Pharmazeutische Zeitung online
Chronische myeloische Leukämie

Aussicht auf ein therapiefreies Leben

30.07.2014  11:01 Uhr

Von Maria Pues, Frankfurt am Main / Eine Möglichkeit der Heilung bot für Patienten mit einer chronischen myeloischen Leukämie (CML) bisher allenfalls eine Stammzelltransplantation. In Studien wird nun geprüft, ob auch eine Behandlung mit Tyrosinkinase- Inhibitoren dies leisten könnte.

Rund 1,6 pro 100 000 Menschen erkranken jährlich neu an einer CML. Die Erkrankung tritt im Verhältnis eher in höherem Lebensalter auf, und Männer sind 1,4 Mal häufiger betroffen als Frauen. Bei etwa 95 Prozent der Patienten lässt sich das sogenannte Philadelphia-Chromosom nachweisen, ein verkürztes Chromosom 22. Es entsteht durch eine Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 22, bei der es zur Bildung des Fusionsgens BCR-ABL kommt, das als Onkogen wirkt.

ABL kodiert für eine Tyrosinkinase; die Veränderung wirkt als Signal zur unkontrollierten Vermehrung der bei einer CML leukämisch veränderten Leuko­zyten. Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) der ersten Generation wie Imatinib (Glivec®) oder der zweiten Generation wie Nilotinib (Tasigna®) und Dasatinib (Sprycel®) hemmen dieses Signal.

 

Nicht mehr potenziell tödlich, sondern chronisch

 

»Die Therapie mit TKI hat die Behandlung und das Überleben von Patienten mit CML drastisch verbessert«, sagte Dr. Frank Stegelmann vom Universitätsklinikum Ulm bei einem Presse­gespräch von Novartis in Frankfurt am Main. Aus einer potenziell tödlichen Krankheit ist so ein chronische geworden. Können TKI sie möglicherweise auch heilen? In Studien wird derzeit erprobt, ob und unter welchen Umständen Ärzte eine CML-Therapie mit Nilotinib absetzen können, ohne einen erneuten Ausbruch der Erkrankung befürchten zu müssen.

 

Zur Beurteilung des Therapieansprechens dienen der Nachweis des Philadelphia-Chromosoms im Knochenmark und die Zahl der BCR-ABL-Transkripte in peripherem Blut. Ist kein Philadelphia-Chromosom mehr nachweisbar, spricht man von einer kompletten zytogenetischen Remission. Die molekulare Remission (MR) wird anhand der BCR-ABL-Transkripte beurteilt (siehe Tabelle). Sie wird mithilfe einer logarithmischen Skala beschrieben: Bei MR4 und MR4,5 wurden die BCR-ABL-Transkripte um vier beziehungsweise viereinhalb log-Stufen reduziert. Als Ausgangspunkt dient hierbei eine spezielle, in Studien ermittelte Basislinie (IRIS-Baseline), nicht das individuelle Niveau vor der Behandlung. Bei diesen Werten spricht man von einem tiefen molekularen Ansprechen. Bei Patienten mit MR4,5 liegt die Zahl der BCR-ABL-Transkripte mit der heute angewendeten Echtzeit-Polymerase-Kettenreaktion am molekularen Nachweislimit.

 

Ermutigt fühlen sich die Mediziner durch ein verbessertes Ansprechen der Patienten auf TKI der zweiten Genera­tion, mit denen eine tiefe molekulare Remission erreicht werden kann. Sie können außerdem von Erfahrungen mit dem Absetzen von Imatinib profitieren, die in der STIM-Studie gesammelt wurden. Nach 60 Monaten lag die Wahrscheinlichkeit für ein Aufrechterhalten der CMR noch bei 40 Prozent. »Wichtig ist dabei, dass alle molekularen Rückfälle in den ersten zwei Jahren auftraten«, führte Stegelmann aus. Die weitaus meisten Rückfälle ereigneten sich während der ersten sieben Monate. Anfangs sind daher besonders engmaschige Kontrollen erforderlich. Eine Studie mit TKI der zweiten Generation, die STOP-2G-TKI-Studie, lässt ebenfalls hoffen. Hier lag der Anteil der Patienten, die sich auch zwölf Monate nach Absetzen in guter molekularer Remission (MMR) befanden, bei gut 61 Prozent.

 

Erfolg vorhersagen

 

Wünschenswert sei es, prognostische Faktoren für ein erfolgreiches Absetzen zu entwickeln. »Hier ist man noch am Anfang«, sagte Stegelmann. Retrospektiv habe sich gezeigt, dass ein Therapiebeginn in einer späten Krankheitsphase und ein hoher Risikoscore nach Sokal mit einer schlechteren Prognose verbunden seien. Als günstig haben sich vorläufig ein niedriger Risikoscore, eine längere Behandlungsdauer sowie eine zusätzliche Interferon-Therapie erwiesen.

 

Derzeit laufen in Deutschland acht Absetzstudien mit Nilotinib, vier von Novartis initiierte und vier extern initierte. Zu den Einschlusskriterien gehört eine mindestens zweijährige Nilotinib-Therapie.

Molekulare
Remission (MR)
Anzahl BCR-ABL-Transkripte

Güte der MR

MMR ≤ 0,1 Prozent BCR-ABL gute molekulare Remission
MR4 ≤ 0,01 Prozent BCR-ABL tiefe molekulare Remission
MR4,5 ≤ 0,0032 Prozent BCR-ABL tiefe molekulare Remission
MR5

≤ 0,001 Prozent BCR-ABL
(nicht mehr nachweisbar)
tiefe molekulare Remission

Arbeitsdefinition zur MR-Sensitivität, angelehnt an die Empfehlungen zum guten und tiefen molekularen Ansprechen der EUTOS (European Outcome and Treatment Study for CML)

 

Gründe, die für den Versuch therapiefreier Phasen sprechen, gibt es verschiedene. »Angesichts des häufig fortgeschrittenen Alters der Patienten reduziert ein Absetzen mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und erhöht den therapeutischen Spielraum für die Behandlung weiterer Erkrankungen«, führte Stegelmann aus. Er wies außerdem auf die vaskulären Risiken von Nilotinib hin, die tendenziell ebenfalls eher bei älteren Pa­tienten die Gefahr unerwünschter Wirkungen erhöhen können. Auch jüngere Patienten und vor allem Patientinnen profitieren von einem Absetzen, da TKI während der Schwangerschaft kontraindiziert sind. Krankenversicherer freut die Kostenersparnis. Trotzdem warnte Stegelmann: »Für Absetzversuche außerhalb kontrollierter Studien ist es derzeit jedoch noch zu früh.« /

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa