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Reiseinfektionen

Blinde Passagiere

28.08.2012  15:15 Uhr

Von Maria Pues / Die meisten Urlauber kehren gesund in die Heimat zurück. Einige haben jedoch, ohne es zu ahnen, exotische Erreger als Souvenirs im Gepäck. Unter Umständen bereiten diese blinden Passagiere erst nach der Heimkehr Probleme.

Fieber, Durchfall, Hautausschläge: Um diese Symptome zu entwickeln, muss man nicht in ferne Länder reisen. Mit dem Ende der Ferienzeit steigt jedoch die Möglichkeit, dass der Verursacher solcher Beschwerden exotischen Ursprungs ist und – meist zunächst unbemerkt – mit dem Urlauber die Heimreise angetreten hat. Zuweilen entwickeln sich die Symptome mit großem zeitlichem Abstand zur Reise, sodass Patienten diese als Auslöser gar nicht mehr im Blick haben. Reiseziel und -gewohnheiten sowie die Dauer des Aufenthalts können Hinweise auf mögliche Ursachen liefern.

 

Flecken auf der Haut

 

Sucht ein Patient in der Apotheke Rat wegen einer Urtikaria, so vermutet man die Ursache hierzulande meist in einer Unverträglichkeit von Lebensmitteln oder Hautpflegeprodukten. Tritt diese aber zusammen mit Fieber nach einer Tropenreise auf, könnte sie sich auch als Katayama-Fieber entpuppen. Dabei handelt es sich um das akute Stadium einer Bilharziose. Neben der Frage nach dem Reiseland kann die Auskunft, ob der Urlauber dort in einem Süßwassersee gebadet hat, einen wichtigen Hinweis geben. Bereits nach kurzem Kontakt mit der Haut kann es dabei zu einer Infektion mit Pärchenegeln (Schistosomen) kommen, deren Larven die Hautbarriere überwinden können. Es entsteht dabei meist eine kleine Verletzung, die Zerkarien-Dermatitis, die je nach Art der Egel nach kurzer Zeit wieder abklingen kann.

Zwei bis acht Wochen nach der Infektion kommt es zu Fieber, Lymphknotenschwellungen sowie der besagten Urtikaria. Zu diesem Zeitpunkt haben die Larven die Leber erreicht, adulte Formen gebildet und sich gepaart. Zu den Hautsymptomen kommt es während der Eiablage. Über den Blutweg erreichen die Parasiten andere Organe wie Lunge, Harnblase oder Geschlechtsorgane und können dort zu dauerhaften Beschwerden führen. Schistosomen-Eier in der Harnblasenschleimhaut gelten als Präkanzerose.

 

Nicht jeder Parasit, der die Hautbarriere überwindet, muss jedoch zu einer schweren Erkrankung führen. Dies gilt zum Beispiel, wenn Patienten nach einer Fernreise berichten, unter ihrer Haut »wandere es«. Bejahen sie außerdem die Frage, ob sie ihre Kleidung auf dem Boden oder in den unteren Zweigen von Büschen abgelegt hatten, besteht Verdacht auf eine Myiasis, auf Hautmaden. Diese werden in mittel- und südamerikanischen Ländern durch die Dasselfliege, in Afrika durch die Tumbufliege übertragen.

 

Die Fliegen legen ihre Eier auf der Haut, in kleinen Hautläsionen oder in der Kleidung ab. Die aus den Eiern schlüpfenden Maden bohren sich in die Haut und gelangen so in darunter liegende Schichten, wo sie sich tatsächlich auch bewegen. Auch die Folgen dieser Infektion können möglicherweise erst nach Urlaubsende zutage treten: Die Inkubationszeit beträgt ein bis zwei Wochen. Die Maden können die Haut auf demselben Weg wieder verlassen, auf dem sie hineingelangt sind: Indem man sie »herausdrückt«. Auch ein Okklusionsverband, der ihre Luftzufuhr unterbindet, kann helfen. In manchen Fällen müssen sie allerdings chirurgisch entfernt werden.

 

Dengue-Fieber wird häufiger

 

Plötzliches Fieber bis 40 Grad Celsius, Schüttelfrost, Kopfschmerzen (vor allem hinter den Augen): Das lässt hierzulande zunächst an eine echte Grippe denken. Bei Tropenheimkehrern geraten meist die Klimaanlagen des Flugzeugs als Verursacher in Verdacht – schließlich war man ja im Urlaub noch ganz gesund. Hinter den Beschwerden kann aber auch ein Dengue-Fieber stecken, das durch die tagaktive Aedes-Mücke übertragen wird.

 

Die Inkubationszeit beträgt drei bis 14, meist vier bis sieben Tage. Die Patienten entwickeln danach starke Muskel- und Gelenkbeschwerden, das so­genannte Knochenbrecherfieber, eine Bindehautentzündung sowie zunächst ein blasses Exanthem. Fieber, Hautausschlag und Schmerzen werden auch als Dengue-Trias bezeichnet. Danach schließen sich fleckig-entzündliche Hautveränderungen an, die den gesamten Körper mit Ausnahme des Gesichts betreffen. Sie gehen mit Verdickungen und teilweise mit kleinen, punktförmigen Kapillarblutungen (Petechien) einher. Da sich das Denge-Fieber zunehmend in beliebten Reiseregionen ausbreitet, zählte das Robert-Koch-Institut (RKI) in diesem Jahr bis zur Kalenderwoche 30 bereits 239 Fälle – eine deutliche Zunahme im Vergleich zu 159 Fällen im selben Zeitraum des Vorjahres.

Durchfall stellt, kaum ist der Erholungssuchende am Urlaubsziel angelangt, die häufigste Reisekrankheit dar (lesen Sie dazu auch PZ 29/2012, Seite 34). Die Symptome können aber auch erst nach einem rundum gelungenen Urlaub auftreten. Handelt es sich um wässrige Durchfälle, können Salmonellen die Ursache sein. Tritt zusätzlich Fieber auf, kann es sich auch um eine Malaria-Infektion handeln. Schwerer einzuordnen sind hartnäckig persistierende oder rezidivierende Durchfallerkrankungen mit zwischenzeitlicher Besserung, bei der der Patient den Eindruck gewinnt, er habe »schon wieder« und nicht »immer noch« Durchfall. Diese Durchfallerkrankungen können unter anderem durch Lamblien, Amöben oder Würmer verursacht werden.

 

Unter den insgesamt recht seltenen Protozoeninfektionen ist die Giardiasis (früher: Lambliasis) die häufigste bei Tropenheimkehrern. Sie wird durch den Parasiten Giardia lamblia verursacht. Die Übertragung erfolgt überwiegend auf fäkal-oralem Weg, häufig über kontaminiertes Trinkwasser. Im Dünndarm siedeln sich die Einzeller in den Mikrovilli der Darmschleimhaut an, wo sie Darminhalt zersetzen.

 

Das Risiko einer Infektion ist in warmen Ländern höher als in Ländern mit kühlerem Klima. Aber auch hierzulande kann man sich infizieren, ohne selbst zu verreisen – nämlich bei einem infizierten Tropenheimkehrer. Ermöglicht wird dies durch die stabile Ruheform des Erregers (Zyste), die seiner Weiterverbreitung dient. Aus ihr entwickelt sich die vegetative Form (Trophozoit), die auch die Symptome verursacht. In feuchtem Milieu können Zysten ein bis drei Monate lang aktiv bleiben. Gut 2300 Fälle hat das RKI bis zur 30. Kalenderwoche dieses Jahres gezählt, etwa so viele wie im Vorjahreszeitraum.

 

Eine Infektion kann symptomfrei verlaufen, aber auch nach einer Inkubationszeit von zwei bis 25, meist sieben bis zehn Tagen mit heftigen Beschwerden einhergehen. Diese treten als schaumig-wässriger Durchfall, Blähungen, heftige Darmbewegungen und zuweilen auch Erbrechen also möglicherweise deutlich nach Urlaubsende auf. Nach zwei bis drei Wochen tritt meist spontan eine Besserung ein.

 

Während eine Giadiasis üblicherweise auf den Darm begrenzt bleibt, kann es bei einer Amöbenruhr (Erreger: Entamoeba histolytica) zu Absiedelungen in andere Organe kommen. Am häufigsten ist die Leber betroffen. Die Patienten klagen über Oberbauchbeschwerden; Fieber und Gewichtsverlust treten auf. Die Leber kann auf Druck empfindlich reagieren. Nur bei einem Drittel der Patienten tritt auch Durchfall auf.

 

Da die Inkubationszeiten bei der Amöbenruhr über einen weiten Bereich von mehren Tagen bis in Einzelfällen zu mehreren Jahren streuen, fällt hier die Suche nach der Ursache der anhaltenden Beschwerden besonders schwer. Unter anderem Reizdarm oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen kommen differenzialdiagnostisch in Betracht.

 

Allen ungewöhnlichen Krankheitsursachen zum Trotz: Nicht immer ist die Ursache der Beschwerden nach einer Reise im Urlaubsland zu suchen. Denn möglicherweise hatte der Reisende diese bereits auf dem Hinflug »im Gepäck«. Hinter unklaren Beschwerden, die nach einer Urlaubsreise plötzlich auftreten, kann auch ein bisher nicht erkannter Diabetes, eine Depression oder eine andere undiagnostizierte Grunderkrankung stecken, die unter den Beschwernissen der Reise erstmals zutrage tritt. / 

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