Bahr will Versicherte befragen lassen |
27.09.2011 17:56 Uhr |
Von Stephanie Schersch / In die Diskussion um eine Neuregelung der Organspende kommt Bewegung. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will die Krankenkassen dazu verpflichten, ihre Versicherten künftig zur Spendebereitschaft zu befragen.
Der Gesundheitsminister hat einen entsprechenden Vorschlag für eine Änderung des Transplantationsgesetzes vorgelegt. Das bestätigte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf Nachfrage der Pharmazeutischen Zeitung (PZ). Den Plänen zufolge sollen die Krankenkassen alle Versicherten etwa bei der bevorstehenden Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte über die Organspende informieren und gleichzeitig zu einer Erklärung über die Spendebereitschaft auffordern.
»Wichtig ist, dass jeder einmal in seinem Leben mit dieser Frage konfrontiert wird«, sagte die Sprecherin. Die Versicherten können dabei einer Organspende zustimmen, sie ablehnen oder erklären, dass sie sich zunächst nicht entscheiden möchten. Die Antwort soll in einem Organspendeausweis dokumentiert werden. Auch die privaten Krankenversicherer sollen ihre Mitglieder zur Organspende befragen.
Nach Vorstellung des Ministeriums könnte die Aussage zur Spendebereitschaft auch auf der elektronischen Gesundheitskarte hinterlegt werden. »Das ist aber freiwillig«, betonte die Sprecherin. Der Vorteil dabei wäre, dass die Versicherten ihre Meinung theoretisch bei jedem Arztbesuch ändern könnten. Allerdings ist die Karte für eine solche Funktion derzeit noch nicht gerüstet.
Jährlich sterben 3000 Menschen
Beim Thema Organspende gilt in Deutschland heute die sogenannte Zustimmungslösung. Danach wird nur derjenige zum Organspender, der dies zuvor ausdrücklich in einem Organspendeausweis festgehalten hat. Gibt es kein entsprechendes Dokument müssen die Angehörigen über eine Organentnahme entscheiden. Laut Deutsche Stiftung Organtransplantation warten hierzulande rund 12 000 schwer kranke Menschen auf ein Spenderorgan. Jedes Jahr sterben rund 3000 Patienten, weil für sie nicht rechtzeitig ein passendes Organ gefunden werden kann. Daher wird diskutiert, wie man mehr Menschen für die Organspende gewinnen kann.
Für eine Entscheidungslösung wie der Minister sie nun ins Spiel bringt, sprach sich in der vergangenen Woche auch der Bundesrat aus. Dieser Weg biete »gute Voraussetzungen für eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz«, teilte die Länderkammer in einer Presseerklärung mit. Auch im Bundestag gibt es viele Befürworter einer solchen Lösung. Auf Initiative der Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD, Volker Kauder und Frank-Walter Steinmeier, arbeiten Abgeordnete verschiedener Parteien derzeit an einem fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf für eine Entscheidungslösung.
Jens Spahn (CDU), der an der Ausarbeitung beteiligt ist, äußerte sich grundsätzlich positiv zum Vorstoß des Ministers. »Uns liegt an einer möglichst breiten Unterstützung im Parlament. Deswegen ist es doch nur gut, wenn der Minister uns und unsere Position unterstützt«, sagte Spahn.
Neuregelung bereits 2012
Ihren Vorschlag wollten die Parlamentarier ursprünglich über einen Gruppenantrag in den Bundestag einbringen. Noch ist unklar, ob sie an diesem Plan festhalten wollen. Die Alternative dazu wäre, dass die Abgeordneten Bahrs Vorstoß folgen. Der Minister will seinen Vorschlag über einen Änderungsantrag an die laufende Neufassung des Transplantationsgesetzes einbringen. Damit könnte eine Neuregelung zur Organspende nach Angaben des BMG bereits im Frühjahr 2012 in Kraft treten.
Der Vorstoß des Gesundheitsministers kam für viele überraschend. Noch vor wenigen Wochen hatte Bahr sich vehement gegen eine Entscheidungslösung ausgesprochen. Das BMG sieht in der nun vorgeschlagenen Regelung keinen Meinungsumschwung des Ministers. Der Vorschlag bedeutet keinen Zwang zur Äußerung, sagte die Ministeriumssprecherin. Schließlich habe jeder Versicherte das Recht, sich nicht festzulegen.
Die Krankenkassen sind grundsätzlich bereit, die rund 70 Millionen gesetzlich Versicherten zur Organspende zu befragen, sollte es tatsächlich zu einer entsprechenden gesetzlichen Regelung kommen. Es sei plausibel, die Kassen mit dieser Aufgabe zu betrauen, sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz, gegenüber der PZ. »Wir kennen die Leute und haben Kontakt zu den Versicherten.« Personal und Know-how seien prinzipiell vorhanden. Damit könnten die Kassen die Versicherten auch über das Thema informieren und aufklären. Details hierzu müssten jedoch zuvor eindeutig geregelt werden, so Lanz. /