Sorafenib bei Nierenzellkarzinom |
31.07.2006 13:35 Uhr |
<typohead type="3">Sorafenib bei Nierenzellkarzinom
von Kerstin A. Gräfe
Sorafenib ist ein neuer Arzneistoff zur Therapie des Nierenzellkarzinoms. Im Gegensatz zu seinen Mitstreitern nimmt der Multi-Kinase-Inhibitor den Tumor gleich von zwei Seiten in Angriff: Er stoppt die vermehrte Zellteilung und schneidet die Geschwulst von der Blutversorgung ab. Überdies kann er oral eingenommen werden.
Sorafenib (Nexavar® 200 mg Filmtabletten, Bayer) erhielt Ende Juli die Zulassung zur Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms. Der orale Multi-Kinase-Inhibitor ist indiziert zur Behandlung von Patienten, bei denen eine Therapie mit Interferon-α oder Interleukin-2 versagt hat oder nicht geeignet ist.
Im Gegensatz zu anderen Tyrosinkinase-Hemmern verfügt Sorafenib über einen dualen Wirkmechanismus: Zum einen unterbricht die Substanz einen Signalweg, der die Zelle zu unablässiger Teilung anregt. In der Regel erhalten Zellen die Befehle für Teilung und Wachstum von außen, indem ein Wachstumsfaktor an der Zelloberfläche andockt. Bei der Signalübertragung in das Zellinnere fungiert das RAS-Protein als zentrale Schaltstelle. Es wird aktiviert und schaltet die RAF-Kinase ein. Dadurch wird eine Signalkaskade ausgelöst, die letztendlich im Zellkern die Zellteilung auslöst. Sorafenib hemmt die RAF-Kinase und vermindert dadurch die Proliferation von Tumorzellen.
Zum anderen schneidet Sorafenib, ähnlich wie Bevacizumab, den Tumor von der Nährstoffversorgung ab. Denn auch Sorafenib hemmt den VEGF-Rezeptor (vascular endothelial growth factor receptor), genauer: die VEGF-Rezeptor-Tyrosinkinase in den Blutgefäßzellen. So kappt der Arzneistoff den Tumor von der für sein Wachstum nötigen Blutversorgung ab, der Tumor verkümmert. Darüber hinaus hemmt Sorafenib weitere Tyrosin-Kinasen.
Überleben verlängert
Die empfohlene Dosis für Sorafenib beträgt zweimal täglich 400 mg. Da sich bei gleichzeitiger Einnahme mit einer fettreichen Mahlzeit die Resorption um 30 Prozent verringert, sollten die Tabletten unabhängig von einer Mahlzeit eingenommen werden. Die relative Bioverfügbarkeit beträgt 38 bis 49 Prozent. Maximale Plasmakonzentrationen werden nach etwa drei Stunden erreicht. Die Eliminationshalbwertszeit liegt bei 25 bis 48 Stunden. Der Arzneistoff wird primär in der Leber durch oxidativen Abbau über CYP3A4 sowie durch UGT1A9-vermittelte Glukuronidierung metabolisiert.
Die Zulassung basiert auf der bisher größten randomisierten und placebokontrollierten Studie zum fortgeschrittenen Nierenzellkrebs. An der TARGET-Studie (Treatment Approaches in Renal Cancer Global Evaluation Trial) nahmen 903 Patienten teil. Sie erhielten entweder zweimal täglich 400 mg Sorafenib oder Placebo. Primäre Endpunkte waren das progressionsfreie Überleben sowie das Gesamtüberleben. Schon in einer Zwischenauswertung war der Multi-Kinase-Hemmer in beiden Punkten Placebo signifikant überlegen. Das progressionsfreie Überleben konnte mit Sorafenib von 12 Wochen (Placebo) auf 24 Wochen verdoppelt werden. Eine Stabilisierung des Tumors wurde bei 84 Prozent der Sorafenib-Patienten erreicht, was unter Placebo bei 55 Prozent der Fall war. Das Gesamtüberleben konnte die Sorafenib-Therapie um knapp 40 Prozent verlängern. Infolgedessen wurde das Studienprotokoll geändert und auch die ursprüngliche Placebogruppe mit dem Arzneistoff behandelt. Erste Daten nach sechs Monaten weisen darauf hin, dass auch diese Patienten noch von einer Verumtherapie profitieren. Die Überlebenszeit stieg unter der später einsetzenden Behandlung von 14,7 auf 15,9 Monate.
Häufigste unerwünschte Wirkungen waren Diarrhö, Hautausschlag, Haarausfall und das Hand-Fuß-Syndrom (Rötungen und Schmerzen an Händen und Füßen). Die Abbruchrate auf Grund der Nebenwirkungen betrug bei Sorafenib 10 Prozent, bei Placebo 8 Prozent.
Der Multi-Kinase-Hemmer wird auch bei anderen Tumorarten untersucht. Gegenwärtig laufen Phase-III-Studien zur Behandlung des fortgeschrittenen Leberzellkarzinoms und des metastasierten Melanoms. Im Februar wurde eine Phase-III-Studie bei Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom mit Sorafenib als Erstbehandlung begonnen. Auch beim Nierenzellkarzinom wird der Arzneistoff weiter untersucht. Phase-III-Studien an Patienten mit lokal fortgeschrittener Erkrankung sowie einer ein- bis dreijährigen adjuvanten Behandlung sind in Planung und sollen noch in diesem Jahr beginnen.