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Gendiagnostik

Engpass in der Beratung

14.09.2010  19:08 Uhr

Von Uta Grossmann, Berlin / Schwangere Frauen sollen künftig intensiver über genetische Untersuchungen beraten werden. Das schreibt das Gendiagnostikgesetz vor. Die Fetal Medicine Foundation Deutschland warnt vor Engpässen in der Patientenversorgung, denn bisher ist noch unklar, wie die Aufklärung aussehen könnte und auf welche Weise Ärzte für diese Aufgabe qualifiziert werden sollen.

Das Gendiagnostikgesetz (GenDG) ist seit Februar dieses Jahres in Kraft und regelt den Umgang mit genetischen Analysen und Daten von ungeborenen Kindern. Es schreibt vor, dass Ärzte ab Februar 2012 allen Patienten jeweils vor und nach einer genetischen Untersuchung eine qualifizierte Beratung anbieten. Bisher darf jeder Arzt die Patienten über die Möglichkeiten und Grenzen genetischer Diagnostik aufklären, ab Februar 2012 muss er dazu aufgrund des GenDG eine spezielle Qualifikation vorweisen.

 

10 000 Berater fehlen

 

Genanalysen kommen bei künstlichen Befruchtungen, die stetig zunehmen, und in der vorgeburtlichen Diagnostik zum Einsatz. Durch die gesetzliche Beratungspflicht wird die Zahl der genetischen Beratungen enorm steigen, sagte Professor Dr. Bernd Eiben vorige Woche in Berlin. Eiben ist Vorstandsmitglied der Fetal Medicine Foundation Deutschland (FMF), die sich für eine schonende pränatale Diagnostik und Früherkennung erblicher Erkrankungen einsetzt. »Diese Nachfrage können die praktizierenden Humangenetiker unmöglich abdecken«, so Eiben. Niedergelassene Frauenärzte oder Krankenhausärzte müssten die Aufgabe verstärkt übernehmen.

Der Genetiker schätzt, dass bundesweit mehrere 10 000 Mediziner gebraucht werden, die entsprechend qualifiziert werden müssten. Allerdings hat die Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert-Koch-Institut, die die Anforderungen an die Qualifikation und die Inhalte der genetischen Bera­tung erarbeiten soll, noch keine Ausführungsbestimmungen für den Gesetzesauftrag vorgelegt. Das Bundesministerium für Ge­sundheit hatte die Kommission aus 13 Sachverständigen aus den Bereichen Medizin und Biologie, zwei Sachverständigen aus den Fachrichtungen Ethik und Recht sowie drei Vertretern von Patienten- und Verbraucherorganisationen sowie aus Selbsthilfeorganisationen behinderter Menschen im November 2009 berufen, damit sie Richtlinien für die Umsetzung des Gendiagnostik-Gesetzes entwickelt.

 

»Die GEKO sollte die gesetzliche Vorgabe zeitnah konkretisieren, damit Mediziner möglichst schnell qualifiziert werden können«, forderte Professor Dr. Eberhard Merz, Präsident der FMF und Direktor der Frauenklinik am Krankenhaus Nordwest in Frankfurt am Main. Angesichts des hohen Zeitdrucks hält er eintägige Kurse für den besten Weg, um möglichst viele Mediziner fortbilden zu können. Sonst drohen »gravierende Engpässe in der Patientenversorgung«, sagte Merz.

 

Die genetische Diagnostik umfasst nicht nur die klassischen Methoden der Molekular- und Zytogenetik, sondern auch den vorgeburtlichen Ultraschall. Ein Beispiel ist der sogenannte Feinultraschall, eine besonders genaue Ultraschalluntersuchung, die meist in der Mitte der Schwangerschaft vorgenommen wird. Dabei werden die Organe des ungeborenen Kindes auf mögliche Fehlbildungen untersucht und der Körper vermessen. Die Ergebnisse können Hinweise auf genetische Auffälligkeiten ergeben. Deshalb fällt auch diese nicht invasive Untersuchungsmethode unter das Gendiagnostikgesetz. Bei einer Zahl von 750 000 Schwangeren pro Jahr in Deutschland rechnet die Fetal Medicine Foundation mit einer Million zusätzlichen genetischen Beratungen (wenn 500 000 Schwangere eine solche Ultraschalluntersuchung vornehmen lassen, die ab Februar 2012 eine zweimalige Beratung erfordert).

Ein weiteres Beispiel für eine pränatale Diagnostik, die unter das neue Gendia­gnostikgesetz fällt, ist das Ersttrimes­ter-Screening. Die FMF bietet in Deutsch­land und der Schweiz diese nicht invasive Untersuchung zur Erken­nung von Chromosomenstörungen und anderen fetalen Fehlbildungen an. Sie beruht auf einem Risikokalkulations­pro­gramm, das früher als der Fein­ultra­schall, nämlich bereits in der elften bis vierzehnten Schwangerschaftswoche, eine Einschätzung des Risikos und damit einen Anhaltspunkt liefert, ob auf eine invasive Diagnostik wie die Frucht­wasser­untersuchung (Amniozentese) verzichtet werden kann.

 

Das Ersttrimester-Screening kombiniert das Alter und zwei Hormonwerte der Mutter (Human Chorionic Gonadotrophin ß-HCG und Pregnancy associated plasma protein PAPP-A) mit der im Ultraschall messbaren Nackentransparenz des ungeborenen Kindes. Ein von der FMF Deutschland entwickeltes Computerprogramm berechnet das Risiko für bestimmte angeborene Schäden wie Trisomie 21 (Down-Syndrom). Die Erkennungsrate liegt nach Angaben der FMF bei etwa 90 Prozent.

 

»Das Ersttrimester-Screening kann viele Fruchtwasserentnahmen ersetzen«, sagte FMF-Präsident Merz. Allerdings erlaubt es keine Diagnose, sodass auch ein Ergebnis, das ein hohes Risiko für eine Chromosomenstörung anzeigt, sich bei der Fruchtwasseruntersuchung keinesfalls bestätigen muss. Mit steigendem Alter der Frau steigt auch das Risiko für Chromosomenstörungen.

 

Späte Kinder

 

In Deutschland steigt das Alter der Frauen, die zum ersten Mal schwanger sind, seit Jahren an. Anfang der 90er-Jahre waren 5,7 Prozent der Mütter beim ersten Kind 35 Jahre oder älter. Heute sind 24 Prozent der Erstgebärenden 35plus und gelten damit als Risikoschwangere, denen eine Amniozentese im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezahlt wird. Das Risiko für Chromosomenstörungen des ungeborenen Kindes liegt statistisch bei einer 20-jährigen Mutter bei 0,2 Prozent, bei einer 35-jährigen bei 0,5 Prozent und bei einer 45-jährigen bei 5 Prozent. Das Ersttrimester-Screening ist eine IGEL-Leistung (individuelle Gesundheitsleistung) und muss von den Frauen aus eigener Tasche bezahlt werden.

 

Die Krankenkassen zeigen kein Interesse an einer Übernahme des Screenings in den Leistungskatalog der GKV, sagte Merz. Dabei könnte sich das auch finanziell lohnen, wenn so die Zahl der Fruchtwasseruntersuchungen gesenkt wird. /

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