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Hirnverletzungen

Ketamin schützt vor Zelluntergang

04.09.2012  15:22 Uhr

Von Ulrike Viegener / Das Narkosemittel Ketamin verhindert wellenförmige elektrische Entladungen, die nach schweren Verletzungen das Gehirn überziehen und zum Zelluntergang auch in nicht primär betroffenen Arealen führen. Der günstige Ketamin-Effekt konnte jetzt erstmals auch am Menschen nachgewiesen werden.

»Wir gehen davon aus, dass sich schwere Folgeschäden wie lebenslange Behinderungen zum Teil verhindern ließen, wenn wir die Entladungswellen unterdrücken könnten«, erklärt Privatdozent Dr. Oliver Sakowitz von der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg in einer Pressemitteilung. Die Forschergruppe um Sakowitz war federführend bei einer internationalen Multicenterstudie, in der verschiedene Wirkstoffe daraufhin geprüft wurden, ob sie zerstörerische elektrische Entladungen eindämmen können. In den verschiedenen Zentren in Deutschland, England und den USA kamen die in dem jeweiligen Zentrum üblicherweise verwendeten Analgetika und Sedativa beziehungsweise entsprechende Kombinationen zum Einsatz. Insgesamt kamen sechs verschiedene Medikamentengruppen zum Einsatz. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt im Fachjournal Brain publiziert (Brain 135 (Pt8), 2012, 2390-2398).

Insgesamt wurden 115 Patienten nach Schädel-Hirn-Trauma, Hirnblutung oder ischämischem Schlaganfall in die Studie eingeschlossen. Alle mussten wegen der Schwere der Erkrankung initial ins künstliche Koma versetzt werden. Da für die Standardbehandlung das Gehirn in allen Fällen teilweise freigelegt werden musste, konnten zu Studienzwecken Messelektroden rund um das geschädigte Areal angelegt und über 15 Tage hinweg die Hirnströme abgeleitet werden. Wie zuvor im Tierexperiment war das Narkotikum Ketamin – als einzige der getesteten Wirksubstanzen – in der Lage, die elektrischen Entladungswellen sehr effektiv zu unterdrücken. Die Reduktion betrug 60 Prozent.

 

Zerstörerischer Flächenbrand

 

Dass die wellenförmigen Entladungen (Spreading Depolarisations) einen gravierenden negativen Prognosefaktor nach Hirnverletzungen darstellen, war im letzten Jahr durch eine amerikanische Studie gezeigt worden (Lancet Neurol 10 (12), 2012, 1058-1064). Stirbt im Gehirn durch Einblutung, Ischämie oder Verletzung Gewebe ab, kommt es am Rand des geschädigten Bereichs zu elektrischen Entladungen, die sich wie ein Flächenbrand über das angrenzende, noch gesunde Hirngewebe ausbreiten.

Nachdem eine solche Entladungswelle über das gesunde Gewebe hinweggerollt ist, kommt die nervale Aktivität vorübergehend zum Erliegen. Die angelegten Hirnelektroden zeigen dementsprechend keine Signale mehr an. Nahmen die Entladungswellen eine hohe Frequenz an, dauert die Erholung der Nervenzellen immer länger, bis sie letztendlich absterben. Je höher also die Frequenz der Depolarisationswellen, desto stärker ist ihre Zerstörungskraft. Und desto schlechter die Prognose des Patienten. Ob ein Patient lebenslang gelähmt bleibt oder seine Fähigkeit zu sprechen verliert, hängt also nicht allein von der Größe des primär geschädigten Hirnareals ab.

 

Die Nachbeobachtung der Patienten muss nun zeigen, inwieweit sich der günstige Ketamin-Effekt tatsächlich auf lange Sicht in einer besseren Prognose niederschlägt. Wie die Heidelberger Forscher berichten, ist darüber hinaus bereits eine weitere Studie geplant, in der Ketamin gezielt prophylaktisch angewendet werden soll, um Depolarisationswellen zu unterdrücken. Da Ketamin in der klinischen Routine fest etabliert ist, stehen die Chancen gut, dass bei positivem Studienausgang das Narkotikum zügig in der »neuen alten Indikation« zum Einsatz kommen kann. / 

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