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Glucocorticoide

Paradoxe Effekte auf den Knochen

30.07.2013  16:51 Uhr

Von Ulrike Viegener / Die Glucocorticoid-induzierte Osteoporose (GIO) ist die häufigste sekundäre Osteoporoseform, doch wie sie genau zustande kommt, ist unklar. Den aktuellen Forschungsstand dazu fassen australische Wissenschaftler im Fachjournal »The Lancet« in einem Review zusammen.

Gut, dass wir mit einem Paradox konfrontiert werden – jetzt können wir hoffen, Fortschritte zu machen. Das hat sinngemäß der dänische Physiker und Nobelpreisträger Niels Bohr gesagt. Ihn zitieren die Forscher um Professor Dr. Markus J. Seibel vom Bone Research Program am Concord Hospital in Sydney, denn auch die Glucocorticoid-induzierte Osteoporose gibt wegen scheinbar paradoxer Effekte von Glucocorticoiden am Knochen nach wie vor Rätsel auf. (doi: 10.1016/S2213-8587(13)70045-7). Während Glucocorticoide in physiologischer Konzentration den Knochenaufbau fördern, führen supraphysiologische Dosen zur Osteoporose.

 

Hohes Frakturrisiko

 

Die negativen Effekte auf den Knochen- und Mineralstoffwechsel zeigen eine klare Abhängigkeit von Dosis und Dauer der Glucocorticoid-Anwendung. Einer von fünf Patienten erleidet in den ersten zwölf Therapiemonaten eine Fraktur; nach fünf bis zehn Jahren hat sich der Anteil Betroffener auf rund 50 Prozent erhöht. Bevorzugt sind die Bruchstellen an Wirbelsäule, Oberschenkelknochen und Rippen lokalisiert.

Die unterschiedlichen Glucocorticoid-Effekte werden zwar zunehmend besser verstanden, sind aber nach wie vor nur unvollständig entschlüsselt. Fest steht, dass sowohl Osteoblasten und Osteo­zyten als auch Osteoklasten durch Glucocorticoide beeinflussbar sind. Eine genauere Erforschung der physiologischen Effekte wurde erst in jüngerer Zeit durch gewebeselektive Ausschaltung der Gluco­corticoid-Wirkung an transgenen Tier­modellen möglich. Demnach spielen endogene Glucocorticoide eine regulato­rische Schlüsselrolle bei der Differenzierung von Mesenchymzellen in Osteoblasten. Außerdem greifen sie regulierend in den Calcium-Haushalt ein.

 

Bisher dachte man, die antiinflamma­torische Wirkung komme durch Transrepression zustande, die unerwünschten Effekte dagegen durch Transaktivierung. Bei der Transrepression interagiert der aktivierte Glucocorticoid- Rezeptor mit anderen Transkriptionsfaktoren, was zu einer reduzierten Synthese Steroid-abhängiger Genprodukte führt. Bei der Transaktivierung dagegen bindet der Rezeptor direkt an die DNA und löst so eine vermehrte Ablesung der betreffenden Genabschnitte aus.

 

Wie man inzwischen weiß, ist das aber zu einfach gedacht. Pathogenetisch steht bei der GIO eine Suppression der Osteoblasten-Aktivität im Vordergrund, das heißt es wird primär die Knochenbildung ungünstig beeinflusst. Auch wurde unter hohen Glucocorticoid-Dosen eine vermehrte Apoptose (programmierter Zelltod) von Osteoblasten und Osteo­zyten beobachtet.

 

Prävention von Anfang an

 

Eine unbedenkliche Glucocorticoid-Dosis gibt es nach aktueller Kenntnis nicht. Auch ist zu bedenken, dass bereits nach wenigen Monaten einer niedrig dosierten Therapie nachweislich ein signifikant erhöhtes Frakturrisiko besteht. Deshalb, so die Autoren des Reviews, ist vor jeder Therapie eine individuelle Risiko­abklärung erforderlich.

 

Dabei sollten unter anderem alimentäre Calcium-Aufnahme, Sonnenexposition und körperliche Aktivität erfasst werden. Zu beachten ist außerdem, dass entzündliche Krankheiten, die mit Glucocorticoiden behandelt werden, per se oft mit einer Abnahme der Knochendichte verbunden sind. Eine Knochendichtemessung wird empfohlen, obwohl sich deren Aussagekraft im Hinblick auf das Frakturrisiko unter Glucocorticoiden als schwach erwiesen hat. Nicht nur ein Verlust der Knochendichte, sondern auch Änderungen der Knochenarchitektur scheinen nämlich bei der GIO eine Rolle zu spielen.

 

Interventionen zur Prävention ungünstiger Effekte auf die Knochenfestigkeit sollen unbedingt zeitgleich mit der Glucocorticoid-Therapie gestartet und bis zu deren Ende fortgeführt werden. In der Praxis wird das oft nicht so gehandhabt. Entsprechende Maßnahmen werden oft erst eingeleitet, wenn bereits ein substanzieller Verlust der Knochendichte oder sogar eine Fraktur feststellbar sind.

 

Die pharmakologischen Möglichkeiten zur Prävention der GIO sind laut Review bislang nicht hinreichend erforscht. Zumindest für Teilkollektive haben Studien mit Bisphosphonaten günstige Effekte dokumentiert. Als Regel sei allerdings festzuhalten, dass eine antiresorptive Therapie bei GIO grundsätzlich schwächer wirksam ist als bei postmenopausaler Osteoporose. / 

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