Transplantate aus humanem Gewebe |
08.09.2015 15:11 Uhr |
Von Theresa Sorgenfrei / Über die Organtransplantation wird in der Öffentlichkeit häufig diskutiert. Deutlich weniger bekannt ist die Gewebetransplantation. Doch tatsächlich werden in Deutschland viel mehr Gewebe als Organe übertragen. Wichtig für Apotheker: Gewebezubereitungen sind Arzneimittel und streng reguliert.
Vor acht Jahren hat sich die Gewebemedizin in Deutschland grundlegend verändert. Am 1. August 2007 trat das Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen, kurz Gewebegesetz, in Kraft (1). Es setzte die aus dem Jahr 2004 stammende Richtlinie 2004/23/EG der Europäischen Union in deutsches Recht um. Seither sind Gewebezubereitungen, die Gewebe im Sinn von § 1a Nr. 4 des Transplantationsgesetzes sind oder aus solchen hergestellt werden, gemäß § 4 Absatz 30 des Arzneimittelgesetzes als Arzneimittel definiert.
Zu den Gewebezubereitungen zählen laut Paul-Ehrlich-Institut humane Augenhornhäute, humane Amnionmembranen, Haut, kardiovaskuläre Gewebe wie Herzklappen und Gefäße sowie muskuloskelettale Gewebe wie Femurköpfe (Hüftkopf) und Knochenpräparationen, Weichgewebe (Faszien und Sehnen) und Knorpelgewebe.
Durch die Richtlinie gelten EU-weit einheitliche Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen. Diese Standards leisten einen großen Beitrag zur Patientensicherheit; unter anderem soll dadurch die Übertragung von Infektionskrankheiten auf den Empfänger des Gewebetransplantats verhindert werden.
Als Artikelgesetz führte das Gewebegesetz zu zahlreichen Ergänzungen in einschlägigen Gesetzen und Verordnungen, zum Beispiel dem Transplantationsgesetz (TPG) (2), dem Arzneimittelgesetz (AMG) (3), der TPG-Gewebeverordnung (TPG-GewV) (4) sowie der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) (5).
Entscheidungslösung
Wie bei der Organspende dürfen Gewebe nur von einem Spender gewonnen werden, wenn eine Einwilligung zur Gewebespende vorliegt.
In Deutschland gilt seit dem 1. November 2012 die Entscheidungslösung. Jeder Bürger erhält regelmäßig von seiner Krankenkasse Informationen zur Organ- und Gewebespende. Dies soll jeden Einzelnen dazu motivieren, sich für oder auch gegen die Organ- oder Gewebespende zu entscheiden und diese Entscheidung auf einem Organspendeausweis zu dokumentieren (6).
Nach dem Transplantationsgesetz (§§ 3 und 4 TPG) ist eine Gewebespende – ebenso wie eine Organspende – nach dem Tod nur möglich, wenn eine schriftliche oder mündliche Zustimmung des Spenders vorliegt. Ist dies nicht der Fall, können die Angehörigen den vermuteten Willen des Verstorbenen äußern oder nach eigenen Wertvorstellungen in dessem Sinn entscheiden. Für die Angehörigen ist es oft leichter, wenn der Verstorbene seinen Willen schriftlich dokumentiert hat. Apotheken können Organspendeausweise und Informationsmaterialien zur Organ- und Gewebespende kostenlos bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) anfordern.
Mehr Gewebe als Organe
Gewebetransplantationen stellen einen festen Bestandteil der medizinischen Versorgung dar. Es werden deutlich mehr Gewebe als Organe transplantiert. Dennoch ist die Gewebetransplantation in der Bevölkerung deutlich weniger bekannt als die Organtransplantation.
Gewebe | Zahl |
---|---|
Augenhornhäute | 5223 |
Amnion | 3442 |
Herzklappen | 141 |
Gefäße | 114 |
Femurköpfe | 20 490 |
Knochenpräparationen | 27 069 |
Weichgewebe | 978 |
Knorpelgewebe | 2207 |
Haut | 155 751 cm2 |
Jedes Jahr werden alleine in Deutschland mehrere Tausend Augenhornhäute transplantiert. Die Anzahl der transplantierten Gewebe wird von der zuständigen Bundesoberbehörde, dem Paul-Ehrlich-Institut, erfasst (Tabelle).
Als Organspender kommen Verstorbene nur infrage, wenn bei ihnen der Hirntod, also der irreversible Ausfall der Hirnfunktion, diagnostiziert wurde. Die Festellung erfolgt durch zwei unabhängige Ärzte nach den Richtlinien der Bundesärztekammer (8). Die Funktion des Herz-Kreislauf-Systems des Verstorbenen wird durch Beatmung und Medikamente künstlich aufrecht erhalten, wodurch die Funktionstüchtigkeit der Organe bewahrt wird.
Die meisten Gewebespender hingegen sind Menschen, bei denen der Herz-Kreislauf-Stillstand längst eingetreten ist und ein Arzt die endgültigen Todeszeichen wie Totenflecke und Leichenstarre festgestellt hat. Im Gegensatz zu Organen können Gewebe auch noch einige Zeit nach Eintritt des Todes gespendet werden. Da Augenhornhäute nicht vaskularisiert sind, können sie sogar bis zu 72 Stunden nach dem Tod entnommen und verarbeitet werden.
Einige Gewebe wie Femurköpfe (Hüftkopf) und Amnion (»Eihaut«) werden im Rahmen einer Lebendspende gewonnen. Gewebe darf von lebenden Spendern nur entnommen werden, wenn diese volljährig und einwilligungsfähig sind (§ 8 TPG). Zur Gewinnung der Amnionmembran wird nach Aufklärung und Zustimmung der Schwangeren deren Plazenta bei einem geplanten Kaiserschnitt steril entnommen. Das Amnion ist die dünne, gefäßlose innere Eihaut der Fruchtblase, die den Fetus und das Fruchtwasser umgeben hat. Sie wird von der Plazenta abpräpariert und in einzelne Transplantate geteilt. Amnionmembrantransplantate werden unter anderem in der Augenheilkunde verwendet.
Gewebezubereitungen sind Arzneimittel
Ein weiterer Unterschied zwischen Geweben und Organen besteht darin, dass Gewebe nicht unmittelbar nach der Entnahme transplantiert, sondern zunächst in einer Gewebebank verarbeitet (prozessiert) und gelagert werden. So bleibt genügend Zeit, die Gewebe mikrobiologisch auf Bakterien und Pilze zu untersuchen. Bis zur Transplantation wird auch das Blut des Gewebespenders auf Infektionsparameter wie HIV, Hepatitis B und C sowie Syphilis untersucht. All dies dient der Sicherheit des späteren Empfängers des Transplantats.
In der Gewebebank entsteht durch die Prozessierung eine Gewebezubereitung. Der größte rechtliche Unterschied zwischen Organen und Gewebezubereitungen ist der, dass Letztere in Deutschland verschreibungspflichtige Arzneimittel sind.
In den Gewebebanken werden die Gewebezubereitungen je nach Gewebetyp und Konservierungsmethode unterschiedlich lange aufbewahrt. Die Lagerdauer für Augenhornhäute in einem flüssigen Kulturmedium, das zur Ernährung der Zellen auch fötales Kälberserum enthält, beträgt bis zu 34 Tage (9). Amnionmembranen können bis zu einem Jahr konserviert werden, Herzklappen- und Gefäße sowie Knochengewebe sogar bis zu fünf Jahre nach Herstellung.
Auch die bei der Aufbereitung verwendeten Kulturmedien und Substanzen müssen bestimmte Qualitätsstandards erfüllen. Das beispielsweise bei der Herstellung der Augenhornhäute eingesetzte fötale Kälberserum verfügt über ein Zertifikat des European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare (EDQM), das die Konformität mit Kapitel 5.2.8 »Minimierung des Risikos der Übertragung von Erregern der spongiformen Enzephalopathie tierischen Ursprungs durch Human- und Tierarzneimittel« der Europäischen Pharmakopöe (Ph. Eur.) bescheinigt (9, 10). Das Serum stammt nicht nur aus TSE/BSE-freien Rinderbeständen, sondern wird auch einem speziellen Virusinaktivierungsschritt unterzogen. Dies gewährleistet, dass nicht nur die Übertragung von spongiformen Enzephalopathien wie die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK), sondern auch von bovinen Viren weitestgehend ausgeschlossen wird (9, 11).
Gewebevigilanz
Wie andere Arzneimittelhersteller sind auch die Gewebeeinrichtungen zur Bewertung der Sicherheit der von ihnen hergestellten Gewebezubereitungen verpflichtet. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO umfasst Pharmakovigilanz alle Aktivitäten, die sich mit der Aufdeckung, der Bewertung, dem Verstehen und der Prävention von Nebenwirkungen oder von anderen arzneimittelbezogenen Problemen befassen (14). In der Gewebemedizin spricht man von Gewebevigilanz.
Tritt ein schwerwiegender Zwischenfall im Rahmen der Übertragung des Gewebes oder eine schwerwiegende unerwünschte Reaktion beim Empfänger auf, zum Beispiel eine Infektion, Abstoßungsreaktion oder ein funktioneller Defekt des Gewebes, ist die behandelnde Klinik gemäß §§ 8 und 9 TPG-GewV verpflichtet, den Vorfall der Gewebeeinrichtung, von der sie die Zubereitung erhalten hat, zu melden. Die Gewebeeinrichtung wiederum ist gemäß § 63i AMG verpflichtet, einen schwerwiegenden Zwischenfall oder eine schwerwiegende unerwünschte Reaktion innerhalb von 15 Tagen nach Bekanntwerden zu bewerten und die Bundesoberbehörde darüber zu informieren. Hierfür stellt das Paul-Ehrlich-Institut Meldeformulare zur Verfügung (15).
Gewebetransplantation in der Augenheilkunde
Indikationen für eine Hornhauttransplantation (Keratoplastik) können vielfältig sein; dazu zählen Trübungen der Hornhaut (Hornhautdystrophien), Wölbungsanomalien (Keratokonus) oder eine Entzündung der Hornhaut (Keratitis) (16). Die Keratitis kann beispielsweise durch Herpesviren, Bakterien oder Akanthamöben ausgelöst werden und zum Hornhautulcus führen.
Die erste erfolgreiche Hornhauttransplantation führte bereits 1905 der österreichische Augenarzt Dr. Eduard Zirm durch. Er transplantierte damals alle Schichten der Hornhaut (perforierende Keratoplastik, PKP).
Die Hornhaut ist etwa 550 µm dick und besteht von außen nach innen aus einer mehrlagigen Epithelschicht, der Bowman-Membran, dem Stroma, der Dua-Schicht, der Descemet-Membran und dem daraufliegenden Hornhautendothel, das dem Kammerwasser zugewandt ist. Bei zahlreichen Erkrankungen wie der Fuchsschen Endotheldystrophie oder der bullösen Keratopathie ist nur die innerste Schicht, das Endothel erkrankt. Daher entwickelten sich in der mehr als 100-jährigen Erfolgsgeschichte der Hornhauttransplantation neuere Operationsmethoden, bei denen möglichst nur die Descemet-Membran mit dem erkrankten Endothel ersetzt wird.
Bei der Descemet Stripping Automated Endothelial Keratoplasty (DSAEK) wird zunächst die Descemet-Membran mit dem erkrankten Endothel des Patienten entfernt und dann eine Lamelle, bestehend aus einem geringen Anteil Stroma, Descemet-Membran und Endothel, transplantiert. Das lamelläre Transplantat ist 80 bis 150 µm dick. Eine andere Methode ist die Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty (DMEK). Dabei wird auf die Transplantation eines Stromarestes ganz verzichtet und nur noch die Descemet-Membran mit gesundem Endothel mit einer Dicke von etwa 15 µm übertragen. Mit diesen neueren Verfahren lassen sich durchschnittlich schneller bessere Sehschärfen erzielen und die mit der Chirurgie am »offenen Auge« verbundenen Risiken wie eine expulsive Blutung vermeiden (17, 18).
Postoperativ erfolgt zunächst eine systemische Therapie mit Steroiden, Antibiotika und Carboanhydrasehemmer (Acetazolamid, Beispiel Diamox® Tabletten). Anschließend erhält der Patient eine topische Therapie mit hypertonen Augentropfen (Beispiel Omni-Sorb® Augentropfen), um das Aufklaren des Transplantats zu beschleunigen, und Steroid-Augentropfen (Prednisolonacetat 1 %, Beispiel Inflanefran® forte 10 mg/ml Augentropfensuspension), um das Risiko einer Transplantatabstoßung zu verringern. Hinzu kommen antibiotische (Ofloxacin, Beispiel Floxal® EDO®) und benetzende Augentropfen (18, 19).
Amnionmembran fürs Auge
Die Transplantation der Amnionmembran, die aus Epithel und Stroma besteht, ist in der Augenheilkunde bereits seit den 1940er-Jahren etabliert. Sie wird bei schwer heilenden Hornhautepitheldefekten, Hornhautulcera unterschiedlicher Genese, akuten Verätzungen der Binde- und Hornhaut oder zur Rekonstruktion der Bindehautoberfläche bei Steven-Johnson-Syndrom angewendet (20, 21).
Die Amnionmembran hat antimikrobielle, antiinflammatorische, antiangiogene und wundheilungsfördernde Eigenschaften und unterdrückt die Narbenbildung. Aufgrund dieser vielfältigen Wirkungen wird sie auch in Kombination mit der PKP bei einer Hochrisiko-Keratoplastik übertragen, bei der eine Vaskularisation der Wirtshornhaut und ein höheres Abstoßungsrisiko des Transplantates bestehen.
Die gängigste Operationsmethode ist das Aufnähen der Amnionmembran auf die Augenoberfläche. Da aber durch die Naht ein zusätzliches chirurgisches Trauma entsteht, wird bereits eine neuere Methode entwickelt. Hierbei wird die Amnionmembran in einen Clip-Ring eingespannt und nahtlos, ähnlich wie eine Kontaktlinse, auf das Auge gesetzt (20).
Keine zentrale Vermittlung
Die Versorgung der Bevölkerung mit Gewebetransplantaten erfolgt nicht wie bei der Organtransplantation durch eine zentrale Vermittlungsstelle (Eurotransplant in Leiden, Niederlande), sondern dezentral durch die einzelnen Gewebeeinrichtungen, die oftmals die Klinik, an der sie lokalisiert sind, mit Transplantaten versorgen. In Deutschland gibt es etwa 26 Augenhornhautbanken, fünf kardiovaskuläre Gewebebanken, drei überregionale muskuloskelettale Gewebeeinrichtungen und etwa 144 lokale Knochenbanken.
Laut Angaben der Bundesregierung ist die Versorgung der Bevölkerung mit Gewebe und Gewebezubereitungen grundsätzlich gewährleistet. Bestimmte Gewebe wie Augenhornhäute und kardiovaskuläre Gewebe sind allerdings in einigen Regionen nur mit zeitlicher Verzögerung verfügbar (7).
Im Jahr des Inkraftretens des Gewebegesetzes, also 2007, wurde die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) als unabhängige gemeinnützige Organisation gegründet. Gesellschafter sind die Medizinische Hochschule Hannover, das Universitätsklinikum Leipzig, das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und seit 2015 auch die Universitätsmedizin Rostock.
Die DGFG etablierte ein Netzwerk deutscher Spenderkrankenhäuser, Gewebebanken und transplantierender Kliniken. Ihr Ziel ist, die Bevölkerung mit sicheren und hochwertigen Gewebezubereitungen zu versorgen und durch ihre Netzwerkstruktur regionale Unterschiede in der Versorgung auszugleichen. Die DGFG vermittelt humane Gewebezubereitungen (Augenhornhäute, Amnionmembranen, Gefäße und Herzklappen) aus den kooperierenden Gewebebanken an Kliniken und Ärzte in ganz Deutschland. Die Allokation der Gewebetransplantate orientiert sich stets an den Kriterien Dringlichkeit, Chancengleichheit und Erfolgsaussicht. Im Jahr 2014 hat die DGFG insgesamt 3958 Gewebetransplantate vermittelt; davon waren 1251 Amnionmembranen, 103 Blutgefäße, 110 Herzklappen und 2494 Augenhornhäute. /
Eine Einrichtung, die Gewebe von lebenden oder verstorbenen Spendern gewinnt (Entnahmeeinrichtung), benötigt eine Erlaubnis gemäß § 20b AMG der zuständigen Landesbehörde. Die Entnahmeeinrichtung muss die Räume, in denen Gewebe entnommen werden, beispielsweise die OP-Räume einer Klinik, anzeigen und ist verpflichtet, die medizinische Eignung eines potenziellen Gewebespenders ärztlich zu beurteilen. Anforderungen an diese Beurteilung und die Laboruntersuchungen, die von einer Blutprobe des Spenders durchgeführt werden, sind in der TPG-GewV festgelegt.
Die gewonnenen Gewebe werden an eine Gewebebank abgegeben, die diese zu Gewebezubereitungen verarbeitet, also das Arzneimittel herstellt. Die Gewebebank benötigt für die Be- oder Verarbeitung, Konservierung, Prüfung, Lagerung und das Inverkehrbringen eine Erlaubnis gemäß § 20c AMG der zuständigen Landesbehörde.
Bei der Be- oder Verarbeitung der Gewebe in der Gewebebank ist eine Luftqualität einzuhalten, die das Risiko einer mikrobiellen Verunreinigung minimiert. Die Umgebung muss mindestens der Reinheitsklasse A mit einer Hintergrundumgebung der Reinheitsklasse D des EG-Leitfadens der Guten Herstellungspraxis entsprechen; Näheres regelt die AMWHV. Die Gewebebanken werden gemäß § 64 AMG nach Erteilung der Erlaubnis in der Regel alle zwei Jahre von der zuständigen Landesbehörde inspiziert.
Auf dem Internetportal PharmNet.Bund stellt das Deutsche Institut für Medizinische Information und Dokumentation (DIMDI) das TPG-Gewebeeinrichtungen-Register zur Verfügung. Hier sind alle Einrichtungen gelistet, die gemäß Arzneimittelgesetz über eine Erlaubnis gemäß §§ 20b und/oder 20c AMG oder eine Einfuhrerlaubnis gemäß § 72b AMG für Gewebe und Gewebezubereitungen verfügen (12).
Um Gewebezubereitungen in den Verkehr bringen zu dürfen, benötigt die Gewebebank zusätzlich zur Erlaubnis gemäß § 20c AMG eine Genehmigung der Bundesoberbehörde. Die Genehmigung gemäß § 21a AMG wird vom Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, dem Paul-Ehrlich-Institut, erteilt.
Eine Erlaubnis gemäß § 20c AMG und Genehmigung gemäß § 21a AMG wird erteilt, wenn die Gewebezubereitungen nicht nach einem industriellen Verfahren hergestellt werden und die Be- und Verarbeitungsverfahren hinreichend bekannt sind. Dies ist beispielsweise bei Augenhornhäuten, Amnionmembranen, Herzklappen und Gefäßen der Fall. Werden Gewebezubereitungen, beispielsweise Knochenpräparationen, nach einem industriellen Verfahren hergestellt, gelten sie als zulassungspflichtige Arzneimittel gemäß § 21 AMG. Für ihre Herstellung und das Inverkehrbringen werden eine Herstellungserlaubnis gemäß § 13 AMG und eine Zulassung gemäß § 25 AMG benötigt.
Der Vertrieb erfolgt in aller Regel nicht über öffentliche Apotheken, sondern gemäß § 47 Absatz 1 Nr. 2 AMG direkt an die transplantierenden Krankenhäuser oder Ärzte.
Meldepflicht
Die Gewebeeinrichtungen sind nach § 8d TPG verpflichtet, ihre Tätigkeiten einmal im Jahr an das Paul-Ehrlich- Institut (PEI) zu melden. Der Bericht enthält Angaben zu Art und Menge der entnommenen, aufbereiteten, be- oder verarbeiteten, aufbewahrten, abgegebenen oder anderweitig verwendeten, eingeführten und ausgeführten Geweben.
Seit Inkrafttreten des Gewebegesetzes in 2007 und der damit verbundenen Meldepflicht sind die dem PEI bekannten Gewebeeinrichtungen von 349 auf 1017 im Jahr 2013 angestiegen. Hierunter fallen neben den Betrieben, die klassische Gewebezubereitungen herstellen, auch Einrichtungen, die autologe Gewebe zum Zwecke der Übertragung entnehmen, oder solche, die Arzneimittel für neuartige Therapien unter der Verwendung von Gewebe als Ausgangsstoff herstellen, sowie reproduktionsmedizinische Einrichtungen. Zudem sind auch Endanwender wie Krankenhäuser und Ärzte meldepflichtig, wenn sie Gewebe oder Gewebezubereitungen aus dem Ausland nach Deutschland einführen (7, 13).
Abkürzungen
AMG: Arzneimittelgesetz
AMWHV: Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung
GewebeG: Gewebegesetz
TPG: Transplantationsgesetz
TPG-GewV: TPG-Gewebeverordnung
Literatur
Theresa Sorgenfrei studierte Pharmazie an der Universität Regensburg und war nach der Approbation 2008 zunächst als Filialleiterin in einer öffentlichen Apotheke in Deutschland und anschließend als Apothekerin in einer öffentlichen Apotheke in Norwegen beschäftigt. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2013 arbeitete sie bei der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation gGmbH im Zentralen Qualitätsmanagement (bis August 2015). Zu ihren Aufgaben gehören die Betreuung der Gewebevigilanz, das Fehler- und Beschwerdemanagement und die Bearbeitung regulatorischer Verfahren und arzneimittelrechtlicher Fragestellungen.
Theresa Sorgenfrei
Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation mbH – Gemeinnützige Gesellschaft
Feodor-Lynen-Straße 21
30625 Hannover
E-Mail: info@gewebenetzwerk.de