Multiresistente Bakterien aus Indien |
17.08.2010 16:43 Uhr |
Von Daniela Biermann und Christina Hohmann / Auf dem indischen Subkontinent haben sich mehrfachresistente Enterobakterien ausgebreitet, die sogar gegen die Antibiotikaklasse der Carbapeneme immun sind. Vereinzelt gelangten die multiresistenten Erreger auch nach Europa. In Deutschland traten bislang vier Fälle solcher Resistenzen auf.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) weist auf seiner Website darauf hin, dass es sich nicht um neue Bakterienarten handelt, sondern um multiresistente Formen der Spezies Klebsiella pneumoniae oder Escherichia coli.
Diese seien nicht virulenter als andere Bakterien der gleichen Spezies, sie ließen sich im Fall einer Infektion aber schlechter behandeln. Denn die Bakterien sind gegen Carbapeneme, die zu den Reserveantibiotika zählen, immun. Verantwortlich ist ein neues Carbapenem-spaltendes Enzym, die sogenannte Neu-Delhi-Metallo-Beta-Laktamase (NDM-1). Das Gen für dieses Enzym liegt außerhalb des Hauptgenoms des Bakteriums auf einem Plasmid, das sich leicht zwischen gramnegativen Enterobakterien austauschen lässt. Es wurde erstmals in Neu-Delhi beschrieben.
In der vergangenen Woche hatten Wissenschafter um Professor Dr. Timothy Walsh von der Universität Cardiff im Fachjournal »The Lancet Infectious Diseases« (doi: 10.1016/S1473-3099(10)70143-2) wegen der neuen Resistenz Alarm geschlagen. Sie fanden 170 Isolate resistenter Keime der Arten Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae in Indien, Pakistan und Großbritannien. Die britischen Patienten hatten sich fast alle eine Infektion bei Krankenhausaufenthalten auf dem indischen Subkontinent zugezogen. Die Erreger sind gegen alle Antibiotika außer Tigecyclin und Colistin (Polymyxin E) resistent. Die beiden Antibiotika gehören zur Reserve. Tigecyclin ist ein Vertreter der Glycylcycline, der erst 2006 in der europäischen Union zugelassen wurde. Colistin dagegen ist ein Antibiotikum aus den 1960er-Jahren, das aufgrund seiner toxischen Eigenschaften eher selten zum Einsatz kommt.
Während die NDM-1-bildenden Erreger auf dem indischen Subkontinent endemisch sind, treten sie in Europa bislang selten auf. Aufgrund der ausgeprägten Reisetätigkeit der Bevölkerung weltweit ist aber mit einer weiteren Verbreitung der resistenten Bakterien zu rechnen. In Deutschland gibt es bislang vier Nachweise von NDM-1-bildenden Erregern, meldet das RKI. In Belgien ist erstmals ein Mensch an einem neuen multiresistenten Bakterium aus Indien gestorben. Ein in Brüssel lebender Pakistaner erlag einer Infektion, die er sich bei einem Krankenhausaufenthalt in Pakistan zugezogen hatte.
Carbapenem-Resistenz nicht neu
Das RKI weist darauf hin, dass das Auftreten von Carbapenem-Resistenz bei Klebsiella pneumoniae und anderen Enterobakterien an sich nicht neu ist, die durch NDM-1 vermittelte Resistenz besitzt aber wahrscheinlich eine größere Ausbreitungsfähigkeit als bisherige Resistenzen. In früheren Fällen von Bakterien mit Carbapenem-Resistenz konnte durch rechtzeitige Gegenmaßnahmen wie Infektionskontrolle in Krankenhäusern die weitere Verbreitung auf niedrigem Niveau gehalten werden, schreibt das RKI. Ein wichtiger Aspekt sei auch, die Carbapenem-Antibiotika umsichtig einzusetzen, um möglichst einen Selektionsdruck zugunsten der Resistenz zu vermeiden.
Das Institut hat in den vergangenen drei Jahren das Antibiotika-Resistenz-Surveillance System (ARS) aufgebaut, um die Entwicklung von Antibiotika-Resistenzen frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls gegensteuern zu können. /