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Kombivakzine

Vier auf einen Streich

15.08.2006  10:44 Uhr

Kombivakzine

<typohead type="3">Vier auf einen Streich

Von Thomas Knaier, München

 

Musste bisher gegen eine Varizelleninfektion separat geimpft werden, kann nun eine einzige Vakzine vor Masern, Mumps, Röteln und Windpocken schützen. Seit August steht dafür in Deutschland ein Vierfach-Impstoff zur Verfügung, der ab einem Alter von neun Monaten gegeben werden kann.

 

Masern, Mumps, Röteln und Windpocken (Varizellen) werden oft als »harmlose«, aber lästige Kinderkrankheiten eingeschätzt. Dabei sterben nach Angaben der WHO jährlich circa drei Millionen Kinder weltweit an diesen Infektionskrankheiten, die durch rechtzeitige und gezielte Impfung weitgehend vermeidbar gewesen wären. Seit August ist nun in Deutschland, als erstem Land in Europa, der tetravalente Impfstoff Priorix Tetra® zur aktiven Immunisierung gegen die vier Kinderkrankheiten auf dem Markt. Hierbei handelt es sich um eine aus attenuierten Lebendviren hergestellte Vakzine, die im Kühlschrank gelagert werden muss. Für eine Immunisierung sind zwei Dosen im Abstand von in der Regel sechs, mindestens aber vier Wochen notwendig. Der Impfstoff stellt eine Kombination der MMR-Vakzine Priorix® (MMR) und des Varizellen-Impfstoffs Varilrix® dar.

 

Kombis erhöhen Durchimpfungsrate

 

Der Einsatz von Kombinationsimpfstoffen im frühen Kindesalter hat die Akzeptanz von Impfungen und die Durchimpfungsrate in Deutschland in den letzten Jahren erheblich gesteigert, sagte Professor Dr. Volker Schuster, Universitätskinderklinik Leipzig, auf einer von GlaxoSmithKline unterstützten Veranstaltung. Sehr gutes Ansprechen, geringe Reaktogenität, hohe Sicherheit und die gleichzeitige Applikation mehrerer Impfstoffe mit einer Injektion seien Gründe dafür. Der MMR-Dreifachimpfstoff mit Zwei-Dosen-Schema (erste Gabe zwischen dem 11. und 14. Monat, zweite zwischen dem 15. und 23. Monat) werde schon seit den 70er-Jahren angewandt und erzeuge wahrscheinlich lebenslange Immunität. Angesichts der STIKO-Empfehlung, Kinder im Alter von 11 bis 14 Monaten gegen Varizellen impfen zu lassen, mache eine Verbindung des MMR-Kombi-Impfstoffs mit dem Varizellen-Antigen Sinn. Denn so könnte ein hohe Durchimpfung gesichert werden und zur Kostensenkung im Gesundheitswesen beigetragen, prognostizierte Schuster.

 

Der neue tetravalente MMRV-Impfstoff wurde in randomisierten klinischen Studien mit mehr als 8800 Probanden getestet. Eine Phase-III-Studie in deutschen Studienzentren prüfte, ob er einer Kombination der Impfungen mit Varilrix und Priorix gleichwertig ist. Dazu erhielten 970 gesunde Kinder im Alter von 11 bis 22 Monaten entweder zwei Dosen der neuen Vakzine im Abstand von sechs Wochen oder zwei Dosen Priorix im selben Abstand, wobei parallel zur ersten Impfung eine Dosis Varilrix verabreicht wurde. Die Studie zeigte eine vergleichbare Immunogenität in beiden Gruppen, so Schuster. Gegen alle vier Impfkomponenten seien nach zwei Dosen des neuen Impfstoffes Serokonversionsraten von mehr als 98 Prozent registriert worden.

 

Als positiver Zusatzeffekt könne laut Schuster ein 20fach höherer Varizellen-Antikörpertiter beobachtet werden, was als Vorteil einer zweiten Impfung im Kleinkindalter zu werten sei. So könne das Risiko von Varizellen-Durchbrüchen verringert werden. Nach Angaben der amerikanischen Gesundheitsbehörde sind nämlich 15 bis 20 Prozent der Kinder mit einer Impfung nur unzureichend geschützt. In den USA wird eine zweite Impfung seit Juli empfohlen.

 

Insgesamt habe sich die neue Vierfach-Vakzine als sicher und gut verträglich erwiesen. Der häufig auftretende impfbedingte Hautausschlag sei harmlos und geradezu erwünscht. »Man kann sagen, dass Kinder mit impfbedingtem Hautausschlag besser geschützt sind als Kinder ohne Hautausschlag«, so Schuster. Die Kombi-Vakzine könne zudem parallel mit dem zugelassenen Sechsfach-Impfstoff (DTPa-HBV-IPV/Hib) gegeben werden. Werde sie in den Impfplan integriert, könnte sie die frühzeitige Durchimpfung der Bevölkerung mit den empfohlenen Impfungen unterstützen.

 

Harmlos ist anders

 

Treten Masern, Mumps oder Röteln erst im Jugend- und Erwachsenenalter auf, ist die Komplikationsrate mit ZNS- und Organbeteiligung erhöht, sagte Privatdozent Dr. Johannes Liese, Dr.-von-Haunersches-Kinderspital der LMU München. Enzephalitiden, Arthritis, Bronchitis, Peri- und Myokarditis sind möglich, Röteln können in der Frühschwangerschaft zu Spontanabort, Frühgeburt und konnatalem Rötelnsyndrom (CRS) beim Neugeborenen führen. Trotz der seit 1980 empfohlenen MMR-Kombinationsimpfung habe eine Prävalenzstudie von 1998 einen fehlenden Schutz bei 0,8 bis 3 Prozent der jungen Frauen in Deutschland ermittelt.

 

Infektionen mit dem Varicella-Zoster-Virus in der Schwangerschaft und während der Geburt können das fetale Varizellensyndrom beziehungsweise kongenitale Varizellen des Neugeborenen hervorrufen, sagte Liese. Jugendliche und Erwachsene könnten unter bakteriellen Infektionen der Haut und Komplikationen des Nervensystems leiden. Angesichts von 700.000 Varizelleninfektionen jährlich empfehle die STIKO seit Juli 2004 eine Schutzimpfung für Kinder im Alter von 11 bis 14 Monaten sowie für 9- bis 17-jährige Jugendliche ohne Varizellen-Anamnese, so Liese.

Immunsystem nicht überfordert

Die Zahl der empfohlenen Impfungen in den ersten beiden Lebensjahren hat in den letzten 20 Jahren stark zugenommen, berichtete Professor Dr. Rüdiger von Kries, Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin der LMU München. Waren es Mitte der 80er-Jahre noch fünf empfohlene Impfungen in den ersten beiden Lebensjahren, sei die Zahl in 2005 auf insgesamt neunzehn gestiegen. Ohne Kombinationsimpfstoffe sei eine zeitgerechte Durchführung der Impfungen heute nicht möglich.

 

Die häufig geäußerte Sorge vieler Eltern, mit der Gabe vieler Impfkomponenten das Immunsystem des Kindes zu überfordern, ist laut von Kries unbegründet. Eine Studie aus 2002 habe gezeigt, dass die Menge der Impfantigene, denen Kinder heute ausgesetzt sind, seit den 80er-Jahren deutlich abgenommen hat. Auch, wenn alle empfohlenen Impfungen durchgeführt werden, ist die Zahl der Impfantigene von 3031 (1980) auf 125 (2000), das heißt etwa um den Faktor 20 gesunken.

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