Ein Symptom, viele Ursachen |
22.09.2010 07:17 Uhr |
Die Information ist nicht neu, aber essenziell: Husten ist keine Krankheit, sondern das gemeinsame Symptom verschiedener Erkrankungen unterschiedlichster Genese. Hier die wichtigsten Hustenursachen, die für die Selbstmedikation relevant sind.
Mit Abstand die häufigste Ursache für akuten trockenen Husten ist eine Entzündung in den Atemwegen, im Falle eines grippalen Infekts vor allem durch Viren bedingt. Auch bei einer Pharyngitis und Laryngitis begleitet Husten die anderen Symptome. Besonders bei Letzterer hustet der Patient stark, denn die Kehlkopfhinterwand ist eine der Hauptreflexstellen für Reizhusten. Die Entzündung hinterlässt Spuren an der Schleimhaut; das Epithel wird abgeschilfert und permeabler. Hustenrezeptoren, Nervenendigungen der C-Fasern, werden freigelegt und damit leichter reizbar. Entzündungsmediatoren wie die Prostaglandine E2 und F2α, Leukotriene oder Bradykinin haben dann leichtes Spiel.
Die Grafik zeigt schematisch den Aufbau der Bronchialschleimhaut mit ihren verschiedenen Schleimschichten, Surfactant, den Becherzellen und einer peribronchialen Drüse.
Ähnlich verläuft eine akute Bronchitis, zwar ein eigenständiges Krankheitsbild, doch oft Teil des grippalen Infekts. Im Verlaufe der Erkrankung kann sich zusätzlich Schleim bilden, bevor sie nach maximal drei Wochen ausheilt. Eine mit der akuten Bronchitis einhergehende Atemobstruktion oder Überempfindlichkeit der Bronchien kann noch Wochen andauern.
Rasterelektronenmikroskopische Darstellungen: Aus dem Sekret des Oberflächenepithels und dem Sekret der bronchialen Drüsen entsteht auf der Schleimhaut eine aus unterschiedlich großen Plaques bestehende Schicht. Die gelartige Schleimschicht ordnet sich über den Zilien an.
In der Tat scheint die Empfindlichkeit der Rezeptoren bei akutem trockenen Husten nach der Infektion zuzunehmen. Dann lösen selbst Faktoren wie kalte Luft, nur leichte körperliche Anstrengung oder Autoabgase Husten aus. Diese Hyperreagibilität kann bis zu acht Wochen nach dem Infekt anhalten. Bei Kindern beeinflussen nasale Symptome die Reizschwelle der Hustenrezeptoren: Im Verlauf von Infekten der oberen Atemwege sinkt sie je nach Ausmaß der nasalen Beteiligung sehr stark.
Sekret an der Rachenhinterwand
Eher stiefmütterlich ist in Deutschland bislang der »Postnasal Drip« (PND) als Verursacher des trockenen Hustens behandelt worden. Das Herabfließen von Sekreten aus der Nasenhaupthöhle und den -nebenhöhlen an der Rachenhinterwand findet hierzulande praktisch keine Beachtung oder es wird lediglich als Husten auslösendes Symptom angesehen. In den USA dagegen gilt der PND als eine der wichtigsten Ursachen des akuten und chronischen Hustens. Dabei ist der Husten wahrscheinlich die Folge einer chemischen Reizung durch die im Schleim enthaltenen Entzündungsmediatoren; möglicherweise kommt es auch zu einer mechanischen Reizung.
Dass aller Wahrscheinlichkeit nach die Entzündung und nicht das herabfließende Sekret für den Husten verantwortlich zeichnet, spiegelt sich auch darin wider, dass man seit einiger Zeit eine andere Bezeichnung für das herabfließende Sekret gewählt hat. So wird seit 2006 der PND offiziell »Upper Airway Cough Syndrome (UACS)« genannt. Das macht klar: Diese Art von meist trockenem Husten hat ihren Ursprung nicht in den Bronchien, sondern im Rachen oder Kehlkopf.
Klärsystem überlastet
Verschafft ein Hustenstoß Luft, kann das darauf hinweisen, dass das körpereigene mukoziliäre Klärsystem in seiner Arbeit behindert ist. In den Atemwegen ist das Bronchialsekret über der Epitheloberfläche in zwei Schichten angeordnet. Der visköse gelartige (muköse) Anteil ist über die wässrige (seröse) Solphase gespreitet, die die Epitheloberfläche direkt überzieht. Rund 20 Prozent des Sekrets werden im Oberflächenepithel in den Becherzellen gebildet, 80 Prozent unter dem Epithel in den peribronchialen Drüsen, die über Ausführungsgänge verbunden sind. Die Becherzellen produzieren muköses Sekret, die peribronchialen Drüsen als gemischte Drüsenzellen muköses und seröses Sekret (siehe Grafik).
Auf der Oberfläche der klebrigen Gelphase haften Partikel aus der Atemluft (lila).
Um jede Becherzelle sind Flimmerzellen angeordnet, die jeweils diverse Fortsätze tragen. Diese Zilien holen in der wässrigen Sekretphase zum Schlag aus und reichen mit ihren Spitzen direkt unter die Gelphase, sodass diese indirekt vorangetrieben wird. Die Solphase bleibt dagegen weitestgehend stationär. Der muköse Anteil ist außerordentlich klebrig, er fungiert quasi als Fliegenfänger für Fremdpartikel und Mikroorganismen aus der Atemluft (siehe Abbildung rechts). Diese werden dann wie auf einem Förderband mundwärts abtransportiert.
Dass die klebrige Gelphase auf der Solphase überhaupt gleiten kann, macht Surfactant (surface active agent) möglich. Surfactant, eine Emulsion aus Phospholipiden und Proteinen, fungiert quasi als Spülmittel der Atemwege. Es setzt nicht nur die Viskosität an der Grenze zwischen Gel- und Solphase herab, sondern wandelt zusätzlich die Gelphase in eine Art Schaumteppich um, indem es schaumig in winzig kleinen Bläschen angeordnet ist. Es wird in den Lungenbläschen gebildet.
Die Alveolarepithelzellen haben eine typische Oberflächenstruktur mit kurzen Zellfortsätzen (Mikrovilli), die wahrscheinlich Informationen aus der Atemluft aufnehmen und an das Zellinnere weiterleiten. Die blasenartigen Gebilde zeigen Surfactant.
Alle Abbildungen: Prof. Dr. Konrad Morgenroth, Institut für Pathologie, Universität Bochum
Bei Entzündungen verwandelt sich die geschlossene muköse Phase in Plaques, die der Schleimhaut aufliegen können und die Zilien fesseln, da Klebrigkeit und Gewicht des mukösen Schleims steigen. Die Zilien sind somit in ihrer Arbeit behindert, das Förderband versagt, der Schleim kann nur beschränkt weiterbewegt werden. Weil der Druck auf die Basalmembran steigt, werden darunter liegende Hustenrezeptoren gereizt: Hustenstöße müssen nun den Schleim entfernen.
Es gilt also: Akutem Husten liegt nicht unbedingt ein Zuviel an Schleim zugrunde, wie häufig in der Umgangssprache formuliert. Maßgeblich daran beteiligt ist eher die zu zähe Konsistenz des Schleims (Dyskrinie), hervorgerufen durch ein Ungleichgewicht zwischen Sol- und Gelphase. /