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Glomeruläre Filtrationsrate

Eine Frage der Formel

Datum 20.08.2014  09:43 Uhr

Von Ulrike Viegener / Die Niere ist das Hauptausscheidungsorgan für wasserlösliche Arzneistoffe und -metaboliten. Die glomeruläre Filtrationsrate als Indikator für die Nierenfunktion wird in der Praxis meist mithilfe empirischer Formeln näherungsweise bestimmt. Allerdings sind die gängigen Berechnungen nicht in jeder Situation gleich treffsicher.

180 Liter Primärharn werden von gesunden Nieren Tag für Tag produziert. Verantwortlich für diese Meisterleistung sind zwei Millionen Nierenkörperchen – kugelige Gebilde, in deren Innern sich ein feines Kapillarknäuel, das Glomerulum, befindet. Mehrmals am Tag wird das gesamte Blut durch die Nieren geschickt und gereinigt. So erklären sich die großen Mengen Primärharn, die durch die Filterleistung der Glomeruli zustande kommen. Die gomeruläre Filtrationsrate (GFR) beträgt bei einem gesunden Erwachsenen rund 125 Milliliter in der Minute.

Ausgeschieden wird vom Primärharn am Ende nur circa 1 Prozent. Vorher durchläuft er ein kilometerlanges tubuläres System, bei dessen Passage Elektrolyte, Glucose und Eiweißstoffe rückresorbiert werden. Auch ein Großteil des Wassers gelangt hier in den Kreislauf zurück.

 

Die Prävalenz von Nierenfunktionsstörungen wird gemeinhin unterschätzt. Bei älteren Menschen muss grundsätzlich mit einer Abnahme der Nierenleistung gerechnet werden, aber auch bei jüngeren Menschen sind immer häufiger renale Funktionsstörungen anzutreffen, die oft auf das Konto der großen Volkskrankheiten Bluthochdruck und Diabetes mellitus gehen. Analgetika-Abusus spielt ebenfalls eine Rolle.

 

Werden Nierenfunktionsstörungen frühzeitig erkannt, besteht die Chance, ein Fortschreiten der Nierenschäden aufzuhalten. Aber auch in Hinblick auf die Pharmakotherapie anderer Erkrankungen sollte man die Nierenfunktion immer im Auge haben. Wird die Dosis beziehungsweise das Dosierintervall nicht angepasst, kann eine verminderte renale Elimination zu relevanten Arzneimittelproblemen führen. Das wird im Alltag nicht selten übersehen, wie Studien belegen.

 

Blutwerte reichen nicht

 

Im Blut bilden sich Nierenfunktionsstörungen in der Regel erst relativ spät ab, weshalb ein Anstieg der Blutwerte harnpflichtiger Substanzen wie Kreatinin zur Früherkennung nicht geeignet ist. Erst bei einer 50-prozentigen Reduktion der glomerulären Filtrationsrate überschreitet das Serum-Kreatinin die Referenzwerte, jenseits davon existiert ein sogenannter Kreatinin-blinder Bereich.

 

Für eine verlässliche Aussage muss deshalb die Kreatinin-Clearance bestimmt werden, die Rate also, mit der Kreatinin aus dem Blutplasma entfernt wird. Krea­tinin, ein Produkt des Muskelstoffwechsels, wird fast ausschließlich über die Glomeruli eliminiert. Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist die Kreatinin-Clearance erniedrigt. Allerdings kann sie in sehr frühen Stadien einer Nierenerkrankung auch ansteigen, weil die Niere versucht, den Funktionsverlust zu kompensieren. Bei der diabe­tischen Nephropathie zum Beispiel ist das beschrieben.

 

Zur Ermittlung der Kreatinin-Clearance werden die Kreatinin-Werte in Blut und Urin ins Verhältnis gesetzt. Für die exakte Berechnung wird dazu außer dem Blutwert die Kreatinin-Konzentration im 24-Stunden-Sammelurin benötigt. Die GFR lässt sich dann wie folgt berechnen: Urin- Kreatinin/Plasma-Kreatinin x Urin­volumen.

 

Der aufwendige und fehleranfällige Prozess der Uringewinnung über 24 Stunden lässt sich umgehen, wenn man sich mit Berechnungen zufrieden gibt, welche die GFR mithilfe empirischer Formeln näherungsweise bestimmen. Der Klassiker ist die Cockcroft-Gault-Formel (Abbildung 1), inzwischen wird aber meist die MDRD-Formel benutzt, von der es verschiedene Modifikationen gibt (Abbildung 2). Diese Formeln sind hilfreich, sie sind aber – was Anwendern oft nicht bewusst ist – in ihrer Aussagekraft limitiert.

Adipositas verfälscht Werte

 

Ein Schwachpunkt der Cockcroft-Gault-Formel ist vor allem das Gewicht. Für normal- und auch leicht übergewichtige Menschen liefert diese Formel Clearance-Werte in guter Näherung. Nicht geeignet ist sie jedoch bei ausgeprägter Adipositas oder auch bei sehr niedrigem Körpergewicht, weil dann Verfälschungen der GFR nach oben oder unten resultieren.

 

Die MDRD-Formel bezieht die GFR auf eine standardisierte Körperober­fläche von 1,73 m2, weshalb der errechnete Wert anschließend noch an die individuelle Körperoberfläche angepasst werden muss.

 

Ein grundsätzliches Problem besteht darin, dass empirische Formeln wie die MDRD-Formel aus Beobachtungen an einem definierten Kollektiv hergeleitet, in der Praxis aber breiter angewendet werden. So besitzt die MDRD-Formel ihre größte Treffsicherheit bei Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen und ist hier der Cockcroft-Gault-Formel überlegen. Fraglich ist jedoch, inwieweit die MDRD-Formel auch eine normale oder leicht pathologische Nierenleistung sicher diskriminieren kann. Es besteht der Verdacht, dass in diesem Bereich relevante Fehleinschätzungen nicht auszuschließen sind.

 

Störfaktor Muskelmasse

 

Auch die MDRD-Formel ist störanfällig für starke Normabweichungen des Körpergewichts, und eine starke Muskelmasse, etwa durch Bodybuilding, verfälscht die errechneten Clearance-Werte ebenfalls. Die Muskelmasse als Einflussfaktor ist auch der Grund, wa­rum für Kinder und Jugendliche sowie für alte Menschen über 70 die Abschätzung der GFR per MDRD-Formel nicht geeignet ist. Dasselbe gilt für den Fall, dass die Dosis toxischer Medikamente an die Nierenfunktion angepasst werden soll. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte die Kreatinin-Clearance in diesen Fällen exakt aus dem Sammelurin ermittelt werden.

 

Auch die Bestimmung der Serumwerte von Cystatin C kommt als Alternative infrage, wenn die Formeln an ihre Grenzen stoßen. Cystatin C im Serum schlägt deutlich sensitiver auf Veränderungen der glomerulären Filterleistung an als das Serum-Kreatinin und ist zudem von der Muskelmasse unabhängig. /

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