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Vorsorgeuntersuchungen

Fokus auf emotionale Entwicklung

12.08.2015  09:49 Uhr

Von Christina Müller / Kinder- und Jugendärzte sollen in Zukunft bei den U-Untersuchungen auch die sozial-emotionale Entwicklung des Kindes prüfen. Hierfür soll die Interaktion zwischen Kind und primärer Bezugsperson untersucht werden. Das sieht die neue Kinder-Richtlinie vor.

Eine entsprechende Änderung der Kinder-Richtlinie hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bereits im Juni beschlossen. Sie wird voraussichtlich 2016 in Kraft treten. An einer umfassenden Umstrukturierung der Kinder-Richtlinie arbeitet der G-BA seit 2005. Ziel sei es unter anderem, Störungen in der Entwicklung des Kindes durch frühzeitige Beratung der Eltern zu verhindern, sagte der Vorsitzende des Unterausschusses Methodenbewertung, Dr. Harald Deisler, gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung (PZ). »Störungen in der Eltern-Kind-Interaktion können zu mangelndem Schutz, mangelnder Pflege bis hin zu manifester Vernachlässigung und Misshandlung durch die Eltern führen. Die Beobachtung solcher Auffälligkeiten durch den Kinderarzt in Kenntnis der Entwicklung des Kindes und der möglicherweise vorhandenen psychosozialen Belastungsfaktoren der Familie kann von hohem präventiven Wert im Hinblick auf das Kindeswohl sein«, so Deisler.

Die in der Kinder-Richtlinie geregelten U-Untersuchungen umfassen zehn Termine bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr. Beurteilt wird die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Entwicklungsstörungen sollen so frühzeitig erkannt werden. Wichtig ist es, die vorgegebenen Altersspannen einzuhalten, da die Behandlung mancher Auffälligkeiten nur in einem bestimmten Zeitraum erfolgversprechend ist. Viele Entwicklungsschritte bauen aufeinander auf, sodass unerkannte frühkindliche Störungen oft weitreichende Folgen haben können.

 

Bisher beschränkt sich der Umfang der U-Untersuchungen hauptsächlich auf das Erkennen körperlicher Defizite, Stoffwechsel- und Hormonstörungen und angeborener Krankheiten. Zudem werden die Koordinationsfähigkeit sowie das Sprach-, Hör- und Sehver­mögen getestet und die Eltern über Impfungen und Karies- und Rachitisprophylaxe aufgeklärt. Die Beobachtung der Interaktion zwischen Eltern und Kind soll nun auch psychische Traumata verhindern. Bindungsexperte Dr. Karl Heinz Brisch von der Ludwig-Maximilian-Universität in München nennt als mögliche Folgen von Bindungsstörungen unter anderem mangelnde Beziehungsfähigkeit, Störungen der Stressregulation und der Entwicklung des Gehirns, Depressionen, Defizite in den kognitiven Möglichkeiten sowie Angst- und Panikstörungen.

 

Bindung prüfen

 

Die geänderte Kinder-Richtlinie wird in Zukunft konkrete altersabhängige Kriterien zur Beurteilung der Interaktion zwischen Eltern und Kind enthalten, die bei den U-Untersuchungen herangezogen werden sollen. »Bei jeder kinderärztlichen Untersuchung hat der Kinderarzt Einblicke in die Eltern-Kind-Interaktion, beispielsweise ob und wie sich das Kind von der Mutter oder dem Vater beruhigen lässt, ob und wie sie miteinander kommunizieren, wie sie im körperlichen Kontakt sind und vieles mehr. In der Kinder-Richtlinie werden hierfür altersentsprechende Reaktionen des Kindes aufgeführt, die dem Arzt als Hinweise zur Einschätzung seiner Stimmung, Kommunikations- und Regulationsmöglichkeit im Kontakt mit seiner primären Bezugsperson dienen können«, erklärt Deisler.

Kritik der Kinderärzte

 

Vonseiten der Ärzte hagelt es jedoch Kritik an der Umsetzung der Änderung: Dem Wunsch, standardisierte Fragebögen zur Erhebung der Sozialanamnese in den Entwurf einzuschließen, war der G-BA nicht nachgekommen. Zwar begrüße man grundsätzlich die Aufnahme der Interaktionsbewertung in die Richtlinie, die fehlende Berücksichtigung von Fragebögen sei jedoch ein entscheidender Nachteil. »Mit entsprechenden Instrumenten wie beispielsweise dem Mannheimer Fragebogen können wir geistige, soziale und emotionale Entwicklungsstörungen bei Kindern früher erfassen«, sagte Dr. Hermann Kahl, Sprecher des Ausschusses Prävention des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ).

 

»Solche Checklisten sind bereits in die Selektivverträge mit einigen Krankenkassen aufgenommen worden. Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Dass diese Formulare keinen Einzug in die Kinder-Richtlinie gefunden haben, wirft uns enorm zurück«, sagte Kahl im Gespräch mit der PZ. Deisler argumentiert, dass es derzeit an einer notwendigen Evaluation der Fragebögen fehle. »Die Kinder-Richtlinie schließt dennoch deren Verwendung nicht aus, schreibt sie aber auch nicht zwingend vor. Es liegt in der Entscheidung der Kinderärzte und Eltern, ob sie diese zur Unterstützung einer strukturierten Anamneseerhebung verwenden«, so der G-BA-Experte.

 

Der Bedarf für solche Fragebögen sei in der Praxis jedoch enorm groß, betont Kahl. »Wir sehen uns zunehmend mit Situationen konfrontiert, in denen vorschnell Diagnosen wie ADHS gestellt und Behandlungen eingeleitet werden, obwohl man den Problemen frühzeitig auf anderer Ebene effektiv hätte begegnen können.« Andererseits dauert es laut Kahl oft auch zu lange, bis den betroffenen Kindern geholfen wird. »Werden die Kinder verhaltens­auffällig, zieht das meist unschöne Hänseleien durch Gleichaltrige nach sich. Diese Demütigungen könnte man vielen Kindern ersparen, wenn schnell und richtig reagiert werden würde.« /

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