Schabengehirne als Substanzenpool |
13.09.2010 21:37 Uhr |
Von Mada Chahoud / Für viele sind sie nur eklige Plagegeister, britische Forscher trauten ihnen jedoch mehr zu. In den Gehirnen von Kakerlaken und Heuschrecken entdeckten sie antibiotische Substanzen, die effektiv Bakterien töten.
Es scheint, als könnten Küchenschaben und Heuschrecken ihren schlechten Ruf ein wenig verbessern. Forscher um Simon Lee von der University of Nottingham gingen davon aus, dass der Schlüssel zur Überlebenskunst dieser Insekten in ihrem Gehirn zu finden ist. »Aus der Sicht der Heuschrecke, ist es wichtig, dass das Nervensystem kontinuierlich gegen Bakterien und andere Pathogene geschützt ist«. Denn sie leben »oft in unhygienischen Gebieten, in denen verschiedene Typen von Bakterien zu finden sind«, sagte Lee. Auf dem Herbst-Treffen der Society for General Microbiology vergangene Woche in Nottingham stellte er die Ergebnisse seiner Arbeitsgruppe vor.
Die Forscher extrahierten neun antibiotisch wirkende Substanzen aus dem Gewebe des Oberschlundganglions der Insekten. Dies ist der größte Knoten des zentralen Nervensystems der Tiere, der in seinen Funktionen dem Gehirn der Wirbeltiere entspricht. In Laborversuchen konnten Lee und seine Kollegen die bakterizide Wirkung dieser Moleküle gegen Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) und pathogene Escherichia coli nachweisen. Diese sind durch ihre ausgeprägte Resistenzentwicklung zunehmend schwerer behandelbar und Verursacher von zahlreichen Krankenhausinfektionen.
In ersten Tests konnte das Gangliongewebe 90 Prozent der Bakterien töten, wobei menschliche Zellen verschont blieben, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität. Die antibiotische Potenz liege damit vermutlich höher als die der bisher bekannten Antibiotika. Die Forscher wollen die Wirkung der neu entdeckten Moleküle nun gegen weitere Bakterienarten wie Acinetobacter, Pseudomonas und Burkholderia, die ebenfalls für Krankenhausinfektionen verantwortlich sein können, testen. Sie hoffen, dass die antibiotischen Substanzen aus den Insektengehirnen zu Antibiotika weiterentwickelt werden können. Die Wissenschafter sind in ihren Erwartungen jedoch zurückhaltend: »Wir sind noch weit davon entfernt, ein wirksames Medikament auf den Markt zu bringen«, so Lee. /