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Schlaf

Stützstrümpfe gegen Apnoe

23.08.2011  14:53 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi / Stützstrümpfe am Tag reduzieren Atemaussetzer in der Nacht. Diese einfache Methode scheint laut einer Pilotstudie zumindest einer bestimmten Patientengruppe zu helfen.

Beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) erschlafft die Ringmuskulatur der oberen Atemwege im Schlaf und führt somit zu einer Verlegung der Atemwege. Die Folgen sind Schnarchen, aber auch zum Teil sekunden- bis minutenlange Atemaussetzer. Diese können unbehandelt ernste gesundheitliche Folgen haben. Für das OSAS gibt es verschiedene Ursachen: Neben Übergewicht oder vergrößerten Rachenmandeln spielt unter anderem eine Wassereinlagerung in den Beinen eine Rolle. Bei langem Sitzen, vor allem bei Personen mit chronisch venöser Insuffizienz (CVI), lagert sich am Tag Wasser in den Beinen ab. Nachts, wenn der Körper im Bett in waagrechter Position liegt, kommt es zu einem Flüssigkeitsrückstrom in Richtung Oberkörper. Dieser lässt das Gewebe im Hals anschwellen, was die Atemwege verengt und zu Atem­aussetzern führt – so die Theorie. Wenn diese Hypothese zutrifft, könnte das Tragen von Kompressionsstrümpfen am Tag die Atemaussetzer in der Nacht vermindern, folgerten Stefania Redolfi und ihre Kollegen von der Universität Brescia, Italien, und initiierten eine kleine Proof-of-Concept-Studie.

Sie rekrutierten zwölf normalgewichtige Personen mit CVI und OSAS und verteilten sie randomisiert auf zwei Arme: Eine Gruppe trug für eine Woche tagsüber Kompressionstrümpfe, die andere nicht. Nach einer Woche wechselten die Probanden dann jeweils in die andere Gruppe. Die handelsüblichen Oberschenkel-Kompressionsstrümpfe wurden den Patienten angepasst. Sie erzeugten am Knöchel einen Druck von etwa 20 mmHg (Kompressionsklasse 1). Die Probanden waren angehalten, die Strümpfe noch vor dem Aufstehen anzuziehen und beim Zubettgehen wieder auszuziehen. Zu Beginn der Studie und nach den beiden Interventionswochen wurden im Schlaf verschiedene Körperfunktionen mittels Polysomnografie überwacht sowie der Flüssigkeitsrückstrom aus den Beinen in Richtung Oberkörper anhand der Veränderungen des Flüssigkeitsvolumens im Bein und dem Anstieg des Halsumfangs im Verlauf der Nacht ermittelt.

 

Am Ende der Kompressionswoche waren die Veränderungen des Flüssigkeitsvolumens im Bein um 62 Prozent und der Anstieg des Halsumfangs um 60 Prozent zurückgegangen. Der Flüssigkeitsrückstrom hatte sich somit deutlich reduziert, berichten die Forscher im »American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine«. Die Zahl der Apnoen und Hypopnoen (eine Verminderung des Atemflusses auf mindestens 50 Prozent des Ausgangswertes über wenigsten zehn Sekunden) war nach der Kompressionswoche um 36 Prozent gegenüber der Kontrollwoche gesunken. »Die Ergebnisse sind so, wie wir es erwartet haben«, so Redolfi. Aber das Ausmaß des positiven Effekts in nur einer Woche habe sie überrascht. Nun sei zu prüfen, ob ein längeres Tragen der Kompressionstrümpfe noch bessere Ergebnisse erzielen könnte und ob diese Therapieoption auch bei anderen Patientengruppen wirksam ist. /

 

Quelle: Redolfi, S., et al.: Attenuation of Obstructive Sleep Apnea by Compression Stockings in Subjects With Venous Insufficiency. Am J Respir Crit Care Med. 2011 Aug 11.

Kommentar

Doug Bradley aus Toronto ist seit etwa zwei Jahren der These auf der Spur, dass die Flüssigkeitsverlagerung beim Wechseln vom Stehen in die liegende Position eine bestehende nächtliche Atmungsstörung verstärken kann. Zunächst hat er gesunde Personen untersucht und festgestellt, dass beim Hinlegen in der Tat der Halsumfang zunimmt, der Pharynx enger wird und die Kollapsibilität desselben zunimmt.

 

Damit kann der orthostatische Effekt der Flüssigkeitsverlagerung durchaus zum Schweregrad einer Schlafapnoe beitragen. Das zeigte sich insbesondere bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz und in der aktuellen Studie mit einer venösen Insuffizienz. Zusätzliche Flüssigkeit in der Lunge (Lungenödem) provoziert zudem die Entwicklung zentral bedingter Atmungsstörungen.

 

Wenn man die Flüssigkeitsansammlung in den Beinen am Tage verhindert – durch adäquate diuretische Therapie oder Stützstrümpfe – dann mindert sich dieser Effekt, bei OSAS-Patienten und erst recht bei OSAS-Patienten mit einer venösen Insuffizienz.

 

Beinödeme können somit einen potenzierenden Faktor für nächtliche obstruktive Atmungsstörungen darstellen, und zumindest bei OSAS-Patienten mit diesem Symptom sollte an entsprechende Maßnahmen gedacht werden. Der Stützstrumpf kann, wie die Lagetherapie (Meiden der Rückenlage) in Zukunft eine Begleittherapie für diese Gruppe von OSAS-Patienten werden. Die obstruktive Schlafapnoe ohne Beinödeme und ohne die oben genannten Komorbiditäten lässt sich mit heutigem Kenntnisstand mit Stützstrümpfen jedoch nicht behandeln.

 

Professor Dr. Ingo Fietze

Interdisziplinäres Schlafmedizinisches Zentrum

Charité, Berlin

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