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Geriatrie

Antidepressiva mit Nebenwirkungen

Datum 23.08.2011  14:52 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi / Bei Senioren ist die Einnahme von verschiedenen Antidepressiva-Klassen mit unterschiedlichen Nebenwirkungsraten verbunden: Unter Therapie mit Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) traten mehr Schlaganfälle, Stürze und Todesfälle auf als unter Trizyklika.

Depressionen sind eine häufige Diagnose bei älteren Menschen. Dennoch ist über die Sicherheit von Antidepressiva in dieser Altersgruppe relativ wenig bekannt. Eine vergleichende Analyse haben Wissenschaftler um Dr. Carol Coupland von der University of Nottingham, Großbritannien, nun im »British Medical Journal« veröffentlicht. Sie untersuchten Patienten­akten aus der Datenbank QResearch aus den Jahren 1996 bis 2007. Sie identifizierten insgesamt 60 746 Personen im Alter von 65 bis 100 Jahren mit neu diagnostizierten Depressions-Episoden. 89 Prozent von ihnen erhielten in der Folge zumindest eine Verschreibung von Antidepressiva. Am häufigsten wurden SSRI (Citalo­pram, Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin), verordnet (54,7 Prozent), gefolgt von Trizyklika (Amitriptylin, Dothiepin, Lofepramin, Trazodon) mit 31,6 Prozent. Monoamin-Oxidase-Hemmer machten 0,2 Prozent und andere Wirkstoffgruppen (Venlafaxin, Mirtazapin) 13,5 Prozent der Verschreibungen aus.

Patienten unter SSRI-Therapie hatten eine im Vergleich zu den mit Trizyklika Behandelten mehr unerwünschte Folgen: Schlaganfälle traten um 15 Prozent, Stürze um 27, Frakturen um 26, Epilepsie- und Krampfanfälle um 80 und Hyponatriämien um 44 Prozent häufiger auf. Auch die Gesamtmortalität lag um 32 Prozent über der der Trizyklika-Gruppe. In der Gruppe der mit anderen Wirkstoffen behandelten Patienten traten ebenfalls mehr unerwünschte Folgen auf als in der Trizyklika-Gruppe. Patienten hatten der Analyse zufolge eine Sterbewahrscheinlichkeit von 7 Prozent, wenn sie keine Therapie erhielten, 8,1 Prozent unter Trizyklika, 10,6 Prozent unter SSRI und 11,4 Prozent unter Therapien mit anderen Wirkstoffgruppen.

 

Ein überraschendes Ergebnis der Analyse sei, dass die als gut verträglich geltenden SSRI mehr Nebenwirkungen verursachten als Trizyklika, schreiben Coupland und ihre Kollegen. Dafür seien mehrere Gründe denkbar: Zum einen wurden Trizyklika zu 70 Prozent in einer Dosierung verordnet, die unter der halben empfohlenen Tagesdosis lag. Diese Unterdosierung könnte ein Grund für die schwächer ausgeprägten Nebenwirkungen in der Trizyklika-Gruppe sein. Zum anderen könnten Komorbiditäten eine Rolle gespielt haben. Die verträglicheren SSRI könnten verstärkt an multimorbide Patienten verordnet worden sein, sodass die unerwünschten Ereignisse nicht zwangsläufig auf die Therapie, sondern auf die Erkrankungen zurückgehen könnten. Die Autoren schreiben, dass Risiken und Nutzen verschiedener Substanzklassen bei der Verordnung an Senioren genau abgewogen werden sollten. Zudem sei weitere Forschung auf diesem Gebiet dringend nötig. /

 

Quelle: Coupland, C., et al.: Antidepressant use and risk of adverse outcomes in older people: a population based cohort study. BMJ. 2011 Aug 2;343:d4551. doi: 10.1136/bmj.d4551.

Kommentar

Diese Beobachtungsstudie weist nachdrücklich darauf hin, dass auch die neueren Antidepressiva wie SSRI besondere Risiken haben, einer kritischen Indikationsstellung bedürfen und Kontrolluntersuchungen (zum Beispiel Serum-Na) erfordern. Aus diesen Ergebnissen aber die grundsätzlich bessere Verträglichkeit der Trizyklika abzuleiten, greift zu kurz. Dothiepin und Lofepramin werden seit Jahrzehnten in Großbritannien bei älteren Patienten eingesetzt und sollen weniger kardiotoxisch oder delirogen sein als etwa Doxepin. Wahrscheinlich trotzdem bestehende Verträglichkeitsprobleme haben wohl zur durchschnittlichen relativen Unterdosierung beigetragen. Zu bedenken ist auch, dass Dothiepin, das in Deutschland Dosulepin entspricht, und Lofepramin, das hier nicht verfügbar ist, britische Besonderheiten darstellen. Trazodon ist als Antidepressivum hier sehr ungebräuchlich. Somit sind die verwendeten Trizyklika überwiegend nicht mit den hierzulande verwendeten identisch. Die 11 Prozent nicht antidepressiv behandelten älteren Patienten unterscheiden sich in ihrer Symptomatik wahrscheinlich von den behandelten Patienten und stellen somit keine ideale Kontrollgruppe dar. Es muss hier auch darauf hingewiesen werden, dass nach Daten aus der Nurses’ Health Study Depressionen selbst die kardiovaskuläre (HR 1,81) und die Gesamtmortalität (HR 1,76) deutlich erhöhen und der Verzicht auf eine wirksame Behandlung deshalb keine sinnvolle Option darstellt (Arch. Gen. Psychiatry (2011), 68:42-50).

 

Dr. Lutz M. Drach

Klinik für Alterspsychiatrie

Carl-Friedrich-Flemming-Klinik, Schwerin

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