustkrebs-Patientinnen habe gezeigt, dass 91,5 Prozent die subkutane Anwendung präferieren.
Von der neuen Formulierung profitiere auch das medizinische Fachpersonal. 73,8 Prozent der befragten Ärzte und Pflegekräfte, so Ataseven, bevorzugten die subkutane Applikation. Die Referentin sprach von einem großen Fortschritt, der irgendwann auch die Trastuzumab-Selbstverabreichung ermöglichen könnte. /