Pharmazeutische Zeitung online
Mythos Wettbewerb

Der ewige Traum vom Niedrigpreis

14.08.2006  11:28 Uhr

Mythos Wettbewerb

<typohead type="3">Der ewige Traum vom Niedrigpreis

Von Patrick Hollstein

 

Wenn Josef Hecken dem holländischen Versandhändler DocMorris Schützenhilfe gewährt, müssen in der Argumentation vermeintliche volkswirtschaftliche Unzulänglichkeiten des hiesigen Apothekenmonopols herhalten. Einen Beweis für die ökonomische Überlegenheit des Fremdbesitzes bleibt der Minister schuldig. Aus gutem Grund.

 

»Wir fangen schon mal an«, lautet der Werbeslogan der saarländischen Landesregierung, der unübersehbar auf den Pressemappen prangt und sich tief in Heckens Amtsverständnis gegraben zu haben scheint. »Angefangen« haben Gesundheitspolitiker in anderen Staaten ebenfalls, aber kaum einer der verantwortlichen Amtskollegen Heckens kann mit den Entwicklungen nach der Liberalisierung des Apothekenwesens wirklich zufrieden sein. Der ewige Traum vom Niedrigpreis hat sich in keinem der Länder, in denen Fremdbesitz erlaubt ist, nachhaltig erfüllt.

 

In den USA hat sich der Pharmamarkt einer Untersuchung des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) zufolge zwischen 1998 und 2004 im Umsatz verdoppelt; in Großbritannien legten die Umsätze der Pharmahersteller um 70 Prozent zu. Dagegen nehmen sich die Zuwächse in Deutschland bescheiden aus. Im selben Zeitraum stiegen sie um 30 Prozent. Tatsächlich liegt in Deutschland der Anteil der Arzneimittelausgaben am Bruttoinlandsprodukt seit 1992 unverändert bei weniger als 2 Prozent ­ eine Kostenexplosion ist hier zu Lande trotz gegenwärtiger Apothekenstruktur nicht zu beobachten.

 

Ohnehin dürften die Handelsmargen nicht zu den entscheidenden Ausgabenposten zählen. Vielmehr muss Gesundheitsökonomen zufolge der Umfang ärztlicher Verordnungen als Schrittmacher für den Arzneimittelverbrauch gesehen werden: Zwar ist Deutschland der VFA-Studie zufolge der drittgrößte Arzneimittelmarkt weltweit. Doch die Zahl der ärztlichen Verordnungen entwickelt sich seit Jahren rückläufig. Beim Arzneimittelverbrauch pro Kopf haben im europäischen Vergleich Frankreich und die Schweiz längst die Nase vorn. In Spanien, aber auch in Ländern mit Fremdbesitz wie Belgien, Norwegen, den Niederlanden, der Schweiz und Großbritannien haben neue Wirkstoffe heute einen Anteil von bis zu 20 Prozent am Verordnungsmarkt; in Deutschland entfielen 2003 nur 7,5 Prozent aller Verordnungen auf Innovationen. Stattdessen haben sich Generika mit einem Anteil von mehr als 70 Prozent am deutschen Markt etabliert; hier hinkt die Schweiz, trotz Apothekenketten und neuer Selbstbehaltregeln, weit hinterher.

 

Keine Entlastung nach Marktfreigabe

 

Auch im zeitlichen Verlauf konnte in den einzelnen Märkten keine Entlastung durch Marktfreigabe nachgewiesen werden. Zwar schwanken dem europäischen Apothekendachverband ZAEU zufolge in Ländern wie Irland und Norwegen die Preise für OTC-Produkte seit der Freigabe häufiger als in Ländern ohne Fremd- und Mehrbesitz. Dauerhaft billiger geworden sind Medikamente jedoch nicht. Stattdessen musste beispielsweise das norwegische Gesundheitsministerium 2004 feststellen, dass die Handelskonzerne zwar Rabatte bei ihren Zulieferern, vor allem Generikaherstellern, einfordern, diese jedoch nicht an Verbraucher oder Kassen weitergeben. Lediglich in Island waren die Marktführer an umkämpften Standorten in einen Preiswettbewerb getreten. Dieser beschränkte sich jedoch auf die Patientenzuzahlungen; auch hier wuchs das Arzneimittelbudget entgegen den Hoffnungen der Regierung ungebremst weiter an.

 

Eine Untersuchung der britischen Wettbewerbsbehörde OFT, auf deren Grundlage vor drei Jahren die bestehenden Niederlassungsbeschränkungen zu Fall gebracht werden sollten, konnte ebenfalls keinen Preisvorteil von Kettenapotheken gegenüber unabhängigen Apotheken nachweisen. Weder Fremdbesitz noch eine hohe lokale Anbieterkonzentration führten zu statistisch signifikanten Nachlässen (siehe PZ 26/06).

 

Stattdessen haben, neben der Verordnungshäufigkeit, vor allem die Arzneimittelpreise wesentlichen Einfluss auf die Gesundheitsausgaben. Die europäische Arzneimittelpreisvergleichsliste des norwegischen Pharmaverbandes LMI führen mit der Schweiz, Großbritannien, Irland und den Niederlanden ausgerechnet Nationen mit Fremd- und Mehrbesitz an. Hier liegt Deutschland im Mittelfeld. Seit der Einführung der Festbeträge im Jahr 1989 hat der Gesetzgeber die Arzneimittelpreise fest in der Hand.

 

Italien, Spanien und Griechenland, also Ländern mit ausschließlich inhabergeführten Apotheken, gehören im Vergleich der EU-15 zu den Ländern mit den niedrigsten Arzneimittelpreisen. Mit Wettbewerb hat dies wenig zu tun. Die niedrigen Preise sind alllesamt Resultat massiver staatlicher Eingriffe. Für Menschen mit einem wirtschaftsliberalen Weltbild kommt es sogar nich dicker. Spanien hat nicht nur keine Apothekenketten, sondern auch noch die höchste Apothekendichte in der EU. Die für viele Ökonomen bestürzende Bilanz lautet also: Nicht Wettbewerb im Handelssegment, sondern das Verordnungsverhalten der Ärzte sowie die Art der Preisbildung durch die jeweilige Regierung ssind für das Preisniveau verschreibungspflichtiger Arzneimittel entscheidend. Wie sonst kommt es, dass Medikamente, die für deutsche Einzelapotheken bestimmt sind, in den Regalen britischer Kettenfilialen landen?

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa