Betrug aus Versehen? |
24.08.2010 17:39 Uhr |
dpa / Kliniken haben den Vorwurf von Krankenkassen zurückgewiesen, sie würden in betrügerischer Weise zu hohe Abrechnungen einreichen. Für Unstimmigkeiten zwischen Kliniken und Krankenkassen sorge vielmehr die Komplexität der Fallpauschalen, sagte Dr. Jürgen Linz, Leiter des Medizincontrollings im Klinikum Fürth, der Nachrichtenagentur dpa.
Krankheitsbilder und Behandlungsmethoden würden von Arzt zu Arzt unterschiedlich beurteilt. Linz ist Vorgesetzter von acht speziell ausgebildeten Fachkräften, die die erbrachten medizinischen Leistungen in Codes des Fallpauschalensystems umwandeln. Krankenkassen hatten den Kliniken in der Vergangenheit vorgeworfen, bewusst 50 bis 90 Prozent zu viel Geld zu verlangen.
Die Fallpauschale errechnet sich aus verschiedenen Informationen wie Erkrankungen und persönlichen Daten des Patienten sowie der Art der medizinischen Behandlung. Jede dieser Informationen haben einen eigenen Code, der in mehreren umfangreichen Katalogen festgehalten ist. »Das erste Problem bereitet schon die Codierung der Diagnosen«, sagt Linz. Zunächst müsse die Hauptdiagnose festgelegt werden, also diejenige Krankheit bestimmt werden, die den Klinikaufenthalt hauptsächlich verursacht habe. Die sei nicht immer eindeutig zu erkennen.
Meist müssten auch noch mehrere Nebendiagnosen des Patienten codiert werden. »Auch hier entsteht oft Streit, ob eine Nebendiagnose zu Recht codiert sei«, sagt Linz. Nur Nebendiagnosen, für die ein Aufwand dokumentiert wurde, dürfen berechnet werden. »Das ist sehr interpretationsoffen. Zwei Ärzte können zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen, und beide haben Recht.«
Auch die Codierung der medizinischen Maßnahmen ist schwer: »Der Prozeduren-Katalog enthält rund 30 000 Positionen. Die Auswahl ist also entsprechend groß«, sagt Linz. Oft bilden verschiedene Codes eine nahezu identische medizinische Leistung ab. »Doch schon kleine Veränderungen können zu großen Unterschieden in der Abrechnung führen«, sagt Linz. Ein komplexer Behandlungsfall lasse sich nicht so einfach in Codes pressen.
So entstehe der Vorwurf, die Krankenhäuser rechneten bewusst falsch ab. »Es gibt vielleicht schwarze Schafe, die schauen: Welche Codes bringen uns mehr? Aber das ist die Ausnahme«, sagt Linz.
Umgekehrt wollten auch die meisten Krankenkassen eine faire Zusammenarbeit. Nur wenige versuchten, jede Rechnung zu kürzen. Vor allem eines sei daher bei der Arbeit im Krankenhaus wichtig, meint der Experte. »Alles muss dokumentiert werden.« Schließlich müsse der Arzt eventuell im Nachhinein einem Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Rechenschaft ablegen. Daher komme auch die Klage der Ärzte über die zunehmende Bürokratisierung, sagt Linz. »Der Dokumentationsaufwand ist viel höher als aus rein medizinischer Sicht erforderlich.« /