Pharmazeutische Zeitung online
Paul-Ehrlich-Institut

Wir liegen auf dem Niveau der USA

12.09.2018  10:58 Uhr

Von Daniel Rücker und Manfred Schubert-Zsilavecz, Langen /­  Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Langen ist eines der wichtigsten wissenschaftlichen Institute in Deutschland. Im Mittelpunkt von Forschung und Regulation stehen dabei Impfstoffe und bio­medizinische Arzneimittel. Das Institut und sein Leiter Professor Dr. Klaus Cichutek sind international bestens vernetzt.

PZ: Was sind die wesentlichen ­Aufgaben des PEI?

 

Cichutek: Das Paul-Ehrlich-Institut ist als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel eine forschende Arzneimittelbehörde. Die ­Fokussierung auf Impfstoffe und Biomedizin zum einen und die Paarung von regulatorischen und Forschungsaufgaben zum anderen sind unsere wichtigsten Herausstellungsmerkmale. Weltweit gibt es in den USA noch das ­»Center for Biologics Evaluation and Research« CBER der Gesundheitsbehörde FDA mit einer ähnlichen Ausrichtung sowie zwei weitere in Europa.

Besonders stolz sind wir darauf, dass wir aufgrund unserer Gründung im Jahr 1896 in Berlin durch Paul Ehrlich noch heute den Namen unseres Gründungsdirektors und Nobelpreisträgers Paul Ehrlich tragen. 1990 ist das PEI nach Langen umgezogen. Unsere Sonderstellung als forschende Behörde haben wir selbstverständlich bei­behalten. Seit 1972, dem Jahr des ­Inkrafttretens unseres Errichtungs­gesetzes, engagieren wir uns neben der experimentellen Arzneimittelprüfung und Chargenfreigabe auch in der Arzneimittelevaluation und -zulassung, spezialisiert auf Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. In den 1990er-Jahren sind zum Produktportfolio des Instituts Blut und Gewebezubereitungen hinzugekommen, später Zell- und Gentherapeutika sowie Gewebe- und Blutstammzellzubereitungen. Wir arbeiten dabei zu einem großen Teil auf EU-Ebene und sind darüber hinaus weltweit vernetzt, beispielsweise durch unsere WHO-Kooperationszentren für Impfstoffe und für In-vitro-Diagnostika und Blut sowie durch unsere Mitgliedschaft für Deutschland in der »Inter­na­tional Coalition of Medicines Regulatory Authorities« ICMRA.

 

PZ: Das PEI ist eine Bundesoberbehörde. Sind Sie in Ihrer Arbeit frei oder müssen Sie sich an Vorgaben der Politik oder europäischer Behörden orien­tieren?

 

Cichutek: Nein, wir entscheiden wissenschaftlich unabhängig, unterliegen aber der Fach- und Dienstaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Positionen der handelnden Personen am Paul-Ehrlich-Institut werden nicht aufgrund politischer Erwägungen besetzt, sondern Besetzungen orientieren sich an den wissenschaftlichen Leistungen der Bewerber. Wir haben einen wissenschaftlichen Job und werden als Wissenschaftler eingesetzt. Wichtig ist auch, dass wir ein Ressort­institut des Bundesgesundheitsministeriums sind – nicht des Forschungsministeriums. Aufgrund unserer Spezialisierung auf Impfstoffe und Biomedizin gehören unsere Antragsteller einer besonderen Klientel an. Da wir es mit komplexen biomedizinischen Arzneimitteln zu tun haben, arbeiten wir häufig mit Impfstoffherstellern, kleinen biomedizinischen Start-ups und Universitäten zusammen, aber auch mit weltweit aktiven großen Pharmaunternehmen. Am Beispiel des von uns betriebenen regulatorischen Product-Lifecycle-Management ist dies gut zu erklären: Ausgehend von der Entdeckung erster physiologischer Mechanismen, die genutzt werden könnten, um ein Arzneimittel zu entwickeln, begleiten wir die Wirkstoff- und Arzneimittelentwicklung von der klinischen Prüfung über die Herstellung bis hin zur Zulassung und der Zeit danach, der Pharmakovigilanz. Bei der Zulassung und der klinischen Prüfung können wir dabei national selbstständig entscheiden. Natürlich kooperieren wir bei ­multi-nationalen klinischen Prüfungen mit den entsprechenden anderen europä­ischen Arzneimittelbehörden. Man kann sagen, dass wir selbstständig handeln, aber immer im Netzwerk mit unseren regulatorischen Partnern.

 

PZ: Mit welchen Einrichtungen arbeiten Sie besonders eng zusammen?

 

Cichutek: Die Gesundheitsforschungszentren in Deutschland sind bei der frühen Entdeckung von Substanzen mit einem mutmaßlich hohen therapeutischen Potenzial sehr wichtige Partner des PEI. Wir profitieren auch selbst von diesen Einrichtungen, indem wir beispielsweise über frühe Entwicklungen ebenso früh unterrichtet werden. Gemeinsam wollen wir die Entwicklung neuer Arzneimittel in einem frühen Stadium fördern. Eine Aufgabe ist es hier, Arzneimittelforscher zu motivieren und sie bereits in der Phase I der ­klinischen Forschung zu unterstützen, damit die Weiterentwicklung der biologischen Substanzen möglichst vorankommt und aus zunächst kleinen Ideen wichtige Innovationen im Arzneimittelbereich entstehen können.

 

PZ: Das PEI ist auch für Impfstoffe zuständig. Im vergangenen Jahr gab es Probleme mit der Wirksamkeit des Grippeimpfstoffes. Hätte man das vorab erkennen können?

 

Cichutek: Es ist derzeit nicht mit völliger Sicherheit möglich vorherzusagen, wie gut der jeweilige saisonale Grippe­impfstoff wirken wird. Für die saisonalen Grippeimpfstoffe bekommen wir eine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die Zusammensetzung des Impfstoffes für die Nordhalbkugel beruht auf einer Beobachtung der Influenzavirus-Epidemiologie des letzten Halbjahres auf der Südhalbkugel. Es kursierten in den vergangen Jahrzehnten drei saisonale Hauptstämme des Grippevirus. In den letzten Jahren wurden vermehrt neben zwei ­A-Stämmen auch statt einem sogar zwei B-Stämme gefunden. Das war eine Besonderheit. Deshalb war die Wirksamkeit der trivalenten Vakzine etwas geringer, als wir uns das vorgestellt haben. Die Impfstoffhersteller haben erkannt, dass die Notwendigkeit gegeben ist, das Antigen eines zweiten B-Stamms in die saisonalen Grippe­impfstoffe aufzunehmen und deshalb eine tetravalente Vakzine hergestellt werden muss. Aber auch das bedeutet keine absolute Sicherheit für höchste Effektivität, da sich auch die konkreten Stämme im Verlauf einer Grippesaison aufgrund des sogenannten Drifts verändern und der Immunschutz des Impfstoffs gegen einzelne Influenza-Virusstämme sogar abnehmen kann. Trotzdem ist die Grippeimpfung immer noch der beste Schutz gegen Infektion und schweren Krankheitsverlauf.

 

PZ: Welche Rolle spielen die Krankenkassen bei der Auswahl von Impfstoffen?

 

Cichutek: Bei der Auswahl von erstattungsfähigen Impfstoffen durch Krankenkassen spielt die Ständige Impfkommission STIKO am Robert Koch-Institut die größere Rolle, zusammen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss. Das Paul-Ehrlich-Institut kann das RKI hinsichtlich der Wirksamkeit und der Zulassung einzelner Impfstoffe beraten, weswegen wir Gastrecht bei der STIKO besitzen. Das Paul-Ehrlich-Institut hat übrigens auch mit seiner Website über Lieferengpässe bei einzelnen Impfstoffprodukten die Transparenz hinsichtlich der Impfstoffversorgung gefördert und durch Gespräche mit den Herstellern zu einer Verbesserung der Verfügbarkeit der Impfstoffe beigetragen. Sich andeutende Probleme in der Herstellung und Versorgung werden dem PEI freiwillig frühzeitig angezeigt. Das versetzt uns in die Lage, schnell und angemessen mit dem Verweis auf Alternativ-Impfstoffprodukte und Handlungshinweisen die Öffentlichkeit informieren zu können.

 

PZ: Wenn Sie so intensiv an Arzneimitteln arbeiten, gibt es in Ihrem Unternehmen vermutlich einige Apotheker. Was sind deren Aufgaben?

 

Cichutek: Sie werden es kaum glauben, am Paul-Ehrlich-Institut arbeiten rund 800 Menschen, nur wenige davon sind Apotheker. Apotheker sind heute noch seltener mit Biologika vertraut. Ihnen fehlt manchmal die Kenntnis über molekularbiologische Mechanismen oder Erfahrung mit Säugerzellkulturen, die bei der Herstellung biomedizinischer Wirkstoffe genutzt werden. Bei uns arbeiten daher vor allem Biologen, Biochemiker, zunehmend auch Mediziner; Letztere in der Evaluation der klinischen Prüfungen und in der Pharmakovigilanz.

 

PZ: Die Präsenz des PEI in Langen ist ein wichtiger Standortfaktor für Deutschland und Europa. Wäre ein ­Umzug, zum Beispiel in die Niederlanden, ein erheblicher Verlust für die ­Region?

 

Cichutek: Absolut, wir sind für die europäische Arzneimittelforschung und -entwicklung ein sehr wichtiger regulatorischer Player. Der Standort im Rhein-Main-Gebiet erlaubt uns unsere weltweite Vernetzung. Deutschland ist zu Recht europaweit das Land mit den meisten klinischen Studien, knapp hinter den USA. Regulatorisch liegen wir weltweit auf dem Niveau der USA. /

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