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Chronische Handdermatitis

Neue Therapieoption in Aussicht

16.08.2007  10:57 Uhr

Chronische Handdermatitis

<typohead type="3">Neue Therapieoption in Aussicht

Von Bettina Wick-Urban

 

Wenn topische Steroide versagen, gibt es für Patienten mit chronischer Handdermatitis bislang kaum Behandlungsmöglichkeiten. Alitretinoin könnte diese Therapielücke schließen.

 

Bei Alitretinoin (9-cis-Retinsäure) handelt es sich um ein Vitamin-A-Säure-Derivat. Der Wirkmechanismus bei chronischer Handdermatitis ist noch nicht aufgeklärt. Tierversuche zeigten, dass es sowohl den Retinoid X Rezeptor (RXR) als auch alle Retinsäurezeptoren (RAR) aktiviert. Möglicherweise sind Immunzellen, die sogenannten T-Helferzellen, an der Wirkung beteiligt. Diese werden über den RXR-Rezeptor stimuliert (1, 2).

 

Die Schweizer Firma Basilea hat ankündigt, dass sie im Herbst die europäische Zulassung für Alitretinoin zur Behandlung von Patienten mit chronischer, steroidresistenter Handdermatitis beantragen wird. Mit der Markteinführung sei Ende 2008 zu rechnen.

 

Häufige Berufskrankheit

 

Verschiedenen Schätzungen zufolge tritt bei rund zehn Prozent der Bevölkerung in Europa eine Handdermatitis auf. Das Krankheitsbild wird auch als Handekzem bezeichnet. Betroffene klagen über Rötungen, Ödeme, Bläschen, übermäßige Verhornung, Einrisse, Juckreiz und Schmerzen an den Händen. Bei etwa sieben Prozent entwickelt sich eine schwere, chronische Form der Handdermatitis. Die Symptome können das tägliche Leben, Freizeitaktivitäten und die Ausübung des Berufs stark beeinträchtigen. Häufig tritt die chronische Form in Verbindung mit einer atopischen oder Kontaktdermatitis auf. Dabei gestaltet es sich oft schwierig, die auslösenden Faktoren, wie etwa Allergene oder hautreizende Chemikalien, zu identifizieren und zu vermeiden.

 

Leichte Fälle von Handdermatitis sprechen normalerweise auf eine Behandlung mit topischen Steroiden und Emollientien an. Verläuft die Erkrankung jedoch schwer und chronisch, bringen topische Glucocorticoide oft keine Besserung. In diesen Fällen ist das therapeutische Arsenal derzeit begrenzt. Zum Einsatz kommen orale Glucocorticoide, Ciclosporin, Methotrexat, Acitretin, Psoralen-/UV-A- oder Radiotherapie. Doch sind diese Ansätze nicht immer wirksam, und viele können aufgrund der zum Teil schwerwiegenden Nebenwirkungen nicht über einen längeren Zeitraum angewendet werden (1).

 

Möglicherweise hilft Alitretinoin, diese Therapielücke zu schließen. Darauf deuten mehrere Studien an therapieresistenten Patienten hin. An einer ersten randomisierten, doppelblinden Dosisfindungsstudie (1) nahmen 319 Patienten teil, die an mäßiger bis schwerer chronischer Handdermatitis litten. Zuvor hatten sie eine mindestens vierwöchige Behandlung mit topischen Glucocorticoiden nicht vertragen, beziehungsweise keine oder nur eine vorübergehende Therapieantwort darauf gezeigt.

 

Sie erhielten einmal täglich nach dem Frühstück Placebo, beziehungsweise  10, 20 oder 40 Milligramm Alitretinoin über drei Monate. Am Ende des Zeitraums beurteilte ein Dermatologe den Hautzustand mithilfe des sogenannten »physician‘s global assessment« (PGA). Dieses Instrument teilt den Schweregrad der Dermatitis in fünf Kategorien von »keine« bis »schwere« Symptome ein. Keine oder nur minimale Anzeichen von Dermatitis galten als Therapieerfolg. Die Ansprechrate war mit 53, 41 und 39 Prozent in allen Alitretinoingruppen signifikant höher als in der Placebogruppe (27 Prozent). Zudem berichteten die Patienten über eine höhere Lebensqualität. In der dreimonatigen Nachbeobachtungszeit erlitt allerdings ein Viertel der Patienten, die auf die Therapie angesprochen hatten, einen Rückfall.

 

Niedrige Rückfallrate

 

Es folgten drei Phase-III-Studien, die im Mai auf dem Kongress der Europäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie (EADV) in Wien vorgestellt wurden. In der doppelblinden, randomisierten BACH-Studie (Benefit of Alitretinoin in chronic hand dermatitis) wurden 1032 Patienten mit chronischer Handdermatitis, die nicht auf topische Steroide angesprochen hatten, für drei oder sechs Monate täglich mit Placebo oder Alitretinoin in einer Dosis von 10 oder 30 Milligramm behandelt. Nach diesem Zeitraum beurteilte der behandelnde Arzt den Hautzustand mithilfe der PGA-Skala. Dabei zeigten 48 Prozent der Patienten in der Hochdosisgruppe und 28 Prozent in der Niedrigdosisgruppe nach sechs Monaten keine oder nur minimale Dermatitissymptome. In der Placebogruppe waren es dagegen 17 Prozent. In der sechsmonatigen Nachbeobachtungszeit erlitten 30 Prozent der erfolgreich mit Alitretinoin behandelten Patienten einen Rückfall (3).

 

117 dieser rückfälligen Patienten aus der BACH-Studie nahmen an der zweiten Phase-III-Studie teil. Auf diese Weise sollte überprüft werden, ob ein weiterer Therapiezyklus mit Alitretinoin sinnvoll ist. Sie erhielten für drei oder sechs Monate Placebo, beziehungsweise 10 oder 30 Milligramm Alitretinoin. Bei dreiviertel der Patienten in der Hochdosis- und fast der Hälfte der Patienten in der Niedrigdosisgruppe heilte innerhalb der sechs Monate die Dermatitis vollständig ab. Einen solchen Therapieerfolg zeigten nur 8 Prozent der Placebopatienten. An der Studie nahmen darüber hinaus 242 Patienten teil, deren Dermatitis in der BACH-Studie nicht vollständig abgeheilt war. Bei 47 Prozent von ihnen stellte sich durch einen zweiten Behandlungszyklus mit 30 Milligramm Alitretinoin ein Therapieerfolg ein.

 

Typische Retinoid-Nebenwirkungen

 

Die dritte Phase-III-Studie, die auf dem Kongress in Wien vorgestellt wurde, war offen und nicht-randomisiert (5). Sie umfasste 248 Patienten, die sechs Monate lang täglich 30 Milligramm Alitretinoin erhielten. Die Ergebnisse bestätigten die gute Verträglichkeit des Wirkstoffs. Die Nebenwirkungen waren vergleichbar mit denen in den anderen Studien und typisch für orale Retinoide. Am häufigsten klagten Patienten demnach über Kopfschmerzen. Zu den unerwünschten Wirkungen zählten auch Reaktionen an Haut und Schleimhaut wie trockene Lippen, Rötungen, Ausschläge, Juckreiz, Ödeme und Photosensitivität. Zudem kann die die Therapie zu einer Erhöhung des Serumtriglyceridspiegels führen.

 

Teratogenes Potenzial

 

Wie bei allen therapeutisch eingesetzten Retinoiden, ist auch bei Alitretinoin unbedingt die Teratogenität zu beachten. Bei Frauen im gebärfähigen Alter muss eine Schwangerschaft vor Therapiebeginn ausgeschlossen werden. Während und vier Wochen nach Therapie ist eine sichere Schwangerschaftsverhütung zu gewährleisten. Die Konzentration im Samen bei männlichen Patienten scheint auch bei chronischer Behandlung vernachlässigbar zu sein, sodass eine Gefährdung der Partnerin bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr nicht gegeben ist (6).

 

Alitretinoin ist kein neuer Wirkstoff. Im Handel befindet sich bereits ein Gel (Panretin® Gel 0,1 Prozent), das für die Behandlung von Hautläsionen bei Patienten mit Aids-bedingtem Kaposisarkom zugelassen ist. Da Retinoide jedoch einen sauren pH-Wert haben, könnten diese bei topischer Anwendung die Dermatitis eher verschlechtern (7). Die orale Darreichungsform wird daher bei Patienten mit chronischer Handdermatitis vermutlich auf größere Akzeptanz stoßen, wenn das Präparat ansonsten gut vertragen wird.

Literatur

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Ruzicka, T., et al., Arch Dermatol 140 (2004) 1453-1459.

Stephensen, C., et al., J Immunol 168 (2002) 4495-4503.

Ruzicka, T., et al. , EADV-Kongress 2007, Ab-stract P 275.

Ruzicka, T., et al., EADV-Kongress 2007, Ab-stract P280.

Diepgen, T., et al., EADV-Kongress 2007,Ab-stract P281.

Schmidt-Hoffmann, A, et al., EADV-Kongress 2007, Abstract 290.

Fachinformation Panretin® Gel 0,1 Prozent, Stand: Mai 2007.

 

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